Читать книгу Mythen, Märchen und Legenden aus Kambodscha - Socheat Chorn Franz Roither - Страница 12
Die Geschichte vom Glück, das man nicht zwingen kann
ОглавлениеEssen in Kambodscha
Was Ausländern sofort ins Auge sticht, das sind die unzähligen Garküchen am Straßenrand, die vor allem am Morgen und zu Mittag gut besucht sind. Die Ausstattung ist eher einfach. In einer Ecke läuft meistens ein Fernsehen, es gibt ein paar Plastiktische, auf denen Stäbchen, eine Kanne grüner Tee und die Gewürze Salz, Chili- und Fischsauce stehen. In Kambodscha ist Reis die Basis fast aller Mahlzeiten, ob zum Frühstück, Mittagessen oder zum Abendessen. Dazu kommen Gemüse, Fisch und Pråhoc, eine fermentierte Fischpaste. Samlor (= Suppen) sind ebenfalls sehr beliebt. Fleisch spielt eine eher sekundäre Rolle in Kambodschas Küchen. Und dann gibt es noch Speisen wie Grillen, Heuschrecken, Wanzen, frittierte Taranteln, fliegende Ameisen, Entenembryos, Algen, gegarte Schildkröten oder Fischblasen. Zum Frühstück gibt es meist Kyteow, das ist eine Brühe aus Reisnudeln, Gemüse und Rindfleisch. Lok Lak, ein Rindfleischgericht, ist eines der beliebtesten Gerichte Kambodschas. Kleine Rindfleischstückchen werden in einer speziellen Sauce gebraten und schließlich mit Salatblättern, Zwiebeln und Spiegelei serviert. Zu den neueren kambodschanischen Getränken gehören das Angkor Beer aus Sihanoukville und das Phnom Penh Beer. Ein wirklich traditionelles, sehr populäres Getränk ist Teuk Tnaut Chou, eine Art „Sturm“ der aus Palmbaumsaft gemacht wird. In Kambodscha sollte man kein Leitungswasser trinken. Gefiltertes oder gekochtes Trinkwasser ist aber überall erhältlich. Populär sind auch Tukalok, das sind Fruchtshakes aus Milch, Zucker, Kondensmilch und eben Obst, die man vor allem am Abend trinkt.
Die Essenspreise in teuren Restaurants betragen sechs bis 16 Euro, in der Mittelklasse zwischen vier und fünf Euro und in den Garküchen unter einem Euro.
Der indochinesische Tiger in Kambodscha
Diese Unterart des Königstigers gibt es nur noch in Laos (20 Stück) Burma (85), Kambodscha (20), Thailand (250) und Vietnam (20). Die Zahlen aus 2010 sind bereits großzügig geschätzt. In Südchina wurde der indochinesische Tiger 2009 ausgerottet.
Es lebte einmal ein Mädchen. Und dieses Mädchen war genau 14 Jahre alt… aber das ist für unsere Geschichte nicht wirklich wichtig.
Eines Tages begab es sich, dass im Haus die Süßkartoffeln zur Neige gingen. Und daher schickte die Mutter das Mädchen hinaus auf die Felder und in die Wälder, um ein paar Süßkartoffeln zu ernten. Das folgsame Mädchen ging in den Schuppen, suchte sich die nötigen Werkzeuge zusammen, die zum Ausgraben nötig waren, und machte sich sogleich auf den Weg.
Es lief lange über die Wiesen und Felder, konnte aber nirgends Süßkartoffeln entdecken. Schlussendlich ging sie in den großen, dunklen Wald hinter den Feldern und Wiesen, vor dem das Mädchen immer ein wenig Angst hatte, denn hier gab es Tiere, die es nicht kannte, aber unser tapferes Mädchen wollte seine Mutter nicht enttäuschen, wenn es mit leeren Händen ins Haus zurückkehren würde.
