Читать книгу Hochzeit in St. George - Sophia Farago - Страница 6

III.

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Die junge Witwe in ihrem tiefschwarzen Kleid aus schwerer Seide stand an der Reling und blickte mit wachsender Besorgnis auf die unruhig auf und ab rollenden Wogen. Ihr langer, bis zur Taille reichender schwarzer Spitzenschleier flatterte im aufbrausenden Wind. Hoffentlich war diese Fahrt bald vorüber. Sie hatte Seereisen noch nie gut vertragen, doch so übel wie dieses Mal war es ihr noch nie ergangen. Ihre Hände umklammerten das eiserne Geländer. Hoffentlich muss ich mich nicht noch einmal übergeben, dachte sie beunruhigt. Das flaue Gefühl im Magen schien sich von Minute zu Minute zu verstärken. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie von der tiefen Stimme des Ersten Offiziers angesprochen wurde. Sie hatte nicht gehört, wie er näher gekommen war.

»Ich würde Ihnen empfehlen, die Kabine aufzusuchen, Madame«, sagte dieser nach einer höflichen Verbeugung. »Die Wolken über uns zeigen, dass wir in eine Regenzone einfahren.«

Wie um seine Worte zu bestätigen, klatschten die ersten dicken Tropfen auf die Planken des Schiffes. Catharine de la Falaise bedankte sich für diesen Rat und beeilte sich, ihn zu befolgen. Das Schiff schaukelte unruhig auf den Wellen, und sie brauchte geraume Zeit, um die Tür aufzusperren und die Schiffslampen in ihrer düsteren Kabine anzuzünden. Aufseufzend ließ sie sich auf den einzigen, fest verankerten Stuhl gleiten. Dabei fiel ihr Blick zufällig in den kleinen Spiegel, der oberhalb des Waschtisches angebracht worden war. Wie blass sie aussah! Die Wangen waren eingefallen, tiefe, dunkle Ringe hatten sich um ihre Augen eingegraben. Die Strapazen der Reise standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Und dann noch dieser schreckliche Schleier, der ihre dunkelblonden Haare fast zur Gänze verdeckte.

Catharine presste ihre Lippen aufeinander. Gervais, dachte sie bitter. Er verfolgte sie über seinen Tod hinaus. Wie konnte er nur in seinem Testament bestimmen, dass sie diesen schweren, unkleidsamen Schleier tragen musste. Ein ganzes Jahr lang. Zehn Tage noch, dann war das Trauerjahr vorüber. Dann würde sie die ungeliebte schwarze Garderobe eigenhändig verbrennen. Wo sie sich wohl aufhalten würde, in zehn Tagen? Sofort nach ihrer Ankunft wollte sie zu Onkel Jonathan nach Brighton fahren. Hoffentlich hatte er rechtzeitig ihr Schreiben erhalten. Es würde ihr guttun, ein paar Tage in Ruhe auszuspannen. Doch sie würde nicht lange bleiben.

Sie musste sich endlich entscheiden, wo sie ihr weiteres Leben verbringen und wie sie es gestalten wollte. Zumindest bis das Geld kam, das ihr nach dem Tod ihres Gatten rechtmäßig zustand. Gervais hatte sie, zur Überraschung aller Anverwandten und nicht zuletzt zu ihrer eigenen, zur Haupterbin eingesetzt. Seinem Neffen Roger de la Falaise, dem Erben des Titels, sollte nur ein relativ kleiner Teil des Vermögens zufallen. Es war abzusehen gewesen, dass Roger sich damit nicht zufriedengeben würde. Seit seiner Kindheit hatte er sich als Alleinerbe seines Onkels gefühlt. Nun dachte er nicht daran, kampflos aufzugeben. Ohne zu zögern, hatte er das Testament angefochten. Catharine ballte ihre Hände zu Fäusten. Roger. Sie würde ihn am liebsten ein für alle Mal vergessen. Und doch war die Erinnerung an diesen gut aussehenden jungen Mann so lebendig wie immer. Wie hatte sie sich je einbilden können, gerade ihn zu lieben?

