Читать книгу Wie kam sie eigentlich zu SM - Sonia Quendt - Страница 10
Rob tritt in mein Leben
ОглавлениеAuf dem Zenit meiner Karriere konnte ich mir schon zum Frühstück Champagner leisten. Einmal wöchentlich ging ich mit einem guten Freund zum Brunch in einen noblen Laden, in dem sich die Geschäftsleute tummelten.
Da ich gerne das Nützliche mit dem Angenehmen verbinde, hinterließ ich danach meine Visitenkarten an den Tischen. Manfred schämte sich immer fürchterlich, doch ich überging das mit einem Lächeln.
Am Abend, als ich gerade die Studiotür schließen wollte, klingelte das Telefon. Geschäftstüchtig wie ich war, nahm ich gerne auch nach Feierabend Termine entgegen.
„Guten Abend, ich hätte gerne einen Massagetermin.“
Was für eine Stimme. Damals war mir noch nicht klar, dass ich eine Stimmenfetischistin war. Der konnte doch nur groß und gutaussehend sein. Eigentlich frage ich immer, durch welche Quelle er von meinem Studio erfahren hatte, aber diese Stimme verwirrte mich.
Dienstagabend, um 19 Uhr wollte er sich massieren lassen. Aus Diskretionsgründen schrieb ich nur den Vornamen in meinen Terminplaner. Robert war sein Name. Er hätte auch Hinz, Franz oder Kunz heißen können, das war mir egal, wenn es ums Geschäft ging. Ich bat ihn lediglich abzusagen, wenn er nicht kommen könne.
Um 19 Uhr arbeitete ich in der Regel nicht mehr, das überließ ich gerne meinen Mitarbeiterinnen. Doch „die Stimme“ wollte ich selbst massieren.
Pünktlich traf er ein, dieser Robert. Nein, ein Adonis war der nicht und blendend sah er auch nicht grade aus. Und doch war es ein stimmiges Bild. Die Stimme passte zu seiner Art, weich, warm, männlich.
Ich mag es, wenn jemand klar, deutlich und ohne Dialekt redet. Während des Massierens fragte er mich aus.
Einerseits war ich freundlich, andererseits war ich so professionell genug, nichts aus meinem Privatleben preiszugeben. Und so hatte ich mir ein Lügengerüst aufgebaut. Er hörte mir zu und genoss meine Massage.
Ein angenehmer Mann, dachte ich mir. Robert entlohnte mich großzügig über den Festpreis hinaus. Geschäftstüchtig fragte ich ihn, ob er zufrieden war.
„Danke, ich war sehr zufrieden, mit deiner Leistung. Und mit dir.“
Was hatte das zu bedeuten: Und mit dir?
Er ging, ohne einen weiteren Termin zu machen. Nun, das war nicht weiter tragisch. Zum einen hatte ich mehr Kunden, als ich bewältigen konnte, zum anderen war es nicht ungewöhnlich, wenn keine Anschlusstermine getätigt wurden, außer bei Stammkunden.
Müde ging ich nach Hause und dachte nicht weiter über den Arbeitstag nach. Das Einzige, was mich wirklich interessierte, war das Zählen der Scheine am Abend.
Auch der folgende Mittwoch war wieder arbeitsreich. Das Telefon klingelte ununterbrochen. Gegen Abend klingelte es immer noch und ich wollte schon gar keinen Anruf mehr entgegen nehmen.
Dann war er am Telefon, dieser Robert, der so komische persönliche Fragen gestellt hatte. Und wieder nahm mich diese Stimme gefangen. Gut, meine Massage musste ihm wohl zugesagt haben, dass er schon wieder kommen wollte. „Ich möchte mich mit dir treffen, jetzt.“
„Nein, heute nicht mehr, aber wir können gerne für morgen einen Termin machen.“
„Das trifft sich gut, dass du für heute Schluss machst. Denn ich werde gleich bei dir sein.“
Was war das denn für ein Müll? Wollte der sich mit mir treffen, im Studio, nur um zu plaudern oder mich gar noch flachlegen? Das kam gar nicht in Frage.
„Nein, das geht nicht“, sagte ich, „ich gehe jetzt nach Hause.“
„Genau, ich sagte ja, dass ich gleich bei dir bin.“
Was bildete der sich ein? Nie und nimmer wollte ich den in meinen privaten Räumen haben. Er war nur ein Kunde. Mehr nicht.
„Gib mir deine Adresse, ich fahre jetzt los.“
Dieses Bestimmende und doch so Sanfte. Später sollte ich diese Mischung aus tiefstem Herzen schätzen und lieben lernen. Ohne weitere Umschweife gab ich Robert meine Adresse. Er stand schon vor der Tür, als ich eintraf.