Und siehe da, bei einem Hügel, neben dem sich ein tiefes Loch befand, da wuchsen wunderschöne Süßkartoffeln. Flugs setzte das Mädchen, wollen wir es Rith nennen, seinen Korb auf den Boden, nahm den Spaten von der Schulter und begann zu graben. Und Rith brauchte nicht lange zu stechen, um zu den Leckerbissen zu gelangen. Doch vor lauter Aufregung über den guten Fund rutschte ihr plötzlich die Schaufel aus der Hand und fiel in das schwarze Loch am Fuße des Hügels. Nun war guter Rat teuer. Rith setzte sich auf die Erde und beweinte einmal ausgiebig ihr Unglück. Und als sie so recht herzerweichend heulte, schrie sie in ihrem großen Schmerz ins Loch, ins Land, in den Wald: „Kann mir denn keiner helfen und mir die Schaufel aus dem Loch holen. Ich will dem, der mir beisteht, auch einen recht großen Dienst erweisen!“
Im Schatten des Waldes ruhte gerade ein alter, alter Tiger. Als er das herzzerreißende Schreien von Rith hörte, da schleppte er sich aus dem Schatten hin zum Mädchen und krächzte mit gebrechlicher Stimme: „Mädchen, mein Mädchen, hab keine Angst vor mir. Ich bin nur ein alter, wurmgeplagter Tiger! Ich glaube, dass wir uns gegenseitig helfen könnten. Für mich, obwohl ich alt und krank bin, ist es noch immer ein Leichtes in dieses Grüblein da zu hüpfen und dir dein Schäuflein herauszuholen. Und Dienste von dir…? Nein, das brauche ich auf meine alten Tage nicht mehr, aber ich habe eine Bitte an dich. Kannst du mir, ich flehe dich an, die Würmer aus der Kopfwunde holen? Sie treiben mich noch in den Wahnsinn. Die Leute in den Dörfern kommen wegen meines nächtlichen Brüllens kaum zum Schlafen und beginnen schon, Jagd auf mich zu machen.“
„Aber Großväterchen Tiger, dir die Würmer aus dem Kopf zu ziehen, das ist doch eine Kleinigkeit für mich und meine geschickten Finger. Hilf mir nur mit der Schaufel und ich entwurme dich anständig!“
Kaum waren sich die beiden ungleichen Partner handelseinig geworden, da sprang der Tiger auch schon in die Grube, schnappte sich die Schaufel, machte einen gewaltigen Satz in die Höhe und legte Rith die Schaufel zu Füßen.
Doch auch die war in der Zwischenzeit nicht müßig gewesen und hatte sich einen harten Dorn gesucht, mit dem sie nun die Würmer aus den Wunden des Tigers spießte.
Der Tiger war aber ein wenig eitel und fragte: „Rith, mein süßes Kind, sag mir ehrlich – stinkt meine Wunde sehr oder riecht sie gut?“
Und Rith antwortete: „Aber Großväterchen Tiger, deine Wunde riecht gut.“
Der Tiger konnte sein Glück gar nicht fassen und fragte immer wieder: „Rith, mein süßes Kind, sag mir ganz ehrlich – stinkt meine Wunde sehr oder riecht sie gut?“ Und Rith antwortete immer wieder: „Aber Großväterchen Tiger, sorg dich nicht, deine Wunde riecht gut.
Die Wunde stank natürlich höllisch und raubte Rith den Atem, aber tapfer stocherte sie einen Wurm um den anderen aus der Wunde und tröstete mit ihren freundlichen Worten gleichzeitig den Tiger.
Als sich schlussendlich der letzte Wurm auf dem Dorn wand, da fühlte sich der Tiger wie neugeboren. Als Rith nun wieder nach ihren Süßkartoffeln zu graben beginnen wollte, sprang unser Tiger auf sie zu und brüllte fröhlich: „Halte ein, meine Freundin, halte ein! Ich, ich, ich will dir dein Körblein füllen!“ Schnell schnappte er sich den Korb, füllte ihn bis zum Rand und darüber hinaus mit Gold und Silber und Edelsteinen und deckte ihn mit einem Tuch gut zu, damit auf dem Heimweg ja nichts verloren gehen würde. Denn auch unser Tiger wusste, dass junges Blut gerne mal aufwallt.
Bevor sich die beiden voneinander trennten, sprach der Tiger noch: „Mein Mädchen, trage diesen Korb mit Vorsicht nach Hause, rufe deine ganze Familie zusammen, schließe alle Fenster und alle Türen gut, so dass euch niemand sehen kann… und erst dann öffnest du den Korb! Hast du mich verstanden?“
Rith war zwar höchst erstaunt darüber – was sollte mit den Süßkartoffeln denn schon passieren – versprach dem Tiger aber, alles genau so zu machen, wie er es gefordert hatte. Dass der Tiger zum Abschied ein kleines Schreckbrüllen losließ, stellte bei Rith sicher, wirklich alles so zu machen, wie es gefordert worden war.
So trennten sich Rith und der Tiger von einander und jeder ging glücklich und zufrieden seines Weges.
Als Rith nun daheim ankam, rief sie ihre ganze Familie zusammen, verschloss Fenster und Türen… und öffnete voller Vorfreude auf das Lob über die vielen Süßkartoffeln den Korb.