Catharine seufzte und begann langsam ihr Kleid aufzuknöpfen. Ohne die Hilfe einer erfahrenen Zofe war das gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Zudem begann das Schiff immer stärker zu schlingern. Endlich konnte sie sich auf dem schmalen, harten Bett ausstrecken. Sie zog die Decke bis zum Kinn. Noch etwa vier Stunden, dann würde das Schiff anlegen. Sie lag regungslos und starrte auf die graue Decke ihrer Kabine. Ihre Gedanken wanderten fünf Jahre zurück, zu jenem sonnigen Frühlingsnachmittag, an dem sie Roger de la Falaise zum ersten Mal begegnet war. Sie war gerade siebzehn Jahre alt geworden und sollte in dieser Saison in die Gesellschaft eingeführt werden. Papa lebte damals noch. Ihr Bruder Henry hatte sich kürzlich mit Lady Esther Linchford, der einzigen Tochter eines Barons, verehelicht. Von dem Tag dieser Hochzeit an hatte sich Catharines Leben drastisch verändert. Sie war immer Papas Liebling gewesen. Nach dem frühen Tod der Mutter wurde sie von ihm und ihrem um zehn Jahre älteren Bruder verwöhnt und umsorgt. Sie war Mittelpunkt der kleinen Familie gewesen, in der man es sich, obwohl die finanziellen Mittel nicht zum Besten standen, gut gehen ließ. Zu dritt unternahm man Jagdausflüge auf dem Land, man besuchte die Oper oder Theateraufführungen zusammen. Und es wurde viel gescherzt und gelacht. Das änderte sich schlagartig, als Henrys Frau, Esther, in die Familie eindrang und unbarmherzig das Kommando an sich zog. Sie war Anfang dreißig, fünf Jahre älter als ihr Gemahl. Eine forsche, dominierende junge Frau, die es gewöhnt war, ihren Willen überall durchzusetzen. Und sie setzte ihn auch hier durch. Denn Esther war reich. Mit ihrem Geld wurden die längst notwendigen Reparaturen auf dem Landsitz Berdington Hall bezahlt. Mit ihrem Geld wurde das Stadthaus am Hanover Square neu eingerichtet. Ihr Geld ermöglichte Henry die elegante Garderobe, mit der er sich, stolz wie ein Pfau, seinen Freunden präsentierte. Ihr Geld verschaffte Papa ein langersehntes Gespann vollblütiger Rotfuchsstuten. Sie erreichte, dass ihr sowohl ihr Mann als auch ihr Schwiegervater zu Dank verpflichtet waren. Und beide Männer, ohnehin nicht von entschlossenem und starkem Charakter, ließen es zu, dass Esther künftig über ihr Leben bestimmte. Zu ihrer Dankbarkeit gesellte sich nach kurzer Zeit auch die Furcht vor der spitzen Zunge der neuen Hausherrin, die jede Äußerung, die ihren Plänen zuwiderlief, im Keim erstickte.

