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1.2.1 Fokus-Hintergrund-Gliederung

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Im Prinzip kann in einem Satz jede Konstituente akzentuiert werden (im Folgenden angezeigt durch Großschreibung). Der Satz in (47) kann realisiert werden wie in (48).

(47) Hans wird morgen nach Köln fahren.
(48) a. HANS wird morgen nach Köln fahren.
b. Hans wird MORgen nach Köln fahren.
c. Hans wird morgen nach Köln FAHren.
d. Hans WIRD morgen nach Köln fahren.
e. Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

AkzenteAkzent sind lokale Modifikatoren der IntonationskonturIntonationskontur, die man als Prominenz wahrnimmt. Phonetisch entspricht dies einer Veränderung der GrundfrequenzGrundfrequenz (Tonhöhe), es geht aber auch eine größere Intensität (Lautstärke) und Dauer (Länge) der akzentuierten Silben einher (vgl. Baumann 1999: 3).

In Abbildung 1 sieht man, dass die zweite Silbe von Berlin einen TonhöhenakzentTonhöhenakzent erhält. Auf der x-Achse ist die Zeit aufgetragen, auf der y-Achse die Frequenz.


Abbildung 1: Tonakzent (Féry 1993: 66)

Strukturell sind die Sätze in (48) identisch. Es treten jeweils die gleichen Wörter und Konstituenten auf, die zudem dieselbe syntaktische Funktion erfüllen. Die Sätze drücken auch alle dieselbe PropositionProposition aus, nämlich dass Hans am folgenden Tag nach Köln fahren wird. Aus diesem Grund sind alle Sätze aus (48) unter genau denselben Umständen wahr. (48a) ist wahr, wenn Hans morgen nach Köln fahren wird. Gleiches gilt für (48b) bis (48e). Dennoch sind die Sätze aber nicht komplett identisch. Sie sind nicht – was die Voraussetzung für SynonymieSynonymie wäre – in jedem Kontext füreinander austauschbar. Die Sätze haben vielmehr unterschiedliche Verwendungsbedingungen. (48e) kann z.B. eine Antwort auf die Frage in (49) sein.

(49) A: Wohin wird Hans morgen fahren?
B: Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

Man kann auf die Frage in (49) aber mit keinem anderen der Sätze aus (48) antworten, wie (50) zeigt.

(50) A: Wohin wird Hans morgen fahren?
B: #HANS wird morgen nach Köln fahren.
B': #Hans wird MORgen nach Köln fahren.
B'': #Hans wird morgen nach Köln FAHren.
B''': #Hans WIRD morgen nach Köln fahren.

Die Antworten in (50) sind nicht ungrammatisch, doch man hat das Gefühl, dass sie nicht recht passen.

Wenn Sätze nicht ungrammatisch, sondern eher inadäquat sind, zeigt man dies durch die Raute # an. Man sagt auch, die Sätze sind markiertMarkiertheit.

Ändert man die Frage, ist ein anderer Satz aus (48) passend, die anderen eignen sich aber wiederum nicht als Antwort (vgl. z.B. (51)).

(51) A: Wer wird morgen nach Köln fahren?
B: HANS wird morgen nach Köln fahren.
B': #Hans wird MORgen nach Köln fahren.
B'': #Hans wird morgen nach Köln FAHren.
B''': #Hans WIRD morgen nach Köln fahren.
B'''': #Hans wird morgen nach KÖLN fahren.

Man stellt fest, dass die Sätze völlig akzeptabel sind, wenn man mit der akzentuierten (man sagt auch fokussiertenFokus) Konstituente die Antwort gibt. Nimmt man an, dass das, was durch eine w-Frage erfragt wird, fehlende, unbekannte, unerwartete Information ist, während der Rest des Satzes bekannt, akzeptiert und erwartbar ist, lässt sich über einen Satz wie den zweiten Satz in (52) sagen, dass er in zwei Teile zerfällt.

(52) A: Wer wird morgen nach Köln fahren?
B: [Fokus HANS] [Hintergrund wird morgen nach Köln fahren].

Dies ist zum einen akzeptierte und erwartbare Information (wird morgen nach Köln fahren) und zum anderen neue und unerwartete Information (Hans). Eine derartige Gliederung fällt unter die InformationsstrukturInformationsstruktur eines Satzes.

Information der ersten Art gehört zum HintergrundHintergrund, Information der letzten Art zum FokusFokus. Diese Dichotomie von Fokus und Hintergrund stellt eine informationsstrukturelle DimensionInformationsstrukturelle Dimension dar. Notationell kann man die jeweilige Information klammern und durch Indizes auszeichnen (vgl. (52)).

In den obigen Beispielen haben wir zur Diagnostik des Fokusbereichs eines Satzes w-Fragenw-Frage verwendet. In der Regel erfragt ein w-Pronomenw-Pronomen eine neue Information, während über den Rest des Satzes Einigkeit besteht. Die Korrelation zwischen neuer Information und Fokus wird gerne angenommen, es gibt aber auch Beispiele, die zeigen, dass auch Bekanntes fokussiert sein kann. In (53) ist Charlotte durch die erste Äußerung vorerwähnt und somit bekannte Information, dennoch ist diese Konstituente im zweiten Satz akzentuiert und bildet den Fokus.

