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2.1.1 Formale Bewegung

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Der Vergleich von (3d) und (3e) hat gezeigt, dass ein Satz, in dem das Objekt eines transitiven Verbs im Vorfeld steht, markiert ist, während ein Satz, in dem ein Subjekt im Vorfeld steht, in diesem Fall unmarkiert ist. Es gibt allerdings auch Sätze, in denen ein Objekt im Vorfeld steht, die Sätze aber unmarkiert zu bewerten sind.

(5) a. Dem Karl hat das Spiel gut gefallen.
b. Einem Mitbewohner wurde die Geldbörse entwendet. (Frey 2006: 238)

In (5) liegt in (a) das Objekt eines Psychverbs (das einen psychologischen Zustand/Prozess bezeichnet) und in (b) eines passivischen Verbs vor. Aus dem Kontrast zwischen (3d) und (5) lässt sich schließen, dass die Art des Objekts Einfluss auf die Akzeptabilität der Struktur hat.

In (3f) und (3g), die völlig unmarkiert einzustufen sind, ist das Vorfeld jeweils durch ein Adverbial besetzt, in (f) durch ein SatzadverbialSatzadverbial (das hier die Einstellung des Bedauerns des Sprechers zur Proposition kodiert), in (g) durch ein rahmensetzendes AdverbialRahmensetzer (das die ganze Proposition lokal verankert). Stehen andere Typen von Adverbialen im Vorfeld (vgl. (6)), sind die Sätze hingegen markiert.

(6) a. Im Görlitzer Park hat Eva den Grill aufgebaut.
b. Mit der Axt hat Otto den Baum gefällt. (Frey 2006: 238)

Im Görlitzer Park ist ein ereignisbezogenes lokales AdverbialEreignisbezogenes lokales Adverbial, mit der Axt ein instrumentales AdverbialInstrumentales Adverbial. Beide Adverbiale modifizieren die vom Verb ausgedrückte Handlung (zu Typen von Adverbialen vgl. z.B. Pittner 1999).

Die entscheidende Frage ist, was der Unterschied zwischen den Strukturen ist, die je nach im Vorfeld positioniertem Objekt bzw. Adverbial markiert bzw. unmarkiert bewertet werden. (7) und (8) zeigen erneut die unmarkierten Strukturen, (9) und (10) die markierten.

(7) a. Fast jeder Kollege schätzt den Hans.
b. Leider hat keiner dem alten Mann geholfen.
c. Fast überall spielen Jungen gern Fußball.
(8) a. Dem Karl hat das Spiel gut gefallen.
b. Einem Mitbewohner wurde die Geldbörse entwendet.
(9) Fast jeden Kollegen schätzt der Hans.
(10) a. Im Görlitzer Park hat Eva den Grill aufgebaut.
b. Mit der Axt hat Otto den Baum gefällt.

Freys Antwort auf diese Frage ist, dass in den Fällen, in denen die Positionierung im Vorfeld zu einer unmarkierten Struktur führt, die Basisposition der vorangestellten Elemente die höchste Mittelfeldposition ist. Diese Annahme lässt sich überprüfen, indem man die unmarkierte Wortstellung im Mittelfeld bestimmt. Die Beispiele in (11) bis (13) weisen nach, dass die Objekte von Psychverben und passivischen Verben sowie das Subjekt unter Auftreten eines transitiven Verbs unmarkiert im linken Mittelfeld stehen. Dies sind genau die Konstituenten, die in den obigen Beispielen (vgl. (7) und (8)) problemlos vorangestellt werden können.

(11) a. dass [dem Karl] [das Spiel] gut gefallen hat
b. #dass [das Spiel] [dem Karl] gut gefallen hat
(12) a. dass [einem Mitbewohner] [die Geldbörse] entwendet wurde
b. #dass [die Geldbörse] [einem Mitbewohner] entwendet wurde
(13) a. dass [fast jeder Kollege] [den Hans] schätzt
b. #dass [den Hans] [fast jeder Kollege] schätzt

In der Literatur wird angenommen, dass verschiedene Typen von Adverbialen im Satz an verschiedenen Stellen stehen. Frey & Pittner (1998: 516ff.) argumentieren, dass SatzadverbialeSatzadverbial wie leider und rahmensetzende AusdrückeRahmensetzer wie fast überall, die – wie (7b) und (c) illustrieren – unmarkiert das Vorfeld besetzen können, hohe AdverbialeHohes Adverbial sind, die Instrumentaladverbialen und ereignisbezogenen Adverbialen linear vorangehen, d.h. weiter links im Mittelfeld und damit höher in der Phrasenstruktur stehen.