Die einzige Bewohnerin des Hauses, die sich gegen die Veränderung in ihrem Leben entschieden zur Wehr setzte, war Catharine. Kategorisch lehnte sie jedes noch so kleine Geschenk ihrer Schwägerin ab. Wohl wissend, dass diese als Gegenleistung immerwährenden Gehorsam erwartete. Nein, sie würde sich nicht für Geld zur Marionette machen lassen. Sie würde die erste Möglichkeit nützen, das Haus zu verlassen, in dem sie sich nun nicht mehr länger zu Hause fühlte. In dieser Situation war Roger de la Falaise in ihr Leben getreten. Im Sattel eines stolzen Rappen sitzend, ritt er im Hydepark direkt auf die Kutsche zu, in der sie in Begleitung ihrer ungeliebten Schwägerin eine Ausfahrt unternahm. Es kam nicht oft vor, dass sie mit Esther zusammen eine Spazierfahrt unternahm. Doch an diesem Tage hatte ihre Schwägerin so vehement darauf bestanden, dass Catharine um des lieben Friedens willen zugestimmt hatte. Catharine hätte sich noch jetzt dafür ohrfeigen können. Wie hatte sie damals nur so dumm sein können? Warum hatte sie dieses abgekartete Spiel nicht durchschaut? Wie hätte sie aber auch ahnen sollen, welchen schändlichen Plan Esther und dieser gut aussehende französische Edelmann gemeinsam ausgeheckt hatten? Nein, sie war an diesem Nachmittag weit davon entfernt gewesen, Böses zu ahnen. Sie hatte nur Augen gehabt für diesen hübschen jungen Mann mit den kurz geschnittenen schwarzen Locken. Die azurblaue Reitjacke unterstrich die tiefblaue Farbe seiner Augen, die, wie es schien, bewundernd auf sie gerichtet waren. Ein Blick in diese Augen hatte genügt, und Catharine hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Damit hatte sie sich den beiden Intriganten ausgeliefert. Esther hatte sie loswerden wollen. Sie duldete keine Person in ihrem Haus (und nachdem sie so großzügig investiert hatte, betrachtete sie das Palais am Hanover Square als ihr Haus), die ihr widersprach und die auch ihren Mann ermutigte, sich gegen sie aufzulehnen. Und sie dachte auch nicht im Traum daran, sich den Mühen auszusetzen, ein junges Mädchen in die Gesellschaft einzuführen. Noch dazu ein Mädchen, das viel hübscher war, als sie je gewesen war und das bei Weitem mehr Anklang finden würde. Sie hatte längst beschlossen, Catharine zu verheiraten. Und zwar so rasch wie möglich und an einen Mann, der sie von London fernhielt.

Catharine hatte nie erfahren, wo Esther Roger kennengelernt hatte, noch ob ihr Bruder in die Pläne seiner Frau eingeweiht gewesen war. Sie hatte sich darüber oft den Kopf zerbrochen. Sie konnte es einfach nicht glauben, dass ihr Bruder, der liebenswürdige, etwas unbeholfene Henry, eine derartige Idee gutgeheißen haben konnte. So kam es, wie es kommen musste. Roger ging im Haus am Hanover Square ein und aus. Er war ein stets gern gesehener Gast, hatte Catharine ins Theater und in Konzerte geführt. Und auf dem ersten Ball, den sie besuchen durfte, tanzten die beiden zwei aufeinanderfolgende Tänze miteinander. Damit war für erfahrene Beobachter klar, dass sich die hübsche Tochter des Herzogs von Milwoke für den vornehmen, aber verarmten Emigranten Roger de la Falaise entschieden hatte, noch bevor ihre erste Saison richtig begann. Was die Beobachter nicht wussten und was Catharine nicht im Entferntesten ahnte: Roger war bereits verheiratet. Nicht glücklich allerdings. Seine Frau Jeannette war nicht mit nach England gekommen, sondern im Landhaus des Onkels ihres Gatten in der Normandie zurückgeblieben.

Roger hatte seine eigenen Gründe, Catharine nicht in seine Familienverhältnisse einzuweihen. Stattdessen fragte er sie eines Abends, ob sie ihn heiraten wollte. Es war ein sternenklarer Frühsommerabend gewesen, nur der Vollmond hatte die abendliche Stille erleuchtet. Catharine erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen. Und sie erinnerte sich daran, mit welch ehrlich empfundener Freude sie den Antrag angenommen hatte. Ihr Vater war zwar traurig gewesen, seine geliebte Tochter schon so bald zu verlieren. Und doch wollte er sich ihrem sehnsüchtigsten Wunsch nicht widersetzen. Die Hochzeit wurde im kleinen Rahmen in der St.-George-Kirche am Hanover Square gefeiert, direkt gegenüber ihrem Elternhaus. Roger hatte darum gebeten. Er wollte kein Aufsehen erregen. Schließlich lag England mit seinem Heimatland im Krieg. Auch wenn er als Mitglied des alten Hochadels vor dem Regime des korsischen Ungeheuers Napoleon geflohen war, würden doch ihm als Franzosen viele Leute nicht mit Wohlwollen begegnen.

