Читать книгу Die Chefin - Sonja Becker - Страница 28
Person, Persona, Persönlichkeit
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hr Talent bestimmt Ihren persönlichen Erfolg. Die Persönlichkeit bestimmt die Ziele. Die Persönlichkeit ändert sich oft, wenn man durch eine tiefe Krise geht - wie das obige Beispiel zeigt.
In einer Krise begegnet man seinem Selbstbetrug und entdeckt, was man im tiefsten Inneren seines Unterbewusstseins für richtig hält. Viele Menschen haben eine Dichotomie in sich, die sie ihr Leben lang begleitet und viel zu sehr beschäftigt, ohne dass sie es merken. Da gibt es den einen, der immer andere ausfragt, ihr Handeln kritisiert und kommentiert - und nie etwas von sich preisgibt. Er weiß nämlich wie kein anderer um die Gefahr darum und muss bittere Erfahrungen damit gemacht haben. Nun zahlt er es anderen heim, indem er sie ausquetscht und nach den Gründen für ihr Tun und Lassen fragt - ohne es selbst zu merken. Er hat ein besonderes Talent darin, immer nach den Fehlern zu suchen und noch mehr Salz in die Wunde zu streuen. Die Gesprächspartner in seinem Leben sind auf diese Weise ständig zur Rechenschaft gezwungen, und es erweckt den Anschein, dass sie das falsche Leben führen und er das Richtige. Viele ziehen sich von ihm zurück - nicht zuletzt, weil er sich ihnen gegenüber niemals öffnet, also genau das nicht zulässt, was er von seinen Mitmenschen verlangt.
Ein Kunde von uns erzählte von seinem Kunden, der einen hochseriösen, hochdeutschen Geschäftsjargon pflegte, um im Außergeschäftlichen in die wildesten sprachlichen Ausschweifungen abzustürzen - es konnte gar nicht vulgär genug zugehen.
Als er sich nach einem bierseligen, schulterklopfenden Duz-Abend in der nächsten E-Mail sprachlich auf diesen Jargon einließ, war sein Kunde fassungslos über seine Lockerheit und fand seinen persönlichen Stil vulgär und anbiedernd. Es war das Letzte, was er von ihm hörte.
Dies ist die pathologische Seite der Werte. Solche Leute sind wahrlich nicht ganz bei sich. Sie vereinen Widersprüche, ohne sie zu bemerken. Die inneren Spaltungen in Menschen müssen erst einmal entdeckt werden, um sie entweder zu analysieren und eliminieren - die Aufgabe eines Psychoanalytikers - oder um auf sie zu stoßen, ohne davon zu wissen und sie möglichst fruchtbar zu machen - der Job eines Coaches. Normalerweise geht man immer davon aus, dass man Recht hat und jeder andere Unrecht. Dies ist ein sehr kostspieliges Argument. In Amerika gibt es das Sprichwort „You can be right or you can be rich“. Sie sind entweder reich, oder Sie haben Recht.
Persönlichkeits-Werte sind meistens besonders hartnäckig, weil unsere Dickköpfe uns lieber so erscheinen lassen, wie wir gerne wären. Sie sind überzeugt, ein netter Mensch zu sein und schenken ihrer eigenen Presse großes Vertrauen. Unbewusst erwarten Sie, dass andere Menschen Sie deshalb auch gut behandeln und toll finden. Sie wissen aber nicht, wie andere Leute über Sie denken und reden. Die wenigsten Leute geben sich Mühe, das herauszufinden, sondern verlieben sich lieber in ihr Spiegelbild. Es wird dann unangenehm, wenn eine „Persönlichkeit“, die sich gibt wie Ludwig XIV., jedoch in Wirklichkeit total unbeliebt ist, seine Mannschaft aus einer Krise führen soll. Dann kommen erst die wahren Werte zum Vorschein, die sich hinter der Maske des Egos verbergen.
„Public virtue, private vice“, benannte der Arzt und Philosoph Bernhard Mandeville im 18. Jahrhundert das Phänomen, dass selbst die Bösartigsten im Rampenlicht der Gesellschaft als Gutmenschen erscheinen wollen. Diese Ego-Werte glänzen auf der Oberfläche und verbergen das Innere der Person. Sie basieren auf Eitelkeit, auf falschem Stolz oder falscher Selbsteinschätzung. Natürlich macht es auch Spaß, sich chic zu machen und auszugehen, um Männer um den Verstand zu bringen. Oder Geschichten zu erzählen, in denen wir ganz zufällig als charakterfeste Helden hervorgehen. Aber andere Ego-Werte sind einfach ätzend. Grundsätzlich ist das Ego immer bemüht, Leute um sich zu scharen, die denken wie wir und eine Fangemeinde zu bilden und gleichzeitig Leute auszuschließen, die nicht so denken wie wir. Diese Denkweise kann eine Karriere zugrunde richten.
Die Griechen nannten die Masken, die in den Tragödien vorgehalten wurden, „personae“. Sie täuschen einen Charakter vor, der im ursprünglichen Gesicht nicht zu finden ist. Manche Kulturen waren in der Lage, an solche Masken zu glauben. Es gibt melanesische Völker, die kennen keinen Tod, weil ihre Verstorbenen in Dämonen weiterleben, kleinen geschnitzten Figuren, die im Dämonenhaus liegen. Sie stellen nicht den Ahnen dar. Sie sind der Ahne.
In unserer Kultur kommt es nur darauf an, ob wir die Maskerade durchschauen oder nicht. Wir alle tragen in der Gesellschaft oberflächliche Werte vor uns her und stellen uns dar, wie wir gerne sein würden: Tolle Typen, gute Menschen, „the social mask“, unser Image. Viele Leute nutzen die Gesetze des Marketings, um eine andere Persönlichkeit aus sich aufsteigen zu lassen, durch überzogene Darstellung einer Kunstfigur jemand zu sein, der ständig auf der Bühne steht. Wenn die „persona“ die Maske ist, die wir in der Gesellschaft zeigen, dann ist das Ego das Make-Up. Wir streichen uns nette Farben ins Gesicht, um interessanter und wichtiger zu erscheinen und unser wahres Gesicht zu verbergen. Es ist die kindischste Art, auf sich aufmerksam zu machen. Um zur Person zu reifen, braucht man sich die Charakter-Kosmetik nur von der Backe streichen und sich einmal die Blöße geben, sich zu sehen, wie die anderen Sie sehen. Der Spiegel, der Sie zeigt, wie Sie wirklich sind, ist die Gesellschaft.
Man braucht Mut, um seine eigenen Werte zu finden und auszudrücken. Denn oftmals sind es andere Werte, nach denen wir unser Leben ausrichten. Möglicherweise haben wir ein Studium eingeschlagen, auf das unsere Eltern stolz sind - aber nicht wir selbst. Vielleicht haben wir einmal in einem Fach geglänzt, so dass wir gefördert wurden, ohne es wirklich zu wollen. In dem Moment, in dem man mit seinen eigentlichen Werten und Zielen herauskommt - oftmals nach einer Tragödie - werden viele Umstehende schockiert reagieren. Aber wenn dieses Puzzleteil einmal passt, beginnt Ihr Traum. Sie haben die ersten Wurzeln im Baum der „Performance Scale“ geschlagen. Dann kann es eigentlich nur weiter nach oben gehen.