Er beugte sich herunter, gab mir ein Küsschen auf die Wange. Der roch gut, das mochte ich. Als ich die Tür aufschließen wollte, nahm er mir den Schlüssel aus der Hand, so, als wäre es das Normalste der Welt und schloss die Tür auf. Warum widersprach ich nicht?
Oben angekommen, das gleiche Spiel. Robert half mir aus dem Mantel und stellte eine Flasche Champagner auf den Tisch.
„Aber erst schön die Hände waschen“, sagte er.
Mir blieb die Spucke weg. Wie sprach der denn mit mir! Ich wollte etwas entgegnen.
„Regeln müssen sein, stimmts?!“
Ich nickte fassungslos.
Wie selbstverständlich ging Robert in die Küche und holte Gläser. Er prüfte im Licht, ob sie richtig poliert waren. Das war doch die Höhe! Ich, die Macherin, die sonst das Szenario bestimmte, setze mich schweigend. Er schenkte ein, stieß mit mir an.
„Auf dich und unsere kommende Zeit.“
Wieder öffnete ich den Mund ohne zu sprechen. Diese liebenswürdige Dreistigkeit.
Robert erzählte mir von seiner Familie, seiner Frau, mit der er ewig im Streit läge und von seinen beiden Kindern, die er abgöttisch liebte. Ah, wieder so einer, der seine Frau betrog, sich aber wegen der Kinder nicht trennen wollte. Die Männer waren doch alle so durchschaubar, so gleich.
In dem Moment, als er mir davon erzählte, war für mich klar, dass ich niemals etwas mit ihm anfangen würde. Mein Leben war schon stressig genug und so halbe Sachen wollte ich nicht. Als Robert mich wieder ausfragen wollte, antwortete ich ihm zickig.
„Warum interessierst du dich für mich? Wenn du mit mir in die Kiste willst, brauchst du keinen Lebenslauf.“
„Wer sagt, dass ich mit dir in die Kiste will? Lediglich kennen lernen möchte ich dich, dein Wesen, wie du so tickst.“
„Aber warum?“
„Nun, nimm es so wie es ist. Ich interessiere mich für dich und du für mich.“
„Nein“, spie ich im ins Gesicht, „verheiratete Männer interessieren mich nicht, in keinster Weise.“
Später wurde mir bewusst, wie recht er hatte.
Er streichelte meine Wange. Mir kamen die Tränen, immer wenn mir einer über die Wange strich. Nein, dachte ich, nur weil mal einer ein bisschen zärtlich ist, Blödsinn. Und ich setzte wieder meine spöttische Miene auf. Wenn er es wollte, würde ich halt mit ihm schlafen, einer mehr oder weniger in der Sammlung, das war doch egal.
„Willst du mit mir Sex?“ fragte ich ihn.
„Nein, vorerst noch nicht. Ich möchte dich wirklich kennenlernen, wer bist du, erzähle es mir?“
Schwachsinn! Die Männer verschwanden immer, wenn sie mich Komplizierte wirklich kennen lernten, so ganz privat, wenn ich mich öffnete. Also konnten wir das getrost weg lassen. Robert stand auf und spazierte durch meine Wohnung.
„Du bist nicht die starke Frau, die du vorgibst, zu sein.“
„Wie kommst du auf diese absurde Idee?“
„Schau mal Kleines, du hast einen Kinderkleiderschrank, eine Kinderlampe. Überall sehe ich bei dir Verspieltes, fast kitschig Kindliches.“
Er hatte recht, das war mir nie aufgefallen. Ja, ich mochte es bunt, aber kindlich? Ich war eben klein, deshalb der Kinderkleiderschrank. Und die Bettwäsche mit den Herzchen, na und, die gefiel mir eben.
„Zeig mir mal dein Nachthemd“, bat Robert.
Jetzt reichte es aber. Was sollte das? Er hob die Bettdecke hoch, hob mein Nachthemd auf, betrachtete es lange und lächelte.
„Da sind ja ganz süße Kirschen drauf und die Schleifchen, allerliebst.“
Ich schämte mich.
„Na und“, verteidigte ich mich, „das habe ich aber nicht als Kindernachthemd gekauft.“
„Wenn ich mir deine Wohnung anschaue, erahne ich, wer du wirklich bist.“
Jetzt hatte ich aber endgültig die Nase voll. Der kommt in meine Wohnung spaziert, tut so, als ob er hier zu Hause wäre und erzählt so einen Schwachsinn! Und so äußerte ich mich auch.