So waren nur ihr Vater und Henry als die beiden Trauzeugen anwesend. Und natürlich Esther. Mit einem triumphierenden Lächeln auf ihren schmalen Lippen saß sie in der ersten Reihe des leeren Kirchenschiffes. Catharine hatte dieses Lächeln wohl bemerkt, doch sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Dass der Pfarrer sie fragte, ob sie bereit war, Gervais Roger de la Falaise zu ihrem Ehemann zu nehmen, ihn zu lieben, ihm zu gehorchen und ihn zu achten, bis dass der Tod sie scheide, hatte sie nicht weiter verwunderlich gefunden. Ihre beste Freundin aus dem Institut für höhere Töchter, das sie besucht hatte, hieß auch Anne Sophia und wurde doch von allen Sophia gerufen. Warum sollte daher nicht auch Roger einen anderen ersten Vornamen haben?

Die Trauungszeremonie war rasch vorüber, die Heiratsurkunden für Gervais Roger und Catharine ausgestellt. Und schon standen die Kutschen bereit, die das junge Paar nach Dover bringen sollten. Rogers Plan, seine Braut nach Frankreich zu bringen, war ihr anfangs unverständlich erschienen. War nicht Roger erst kürzlich aus dem Lande seiner Väter geflohen? Papa war alles andere als begeistert von diesem Gedanken. Viel zu riskant war dieses Unternehmen, eine zu große Gefahr für seine einzige Tochter. Doch Roger hatte nicht lockergelassen. Er kenne alle Wege, seine geliebte Braut unbeschadet in die Normandie zu bringen. Und auf La Falaise sei sie vor jeder Gefahr sicher. Er jedoch spüre das innere Verlangen, seine Braut seinem Onkel vorzustellen. Ohne den Segen des Familienoberhauptes war für ihn die Ehe nicht richtig geschlossen. Catharine lachte bitter auf: den Segen seines Onkels! Wie hatten sich nur alle so täuschen lassen können? Für Roger hatte keinerlei Segen auch nur die geringste Bedeutung. Ihr Vater hatte schweren Herzens die Zustimmung zur Abreise gegeben.

Der Schock, der Catharine in Frankreich erwartete, war groß. Es dauerte nicht lange, und der liebende Bräutigam zeigte sich als das, was er war: ein Glücksritter, der bereit war, für Geld seine Seele zu verkaufen. Und Geld hatte er zweifach erhalten. Einmal von Esther, um ihr ihre unliebsame Schwägerin vom Leib zu schaffen. Einmal von seinem Onkel dafür, dass er ihm eine junge englische Lady als seine zweite Gemahlin zuführte.

Der Marquis de la Falaise war bereits einmal verheiratet gewesen. Corinne, seine erste Gattin, mit der er zwanzig Jahre mehr oder weniger glücklich verheiratet war, hatte ihm keine Kinder geschenkt. Darunter hatte er immer sehr gelitten und beschlossen, eine zweite Ehe zu wagen, um endlich den ersehnten Erben zu bekommen. Aus unerfindlichen Gründen war er zu der Ansicht gelangt, dass die jungen Mädchen in England fruchtbarer waren als gleichaltrige Französinnen. Also hatte er seinen Neffen gebeten, eine passende junge Dame nach Frankreich zu bringen. Das war der Hintergrund gewesen, der Roger zur Reise nach England veranlasst hatte. Denn Anlass für eine Flucht hatte es nie gegeben. Er und sein Onkel hatten es meisterhaft verstanden, sowohl in der Zeit unter Ludwig XVI. als auch später unter dem neuen Regime gut zurechtzukommen. Mit geschickten Worten und passenden, großzügigen Geschenken in die richtigen Hände war es dem Marquis gelungen, für sich und die Seinen ein Leben in Ruhe und Wohlstand auf La Falaise zu sichern.