(53) Charlottes Foto ist schön.
– Nein, [Fokus CharLOTte] [Hintergrund ist schön]. (Musan 2010: 52)

Aufgrund derartiger Beobachtungen ist vorgeschlagen worden, Fokus nicht als neue Information zu charakterisieren, sondern als Thematisierung von AlternativenThematisierung von Alternativen (vgl. Krifka 2007: 18). Der Fokus legt dieser Ansicht nach Alternativen zu einer im Satz genannten Einheit nahe, die bei der Interpretation der Äußerung eine Rolle spielen.

Über die Natur der Alternativen macht diese Definition keine Aussage und es lassen sich tatsächlich u.a. verschiedene Funktionen von FokusFokusfunktionen unterscheiden (vgl. Krifka 2007: 21ff., Musan 2010: 42f.).

(54) A: Was tut weh?
B: [Fokus Mein ZAHN] tut weh.
(55) A: Eva hat [Fokus eine RATte].
B: Nein, Eva hat [Fokus eine KATze]. (Musan 2010: 43)
(56) A: Eva hat [Fokus eine RATte].
B: Ja, Eva hat [Fokus eine RATte].
(57) Mareike hat [Fokus ein KaNINchen]. Eva hat [Fokus eine KATze].
(Musan 2010: 43)

In (54) liefert die fokussierte Einheit als Antwort auf die Frage tatsächlich neue Information, man spricht von einem InformationsfokusInformationsfokus. Die Fokusalternativen werden durch die Frage eröffnet (Zahn, Arm, Bein etc.). In (55) spricht man von einem KorrekturfokusKorrekturfokus. Eine Aussage der Form Eva hat X. muss unmittelbar vorangegangen sein, der korrigierte Ausdruck wird verneint. Ähnlich muss in (56) eine (in diesem Fall genauer die gleiche) Aussage vorangegangen sein. Der fokussierte Ausdruck wird allerdings nicht verneint, sondern bestätigt (BestätigungsfokusBestätigungsfokus). In (57) werden die beiden Fokuseinheiten gegenübergestellt, weshalb man diesen Fall als KontrastfokusKontrastfokus bezeichnet.

Der FokusakzentFokusakzent wird einer Silbe aus dem FokusbereichFokusbereich zugeordnet. Wenn ein einsilbiges Wort vorliegt und nur dieses Wort alleine der Fokus der Äußerung ist, entspricht die akzentuierte Silbe der Fokuseinheit (vgl. (58)).

(58) A: Wen hat Irma eingeladen?
B: Sie hat [Fokus HANS] eingeladen.

Wenn ein Wort, das alleine den Fokus bildet, aus mehr als einer Silbe besteht, erhält diejenige Silbe den Fokusakzent, die den Wortakzent trägt:

(59) A: Wen hat Irma eingeladen?
B: Sie hat [Fokus STEfan] eingeladen.

Besteht eine NP aus mehr als einem Nomen, ist zwar auch die Silbe des Nomens akzentuiert, die NP steht aber als Ganzes im Fokus (vgl. (60)).

(60) A: Wen hat Irma eingeladen?
B: Sie hat [Fokus ihren SCHULfreund] eingeladen.

Die akzentuierte Silbe bezeichnet man als FokusexponentenFokusexponent. Die Beispiele in (58) bis (60) zeigen, dass der Fokus genauso groß sein kann wie der Fokusexponent, der Fokusbereich aber auch größer sein kann. Dass eine NP im Fokus steht, kann über den Test durch die Bildung einer w-Frage abgeleitet werden. Man kann dies weiterführen und dadurch zeigen, dass auch größere Bereiche eines Satzes ggf. Fokus sein können. In (61) und (62) zeigen die Fragen an, dass die VP bzw. CP den Fokus bildet.

(61) A: Was hat Irma gemacht?
B: Sie hat [Fokus ihren SCHULfreund eingeladen].
(62) A: Was war los?
B: [Fokus Irma hat ihren SCHULfreund eingeladen].

Wird das Nomen Schulfreund akzentuiert, kann die NP anscheinend alleine den Fokus bilden (enger FokusEnger Fokus), es können aber auch größere Teile des Satzes den Fokus ausmachen (weiter Fokusweiter Fokus). Das Verhältnis zwischen Fokusexponent und Fokusbereich bezeichnet man als FokusprojektionFokusprojektion bzw. FokusvererbungFokusvererbungFokusprojektion. Das heißt, der Fokus wird von dieser Silbe auf größere Teile des Satzes projiziert. Es ist Gegenstand der Forschung, die Bedingungen zu formulieren, unter denen Fokusprojektion möglich ist (vgl. z.B. Selkirk 1995, Büring 2006). Wichtig ist, dass wir sehen, dass Fokus und Akzent nicht stets zusammenfallen.

FokusFokus ist eine informationsstrukturelle KategorieInformationsstrukturelle Dimension, die nicht notwendigerweise mit AkzentAkzentuierung zusammenfällt, die im Deutschen aber durch Akzent markiert wird.

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle

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