Auf alle unmarkierten Vorfeldbesetzungen aus (3) trifft folglich zu, dass dort dasjenige Element im Vorfeld platziert wurde, dessen Basisposition im Mittelfeld die höchste Position einnimmt. Im Gegensatz dazu ist die Basisposition der Elemente, die in den markierten Strukturen ins Vorfeld versetzt werden, nicht die höchste Position im Mittelfeld.

Die Markiertheit von (9) folgt daraus, dass die Basisposition des Objekts tiefer als die des Subjekts ist (vgl. (14)).

(14) a. dass [der Hans] [fast jeden Kollegen] schätzt
b. #dass [fast jeden Kollegen] [der Hans] schätzt

Der markierte Status der Beispiele in (10) erklärt sich, da (15) und (16) nachweisen, dass ereignisbezogene LokaladverbialeEreignisbezogenes lokales Adverbial und instrumentale AdverbialeInstrumentales Adverbial zwischen dem Subjekt und dem Objekt eines transitiven Verbs stehen.

(15) a. dass [Eva] [im Görlitzer Park] [den Grill] aufgebaut hat
b. #dass [im Görlitzer Park] [Eva] [den Grill] aufgebaut hat
(16) a. dass [Otto] [mit der Axt] [den Baum] gefällt hat
b. #dass [mit der Axt] [Otto] [den Baum] gefällt hat

Aus diesen Beobachtungen leitet Frey ab, dass es einen Mechanismus gibt, durch den das Vorfeld mit der höchsten Konstituente des Mittelfeldes gefüllt werden kann. Die semantisch-pragmatischen Eigenschaften der vorangestellten Phrasen bleiben erhalten. Eine besondere Akzentuierung der Vorfeld-Konstituenten liegt nicht vor. Der Mechanismus hat folglich nicht den Effekt, eine ganz bestimmte DiskursfunktionDiskursfunktion zu lizenzieren. Es handelt sich um einen rein formalen Mechanismus, der das höchste Mittelfeldelement ins Vorfeld umstellt. Frey vertritt folglich, dass nicht jede Vorfeldbesetzung durch die Lizenzierung einer Diskursfunktion bedingt ist. Weitere Evidenz für diese Annahme stammt aus Sätzen wie in (17).

(17) Es regnet.

Es, dessen lexikalischer Gehalt sehr arm ist, lässt sich keinerlei Diskursfunktion zuschreiben: Es ist weder Topik noch Fokus.

Die Art der Bewegung, die das höchste Mittelfeldelement ins Vorfeld voranstellt, ohne dessen Diskursfunktion zu verändern, bezeichnet Frey (2006: 241) alsFormale Bewegung F(ormal) M(ovement).Formal MovementFormale Bewegung

Diese höchste Mittelfeldposition muss allerdings nicht die Basisposition des versetzten Elements sein. Es kann auch erst durch eine vorangehende Bewegung in diese Position gelangt sein. Zum Beispiel kann der formalen Bewegung auch eine Umstellung im Mittelfeld (sogenanntes ScramblingScrambling) vorangehen. Aus (18a) wird durch Scrambling (18b), indem das instrumentale Adverbial vor das Subjekt gestellt wird. Nach dieser Umstellung weist mit der Axt die höchste Mittelfeldposition auf und kann durch Anwendung des Mechanismus der Formalen BewegungFormale BewegungFormale Bewegung ins Vorfeld gelangen (vgl. (18c)).

(18) a. (dass) Otto [mit der Axt] [den Baum] gefällt hat
b. (dass) [mit der Axt]1 Otto t1 [den Baum] gefällt hat
c. [Mit der Axt]1 hat t1' Otto t1 [den Baum] gefällt. (Frey 2006: 241)

Das Adverbial kann nur vorangestellt werden, indem es zunächst an den linken Mittelfeldrand gescrambelt wird. Andernfalls wäre nicht die höchste Mittelfeldposition die Position, aus der die Bewegung erfolgt. Da gescrambelte Strukturen ohnehin als markiert bewertet werden (vgl. (19a) vs. (19b)), ist die Struktur ebenfalls markiert, wenn die gescrambelte Phrase anschließend ins Vorfeld bewegt wird.

(19) a. Hans erzählt, dass Otto mit der Axt den Baum gefällt hat.
b. #Hans erzählt, dass [mit der Axt]1 Otto t1 den Baum gefällt hat.

Formale Bewegung führt zu keiner semantisch-pragmatischen Veränderung. Der Status der ins Vorfeld angehobenen Konstituente bleibt erhalten, weshalb Formale Bewegung auch keinen Einfluss auf Markiertheitsgrade nimmt.

Die Syntax-Pragmatik-Schnittstelle

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