Catharine fand sich auf einem einsamen Landsitz wieder, hoch auf den Klippen erbaut, die steil zu den brausenden Wogen des Atlantiks abfielen. Zitternd vor Empörung musste sie zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht Roger, sondern dessen Onkel Gervais als ihren rechtmäßigen Gatten anzusehen hatte. Einen Mann, der mehr als vierzig Jahre älter war als sie, von einem stillen, unergründlichen Gehabe und einem wenig einnehmenden Äußeren.

»Ich musste es tun, Chérie», antwortete Roger, als sie ihn zur Rede stellte. »Hättest du mich je nach Frankreich begleitet, wenn es diese Scheintrauung nicht gegeben hätte?«

»Natürlich nicht«, hatte sie schroff erwidert.

»Na, siehst du«, sagte Roger, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. »Ich jedoch hatte meinem Onkel versprochen, ihm eine junge Engländerin als Gattin zu präsentieren. Dieses Versprechen konnte ich nicht brechen: Schließlich bin ich ein Ehrenmann.«

Die letzten Worte waren von einem amüsierten Grinsen begleitet. Catharine hatte sich veranlasst gesehen, ihm ganz undamenhaft den erstbesten Gegenstand, dessen sie habhaft werden konnte, an den Kopf zu werfen. Zu ihrem Missvergnügen traf sie daneben, und die reich verzierte Vase zerschellte an der breiten Wand des Salons.

Es half ihr alles nichts. Vor Dritten beteuerte Roger Stein und Bein, dass er Catharine niemals geheiratet hatte. Im Gegenteil, er selbst sei dabei gewesen, als sein Onkel die reizende Engländerin zur Frau nahm. Sicher hätte sie ihm auch gefallen, fügte er dann jedes Mal mit einem scheinbar charmanten Lächeln hinzu. Doch seiner geliebten Jeannette wäre es nicht recht gewesen, wäre er mit einer Zweitfrau nach Hause gekommen. Mit diesem Scherz brachte er alle Zweifler schnell auf seine Seite. Zumal auch sein Onkel jedem erzählte, wie glücklich er war, so eine hinreißende Braut gefunden zu haben, und wie ergreifend die Zeremonie in der wunderschönen St.-George-Kirche gewesen sei. Sollte es da verwundern, dass auch die Dienerschaft, allesamt seit Jahren oder Jahrzehnten auf La Falaise tätig, jedem, der es hören wollte, erklärte, Onkel und Neffe seien zusammen in London gewesen?

Catharine suchte einen Anwalt auf. Die unter so falschen Voraussetzungen zustande gekommene Ehe musste doch aufgelöst werden können! Doch der Maître hörte sich ihre Version der Geschichte an, prüfte die Heiratsurkunde eingehend und schüttelte schließlich bedauernd den Kopf. Das Dokument war ohne Zweifel echt. Ob es wohl möglich wäre, dass Madames Nerven ein wenig angegriffen waren nach der weiten Reise? In Frankreich wurden viele Ehen nicht aus Liebe geschlossen, meinte der gütige alte Herr. Besonders nicht in Kreisen des Hochadels. Und trotzdem würden sie im Allgemeinen recht glücklich, wenn sich die Ehegatten erst einmal besser kennengelernt hätten. Catharine hatte die Anwaltskanzlei wütend verlassen.

