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Persönliche Werte sind die Wegmarken Ihrer Karriere
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er rein allgemeine Werte als die eigenen ausgibt, ist ein Heuchler. Natürlich wollen wir alle den Frieden, finden Krieg böse und Hunger gemein. Selbstverständlich wollen wir, dass es allen auf der Welt gut geht und sich alle prima verstehen. Es gibt nichts Schlimmeres und Geheuchelteres, als wenn jemand diese Werte als seine persönlichen ausgibt - wenn man sie nicht gerade als Papst vertreten muss.
Der Tod ist ein guter Maßstab, um seine persönlichen Werte kennen zu lernen. Nicht irgendein Tod - sondern Ihr eigener. Der Fundamentalontologe Martin Heidegger hat darauf hingewiesen, dass wir den Tod niemals als unseren eigenen erleben, sondern immer nur den anderer. Wenn wir uns jedoch unseren Tod einmal vergegenwärtigen, stoßen wir in eine andere Sphäre vor.
Wir lassen die gesamte Alltäglichkeit und Allgemeinheit mit ihren Ritualen, Konventionen und Floskeln hinter uns - was Heidegger die „Uneigentlichkeit des Man“ nennt - und betreten das Eigentliche unserer Person, erkennen, das was uns wirklich erscheint und wofür wir leben: unsere Werte.
Nicht zufällig steht oft eine tiefe, persönliche Erfahrung am Beginn einer vollkommenen Besinnung auf den Wert des Lebens. Eine schwere Krankheit, eine plötzliche Entlassung, die schwerwiegende Trennung von einem Partner, eine finanzielle Pleite können dazu führen, dass man sich erstmals über die wahren Werte im Leben Gedanken macht. Man fühlt sich möglicherweise enttäuscht, gelinkt, verlassen, bestraft. Aber wozu das Geheule? Dies ist der Beginn vom Rest Ihres Lebens. Und möglicherweise der eigentliche Beginn Ihres Erfolgs. Was sollen die Leute einmal über mich sagen, wenn sie an meinem Grab stehen? Die Antwort ist synonym mit dem Beitrag, den Sie für die Menschheit leisten wollen: Ihr Wert, die Attribute dessen, wofür Sie von Ihren Mitmenschen Dank und Anerkennung haben wollen.
Erst seit kurzer Zeit, möglicherweise seit Ende des Industrie- und zu Beginn des Service-Zeitalters, darf Arbeit sogar Freude bereiten. Wir müssen nicht mehr so hart arbeiten wie früher. Und wir können uns aussuchen, was wir tun wollen. Wer seinen eigenen Weg verfolgt, hat nicht das Gefühl, zu arbeiten. Man fühlt sich getragen von seiner Neugier. Sie beschäftigen sich nicht mit etwas, sondern etwas beschäftigt Sie. Besteht das „Hintergrundprogramm“ aus den eigenen Werten, haben Sie Ihr Muster. Verbinden Sie dieses Muster mit Ihrer Neugier, zahlt sich Ihr Leben auch in barer Münze aus.
In unseren Breitengraden ist es nicht üblich, wirtschaftlichen Erfolg mit diesen Werten zu verbinden. Nein, es gilt geradezu als verwerflich, mit seinen persönlichen und sozialen Interessen Geld verdienen zu wollen. Harte Arbeit ist im Sinne der Protestantischen Ethik - eines der tragenden Hintergrundprogramme der westlichen Zivilisation - der einzige Weg, um nach dem Tod erlöst zu werden und das ewige Leben zu empfangen. Arbeit in diesem Sinne ist mehr eine Strafe oder Bewährung: Die Vertreibung aus dem Paradies ist der Beginn der Notwendigkeit zur Arbeit, die Arbeit ist der einzige Weg zurück in den Himmel. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, heißt eine berühmte Formel unseres gesellschaftlichen Wertesystems, die dieses Prinzip vulgarisiert. Oder auch „Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps“. Arbeit im klassischen Sinne ist Martyrium: Es bereitet Schmerzen. Und es soll Schmerzen bereiten. Arbeit, das wusste schließlich schon Karl Marx im 19. Jahrhundert, ist Entfremdung vom eigenen Ich.