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Die Geschichte vom Pferd von Thon Chej
ОглавлениеDie kambodschanische Form des Schachspiels heißt Ouk Chatrang. In Thailand heißt die Schachspielversion Makruk, die in Kambodscha ebenfalls praktiziert wird. Die kambodschanischen Figuren sind der König, die Dame, die Säule, das Pferd, das Boot und der Fisch. Die Khmer-Namen sind Sdach, Neang, Koul, Ses, Tuuk und Trey. Einige Unterschiede zum europäischen Schach sind:
Das Brett ist einfarbig.
Die Bauern stehen in der Ausgangsposition auf der dritten Reihe.
Die Königin steht immer rechts vom König.
Die Könige stehen sich nicht gegenüber.
Die Königin bewegt sich nur ein Feld diagonal.
Ein Bauer darf immer nur ein Feld vorziehen.
Ein Bauer verwandelt sich in eine Königin, wenn er die Bauernreihe des Gegners erreicht. Die Figur in Scheibenform wird dann einfach auf den Kopf gestellt.
Die mächtigste Figur ist das Boot. Es darf gerade über mehrere Felder fahren.
Ouk Chatrang hat in Kambodscha eine lange Tradition, es finden sich schon Spieldarstellungen an Tempelwänden aus dem 7. Jahrhundert. In der breiten Bevölkerung ist das Spiel allerdings nicht sonderlich populär. Online-Spielmöglichkeit: www.ouk.sourceforge.net.
Es war einmal ein kluger kambodschanischer König. Damals war es noch so richtig gut, ein König zu sein, denn als König galt man als der klügste Mann in Kambodscha. Und unser König war sehr stolz auf seine Klugheit.
Jetzt gab es da aber ein kleines Kind namens Thon Chej, das in eine ganz einfache Familie hineingeboren wurde. Es war eigentlich ein ganz normales Kind, aber es hatte einen ganz außergewöhnlich scharfen Verstand. Und Zungen, die nicht nachdachten, was sie da anrichteten, sprachen sorglos darüber, wie intelligent Thon Chej sei. Bald hieß es, dass Thon Chej fast genau so intelligent wie der ehrenwerte Herr König sei. Und ein paar Jahre später hieß es, dass Thon Chej ganz sicher genau so intelligent wie der ehrenwerte König sei. Und noch ein paar Jahre später hieß es, dass Thon Chej sogar intelligenter als der ehrenwerte Herr König sei.
Es dauerte nicht lange, da kamen diese Lästereien auch unserem König zu Ohren. Und der war gar nicht begeistert darüber, denn er sah es als sein göttliches Recht an, der intelligenteste und vorzüglichste Mann Kambodschas zu sein. Und als die Spöttereien gar zu arg wurden, da beschloss der König, die Intelligenz und den Erfindungsreichtum des jungen Thon Chej auf die Probe zu stellen.
Er ließ sein Volk wissen, dass er gleich am nächsten Tag einen Ausflug in die Wälder der Umgebung machen würde. Gleichzeitig mit dieser Verlautbarung verbot er den Verkauf, die Vermietung oder den Verleih von Pferden an Thon Chej. Diesen informierte er daraufhin, dass er, der König von Kambodscha, die Anwesenheit von Thon Chej auf einem Pferd bei diesem Ausflug wünsche, um sich an seinem Wissen zu erfreuen. Nun war guter Rat teuer, denn niemand im Lande wagte es, Thon Chej ein Pferd für diesen befohlenen Ausflug zur Verfügung zu stellen. Eine Missachtung königlicher Befehle hätte für den Frevler dramatische Folgen gehabt. Doch da kam dem passionierten Ouk Chatrang-Spieler Thon Chej eine geniale Idee. Er schnappte sich kurzerhand das Spielpferd und erschien damit vor dem König.
Im Laufe seines Lebens musste Thon Chej noch viele Rätsel lösen. Und als sich sein Leben dem Ende zu neigte, da ließ er den König, der mittlerweile sein bester Freund geworden war, zu sich kommen und neben ihn niederknien, damit dieser das ersterbende Flüstern von Thon Chej hören konnte. Und seine letzten Worte waren: „Manche Fische sollte man entschuppen, bevor man sie isst, denn sonst könnte noch jemand zu Schaden kommen.“ Bei uns würde man sagen: „Schuster, bleibe bei deinen Leisten!“