Warum glaubte ihr niemand? Sie musste sofort zurück nach England! Auf dem schnellsten Wege! Doch leider war gerade das nicht möglich. Ihre Mitgift war, soweit es sich nicht um Möbelstücke oder Gegenstände handelte, die in London verblieben waren, von Roger an Gervais ausgehändigt worden. Natürlich hatte sich Roger einen beträchtlichen Betrag davon zur Abgeltung seiner Reiseunkosten einbehalten. Sie zählte die Münzen, die sich in ihrer Geldbörse befanden. Damit würde sie nicht einmal bis Calais kommen. An das Bezahlen der Überfahrt gar nicht zu denken. Sie schickte verzweifelte Briefe an ihren Vater. Sicher würde er sie nicht im Stich lassen. Seltsamerweise befassten sich die Briefe, die sie zahlreich von ihm zurückerhielt, in keiner Weise mit ihrem Problem. Er freue sich zu hören, dass es ihr gut gehe, schrieb der Herzog stattdessen. Und dass sie ihn nicht vergessen solle, in ihrem Glück. Viel später erst fand sie heraus, dass einer der Diener den Auftrag hatte, ihre Briefe abzufangen. Roger war ein Meister im Nachahmen von Schriften. Ohne Mühe hatte er gefälschte Briefe verfasst, um sie nach London zu schicken. Bis sie hinter diesen neuerlichen Verrat kam, hatte es Monate gedauert. Und kurz darauf war ihr Vater gestorben, ohne dass sie ihn wiedergesehen hatte. Ihr Bruder Henry erbte den Titel, und Esther war auf dem Gipfel ihres Triumphes. Von nun an war aus England keine Hilfe mehr zu erwarten.

Catharine begann sich in ihr Schicksal zu fügen. Es ging ihr nicht schlecht auf La Falaise. Roger war viel unterwegs. Das erleichterte ihren Aufenthalt. Die Gegenwart dieses Mannes, der ihre Gefühle mit Füßen getreten und sie schamlos hintergangen hatte, war nur schwer zu ertragen. Der Marquis de la Falaise, als dessen Frau sie ja nun galt, verbrachte die Tage auf der Jagd oder mit Ritten zu den Pächtern seiner ausgedehnten Besitzungen. Wenn er spätabends zurückkehrte, war er meist so müde, dass er sich nach dem gemeinsamen Abendessen bald in sein Schlafgemach zurückzog.

Er ließ seine junge Frau auf dem Landsitz frei schalten und walten. Sobald sich Catharine mit dem Leben abgefunden hatte, in das sie so unerwartet geraten war, begann sie ihre Rolle als Herrin des Hauses mit Eifer und Energie auszufüllen. Es gelang ihr, Ordnung in das Chaos zu bringen, das seit dem Tod von Gervais’ erster Frau auf La Falaise geherrscht hatte. Die vielen Aufgaben, die sie zu erfüllen hatte, die zahlreichen Pflichten, die sie sich selbst auferlegte, halfen ihr, den Kummer zu überwinden, den Roger ihr zugefügt hatte. Und sie verhinderten, dass sie in Selbstmitleid versank und damit ihr Dasein verschlimmerte. Trotz der weitreichenden Besitzungen schien die finanzielle Lage auf La Falaise nicht gerade rosig zu sein. Die Mittel, die der Marquis Catharine für die Haushaltsführung zur Verfügung stellte, waren äußerst knapp bemessen. Ein Umstand, der ihr seit ihrer frühesten Jugend nur zu gut bekannt war.

Aber hatte sie es nicht trotz des spärlich vorhandenen Geldes geschafft, ihr Vaterhaus umsichtig zu führen? Mit Improvisationstalent und Geschick war es ihr auch hier gelungen, diese Aufgabe mit Erfolg zu meistern. Manchmal fragte sie sich allerdings, ob ihr Gatte die vielen Veränderungen, die sie auf La Falaise bewirkte, überhaupt zur Kenntnis nahm. Er wechselte kaum ein persönliches Wort mit seiner jungen Frau. Auf Lob und Anerkennung aus seinem Munde wartete sie vergeblich. Und doch schien er allgegenwärtig zu sein. Manchmal tauchte er mit leisen Schritten hinter Catharine auf, wenn sie ihn am wenigsten erwartete. Sie erschrak dann heftig, doch aus seiner Miene war nicht zu erkennen, ob es sich bei diesen Vorfällen um Zufall handelte oder ob eine makabere Laune ihn dazu trieb, seine Gattin zu erschrecken.