„Die Wohnung kann ruhig so bleiben, wie sie ist, wenn ich hier einziehe“, sagte er lächelnd, „du sollst dich ja darin wohl fühlen.“
Das konnte ja nur ein Scherz sein. Ich warf ihn hinaus und sagte ihm, er solle sich lieber einen Platz in der Psychiatrie reservieren. Robert ging, keinesfalls beleidigt oder geknickt.
Den bin ich los, dachte ich. So ein Schwachkopf. War er denn ein Schwachkopf? Ich konnte nicht schlafen, musste daran denken, was er gesagt hatte, wegen der Kindlichkeit. Ich war eine erwachsene Frau, hatte alles fest im Griff.
Kaum, dass ich zur Studiotür hereinkam, klingelte schon wieder das Telefon.
„Guten Morgen Kleines, sei heute Abend um 20 Uhr in meinem Hotel.“
Wie konnte er es wagen, nach dem gestrigen Rausschmiss so etwas zu fordern?
„Nein, ich komme nicht. Ich will dich auch nicht mehr sehen. Du bist ein Spinner, eine Fantast.“
Und so lamentierte ich weiter. Er ließ mich reden, leerlaufen sozusagen.
„Kleines, das ändert nichts an der Tatsache, dass du um 20 Uhr zu mir kommst.“
Robert legte auf. Da konnte er aber lange warten. Nie, niemals würde ich dahin gehen.
Aufgrund des arbeitsreichen Tages hatte ich keine Zeit, darüber nachzudenken und die Frage kam sowieso nicht auf, ob ich zu ihm ginge oder nicht. Eindeutig nein.
Noch im Studio duschte ich mich, legte etwas Rouge auf und fuhr zu seinem Hotel. Es war mir unerklärlich. Auf dem Weg dorthin beschimpfte ich mich. Wie kannst du das tun? Dämliche Kuh, es bringt doch nichts.
Robert stand am Eingang des Hotels und erwartete mich. Nein, sein Blick war nicht triumphierend. Wieder gab er mir ein Küsschen auf die Wange. Anschließend gingen wir auf sein Zimmer. Er hatte einen kleinen Happen vorbereitet und eine Flasche Rotwein. Plötzlich merkte ich, dass ich Hunger hatte.
„Iss“, sagte er, „du hast heute nur gefrühstückt.“
Es stimmte, aber wie konnte er das wissen? Robert sah mir beim Essen zu.
„Iss, Kleines.“
Ich aß mit Appetit. Ab und an schob er mir eine Weintraube in den Mund. Ich beschloss, den Abend einfach zu genießen. Essen, Wein, Sex, OK.
„Na, bist du jetzt entspannter? Du stehst völlig unter Strom, das fiel mir gestern schon auf.“
Ich nickte.
„Und jetzt willst du Sex mit mir“, sagte er.
„Nein“, empörte ich mich.
„Du denkst, jetzt nach dem Essen und dem Wein knallt er mich.“
„Klar, machen doch alle so. Du bist bestimmt keine Ausnahme. Wenn du willst, kannst du Sex haben“, zickte ich.
Wieder streichelte Robert mir über die Wange. Sein Blick war, lieb, weich und gar nicht sexuell.
„Zieh dich aus und leg dich aufs Bett.“
Wusste ich es doch, Sex! Als ich nackt da lag, setzte er sich auf den Bettrand und streichelte mich. Nein, er berührte nicht das Zentrum meiner Lust. Und wieder fragte er mich aus.
„Wie kommt es, dass du eine Hure geworden bist?“
Ich schnellte hoch und gab ihm eine Ohrfeige.
„Nur, weil ich nackt vor dir liege und mit dem einen oder anderen schlafe, bin ich noch lange keine Hure!“
„Das meine ich auch nicht. Es geht um dein Berufsleben. Du massierst die Männer, sie liegen nackt vor dir und sind dann erregt.“
Empört antwortete ich, dass ich keinerlei Sex mit den Männern hätte. Dass ich nichts dafür könne, wenn sie erregt seien und wenn sie mal spritzten, na und, da werde es weg gewischt und gut sei es.
Robert schüttelte den Kopf.
„Du bist eine Hure.“
„Ja, soll ich denn die Menschen angekleidet massieren?“
„Du bist eine Hure. Privat bist du das kleine süße Mädchen, das sich mit einem burschikosen Panzer umgibt. Du brauchst viel Liebe, Geborgenheit und Verständnis. Das habe ich sofort gemerkt.“
Ich war ganz still. Wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich, die mit der großen Klappe. Dann sprach er weiter.
