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Mission und Melancholie

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ber wie die meisten Menschen verleugnen wir oft, was wir gerne wirklich hätten. Das „Ich will das“ unserer Kindheit ist uns ausgetrieben, dabei würde es Entscheidungen zum Beispiel viel leichter machen.

Bevor Sie nicht Ihren fundamentalen Antrieb kennen, können Sie nicht in das Spiel einsteigen. Langweilig wäre allein, wenn Sie versuchen würden, gegen diese Regungen menschlicher Natur anzukämpfen.

Versuchen Sie lieber, sie in den Griff zu bekommen. Ehrgeiz ist der Antrieb, der die Größe Ihres Ziels bestimmt. Falsche Demut unterdrückt diesen Ehrgeiz. Wer sich vor diesen Herausforderungen wegduckt, wird es daran merken, wie sich die Sinne vernebeln und Sie in eine merkwürdige Form der Lethargie geraten - jene Melancholie, die entsteht, wenn man es im tiefsten Inneren bereut, ein Ziel nicht in Angriff genommen zu haben, und deshalb nun mehr oder weniger ziellos umherdümpelt.

Das sieht dann etwa so aus: Sie wissen nach dem Aufstehen nicht, was Sie tun sollen. Aber Sie kommen schon über die Runden. Jede Ablenkung kommt Ihnen recht. Und sei es das Frühstücksfernsehen. Sie verabreden sich mit Ihren gleichgesinnten Freunden zum Frühstück, um sich gemeinsam ins Jammertal hineinzureden. Es dauert nicht lang, bis es diskursiv auch keinen Ausweg daraus gibt. Darauf erst mal einen Prosecco. Einen kleinen. Derart geschwächt, und auch, um nicht an vergangene, ruhmreiche Zeiten erinnert zu werden, legen Sie sich nach dem Mittagessen erst einmal kurz hin. Schließlich waren es dann doch drei „kleine“ Prosecco.

Danach schleppen Sie sich an den Computer, um nach E-Mails zu schauen. Selbst wenn der Typ von neulich wieder solch eine schwärmerische Mail geschickt hat, werden Sie niemals mit Ihrer Post zufrieden sein. Eher sind Sie ein E-Mail-Junkie. In den Abend hinein kommen Ihnen ein paar tolle Gedanken, besonders, was den Sinn Ihres Lebens ausmacht. Sie machen sich ein paar Notizen dazu, und schon ist die Energie wieder verschwunden. Sie entstand auch eigentlich mehr aus dem schlechten Gewissen heraus, dass Sie sonst den ganzen Tag nichts Vernünftiges gemacht haben! So aber schmeckt das erste Bier in der anbrechenden Dämmerung schon wieder herrlich. Sie treffen sich erneut mit ihren „peers“, weil Sie dort sicher sein können, dass Ihnen alle zu Munde reden. Was für ein anstrengender, ermüdender Tag. Obwohl Sie nichts getan haben.

In seiner Doktorarbeit zu „Melancholie und Gesellschaft“ beschreibt der Autor Wolf Lepenies das Phänomen der Melancholie dergestalt, dass sie nicht von innen, sondern von außen kommt: Melancholie, die wie Liebeskummer oder andere mentale Symptome bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein medizinisch behandelt wurde (meistens durch Aderlass), ist für Lepenies eine Erscheinung in Gesellschaften, deren beste Zeit hinter ihnen liegt. Allen voran sind es gescheiterte Revolutionäre, verarmter Adel und andere, die sich nutzlos in den Salons des späten 19. Jahrhunderts herumfläzen, ohne wirklich eine Aufgabe zu haben. Denn diese Aufgabe haben sie, sprichwörtlich, aufgegeben, oder sie wurde ihnen entzogen.

Im modernen Sinne ist diese Art von Melancholie anderer Natur: Ein Ereignis in Ihrem Leben, das in Ihnen nachwirkt, wie eine Trennung oder eine Scheidung, das Gefühl, von jemandem oder einem Mann schlecht oder ungerecht behandelt worden zu sein. Das schüchtert ein. Es raubt Ihnen die Kraft, nach vorne zu schauen. Aus dieser dunklen Ecke des schläfrigen Salons müssen Sie heraus.

Die Chefin

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