Wie groß waren die Überraschung und das Geschrei und der Tumult und die Fragen, als statt der Erdäpfel die Schätze zum Vorschein kamen. Wie gut, dass keiner der Nachbarn dem Tohuwabohu zusehen konnte.
Schnell teilten sie das Gold und das Silber und die Edelsteine untereinander auf, lobten den guten, alten Tiger und gingen in ihre Häuser.
Es kam aber, wie es immer kommt. Nach einiger Zeit erfuhr eine der Nachbarsfrauen dann doch die ganze Geschichte, denn das Versperren der Tür und das Verdecken der Fenster waren natürlich nicht unbemerkt vor sich gegangen, die Neugier mit jedem Tag größer geworden… und schlussendlich die Wahrheit ans Licht gekommen.
Diese Frau hatte jetzt aber auch eine Tochter. Das arme Ding musste nun ebenfalls mit einer Schaufel und einem Korb in den Wald laufen, um dort Reichtum und Schätze zu ergattern.
Die Nachbarin zankte und schimpfte mit ihrem Kind, wie es so viele ehrgeizige Eltern mit ihren Kindern machen: „Du Dummkopf! Du faules Ding! Du Nichtsnutz! Nimm dir ein Beispiel an Rith! Sie läuft einmal schnell um ein paar Süßkartoffeln in den Wald und kommt mit Gold und Silber zurück. Und bei dir muss man schon froh sein, wenn du überhaupt aus dem Wald zurückfindest! Und wenn du mal Erdäpfel bringen solltest, dann bringst du auch nur Erdäpfel mit… und kein Gold!
Bis zum nächsten Tag hatte sich die Frau so in Rage geredet, dass sie ihre Tochter schon bei Sonnenaufgang um Süßkartoffel in den Wald schickte. Nun war aber das Mädchen nicht ganz so dumm wie die Mutter gesagt hatte. Kaum war es bei dem Hügel mit dem Loch angelangt, da warf es seine Schaufel ins Loch, heulte der Form wegen ein wenig und rief nach dem Tiger: „Tiger, Großväterchen Tiger, kannst du mir meine Schaufel aus dem Loch holen, dann will ich dir auch gerne die Würmer aus der Wunde holen.“
Der alte Tiger, den schon wieder die Würmer quälten, sprang in die Grube, warf schnell die Schaufel ins Gelände und schnurrte auch schon wohlig unter den Händen des Mädchens, denn Würmer können wahrlich lästig sein.
Kaum war der ärgste Schmerz weg, da kam die Eitelkeit des Tigers zutage und er fragte: „Mädchen, mein süßes Mädchen, sag mir ehrlich – stinkt meine Wunde sehr oder riecht sie gut?“
Und das Mädchen antwortete wahrheitsgetreu: „Großväterchen Tiger, deine Wunde stinkt ganz fürchterlich zum Himmel.
Der Tiger konnte gar nicht glauben, was er vernahm und fragte immer wieder: „Mädchen, mein süßes Mädchen, sag mir ganz ehrlich – stinkt meine Wunde sehr oder riecht sie gut?“ Und das Mädchen antwortete immer wieder: „Aber Großväterchen Tiger, ich habe dir doch schon gesagt, deine Wunde stinkt atemberaubend.
Der Tiger wusste gar nicht, wie ihm geschah, und ob die Würmer oder die seelische Verletzung den größeren Schmerz verursachten. Er ließ sich schnell den Korb bringen und grummelte mürrisch: „Hab Dank für deine Hilfe, ich werde dir den Korb mit Gold und Silber und Diamanten füllen.“ Und bevor sich die beiden voneinander trennten, sprach der Tiger noch: „Mein Mädchen, trage diesen Korb mit Vorsicht nach Hause, rufe deine ganze Familie zusammen, schließe alle Fenster und alle Türen gut, so dass euch niemand sehen kann… und erst dann öffnest du den Korb! Hast du mich verstanden?“
Und wie das Mädchen ihn verstanden hatte. Gierig riss es dem Tiger den Korb aus den Pfoten, rannte schnurstracks heim, rief seine ganze Familie zusammen, verschloss Fenster und Türen… und öffnete, schon voller Vorfreude auf das Lob über die vielen Reichtümer, den Korb.
Wie groß waren die Überraschung und das Geschrei und der Tumult als plötzlich Kobras aus dem Korb schossen, alle Anwesenden bissen und ihnen zusahen, wie sie jämmerlich starben.
Was lernen wir aus der Geschichte? Glück kann man nicht erzwingen. Wer unbedingt Glück haben will, der verliert alles. Wer sein Glück aber zwingen will, der sollte unbedingt gut lügen können.