„Ich will dich nicht von deinem Geschäftsleben abhalten. Du kannst tun, was du willst, aber es ist eine Tatsache, dass du eine Hure bist. Ich aber möchte ja nicht die Geschäftsfrau, ich möchte die private Frau, für die ich da sein darf, die mich ganz und gar will und mir deshalb auch gehorcht. Du bedarfst einer Führung.“
Die Worte, die er sprach, verstand ich. Nicht aber ihren Sinn. Ich war fürchterlich müde geworden und wollte nach Hause. Robert nervte mich. Schlafen wollte er auch nicht mit mir. Und doch war da etwas, das mich anzog. Wie sehr, das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Robert bestellt mir ein Taxi, gab dem Fahrer Geld und sagte zu ihm: „Fahren Sie die Hure nach Hause.“
Eine Unverschämtheit! Nie, niemals wieder wollte ich ihn sehen. Diesen Robert, diesen… Ach, ich hatte gar keinen Namen für den Mann.
Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war da schon eine SMS von ihm auf meinem Handy.
„Heute Abend 19 Uhr im Restaurant W... Dein Rob.“
Das war zu viel. Ich war doch nicht sein Spielball, nach der Aktion mit dem Taxifahrer. Nicht mit mir.
Nein, diesmal nicht!
Um 19.30 klingelte es an meiner Haustür. Ich wusste, dass er es war. Ich öffnete nicht. Da klopfte es oben an der Wohnungstür. „Mach die Tür auf. Ich weiß, dass du da bist.“
Um Aufsehen zu vermeiden, öffnete ich ihm die Tür. Da stand er, der Robert, der Rob. Toll sah er aus, im Anzug. Er ging zu meinem Kleiderschrank, holte ein Kleid heraus und ein paar Schuhe. Wortlos legte er mir die beiden Sachen hin und streichelte mir wieder über meine Wange. Doch ich blieb stur. Schaute an ihm vorbei. Jeder andere Mann wäre sofort wieder gegangen.
„Komm, tu Papa den Gefallen.“
Ich zog mich an und begriff mich nicht.
Robert war ein Gourmet. Zielsicher bestellte er köstliche Speisen und den passenden Wein dazu.
„Gib doch endlich deinen Widerstand auf. Es wird so sein, wie ich es haben will.“
Nach dieser arbeitsreichen Woche körperlich und nervlich nicht mehr so fit, ließ ich ihn gewähren und widersprach ihm nicht. Soviel Aufmerksamkeit hatte ich schon lange nicht mehr genossen. Im schönsten Taumel zerbrach die Platte, mittendurch.
„Wie viele Männer hast du heute zum Spritzen gebracht, du Hure?“
Kraftlos wollte ich mich empören, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf. Einerseits wollte er mich, andererseits sagte er, ich sei eine Hure. Wie passte das zusammen?
„Komm“, sagte er und nahm mich bei der Hand, „lass uns gehen.“
Wir fuhren zu mir nach Hause.
„Es ist Wochenende. Ich fahre morgen wieder zu meiner Familie.“
Plötzlich wollte ich nicht, dass er ging. Ich wollte ihn ganz für mich alleine. Ich verstand mich nicht und bemerkte wieder einmal, dass ich ein einziger Widerspruch in sich war.
„Ich komme ja am Montag wieder, Schätzchen. Dann bin ich die ganze Woche nur für dich da.“
„Bitte liebe mich, jetzt“, schmachtete ich ihn an.
„Darauf habe ich gewartet, Kleines. Ich wusste, dass du es freiwillig tun wirst und mich darum bittest.“
Mein Widerspruchsgeist war schon lange Schlafen gegangen, hatte sich im Keller verkrochen oder war sonst wo. Robert liebte mich, mit einer Ruhe, einer Intensität.
Ich wusste, dass er mich meinte, nur mich.
Und immer wieder sagte er: „Du wirst mein Mädchen sein, mein Kleines, mein Kind. Ich erziehe dich nach meinen Regeln und sie werden dir gefallen.“
Im Fokus seiner absoluten Aufmerksamkeit zu stehen, genoss ich in höchstem Maße. Der Akt endete so liebevoll, wie er begonnen hatte.
Am Wochenende weinte ich, als ich an ihn dachte. Er war in meinem Kopf, der Rob. Mein Rob?
Ich ahnte nicht, wie sich alles entwickeln würde. Das hatte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Robert war kein Mann, der sagte: „Ich bin dominant, ich dominiere dich, du musst tun, was ich will ohne Widerspruch, ansonsten gibt es Strafe.“
Oder wie die dummen Doms mit ihren Strafbüchern, Tagebüchern und geschriebenen Regeln. Nichts von alledem.
Und trotzdem sollte ich Dominanz in Reinkultur kennen lernen. Ein freiwilliges Hingeben – ein Unterwerfen.