Im Allgemeinen behandelte er sie mit der ihm eigenen Art wohlwollender Zerstreutheit. Die meiste Zeit schien er vergessen zu haben, dass sie überhaupt existierte, und wenn er doch einmal das Wort an sie richtete, dann nur, um sich zu erkundigen, ob sie nicht endlich den ersehnten Erben erwartete, oder ihr Aufträge zu erteilen, die sie an die Dienerschaft weiterzugeben hatte. Sie sprachen kaum miteinander, und der Marquis lebte das Leben weiter, das er vor der seltsamen Eheschließung geführt hatte.

Es geschah auch nicht oft, dass er darauf bestand, dass sie das Lager mit ihm teilte. Und wenn es doch einmal vorkam, dann war das eine rasche, völlig unerotische Angelegenheit. Catharine dachte mit einer Mischung aus Wehmut und Abscheu an jene Nächte zurück, da sie gedacht hatte, Roger sei ihr rechtmäßig angetrauter Gemahl. Es war typisch für seinen verderbten Charakter, dass er diese Situation ausgenützt hatte, obwohl er wusste, dass sie für seinen Onkel bestimmt war.

Der einzige Mensch, mit dem Catharine auf La Falaise Freundschaft schloss, war Jeannette, Rogers Frau. Sie war ein kleines, zartes Wesen, als gut behütete jüngste Tochter eines reichen Kaufmannes aufgewachsen. Sie hatte Roger vor einigen Jahren in einem Gasthaus kennengelernt. Ihre Eltern und sie waren auf dem Weg zu einer Tante gewesen, als der gut aussehende junge Adelige die Gaststube betreten hatte. Sie waren die einzigen Gäste an diesem kalten, verregneten Oktoberabend. Und als sie vor dem offenen Kaminfeuer Wärme vor der eisigen Kälte des Spätherbstes suchten, war es kein Wunder, dass sie miteinander ins Gespräch kamen. Die Aussicht, dass Roger dereinst den Titel eines Marquis erben würde, wenn sein Onkel kinderlos verstarb, hatte dem ehrgeizigen Kaufmann den Kopf verdreht. Jeannette war von Rogers Charme bezaubert gewesen; Roger von der ansehnlichen Höhe der zu erwartenden Mitgift. In der Folge traf man sich öfter, keine vier Monate später war die Hochzeit gefeiert worden. Es hatte keine weiteren vier Monate gedauert, da war es Roger gelungen, die gesamte Mitgift durchzubringen. Nun reiste er durch die Lande, stets auf der Suche nach neuen Opfern, die er durch Tricks, kleine Betrügereien oder an Spieltischen um ihr Vermögen bringen konnte.

Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere schlossen die beiden Frauen rasch Freundschaft. Jeannette war die stillere der beiden, ein in sich gekehrtes, genügsames Wesen, das unter der starken Hand des dominanten Vaters nie gelernt hatte, eine eigene Meinung zu bilden, geschweige denn sie auch zu vertreten. Sollte das Verhalten ihres treulosen Gatten sie schmerzen, so beklagte sie sich mit keinem Wort. Und auch die eintönigen, ereignislosen Tage auf La Falaise erschienen ihr angenehm im Vergleich zu ihrem gestrengen Elternhaus. Nun war Catharine gekommen, und mit ihr kehrte Abwechslung in La Falaise ein. Gemeinsam verbrachten sie viele Stunden damit, auf weiten Spaziergängen die Küstenlandschaft zu erkunden. Oder sie saßen an den langen, stillen Abenden in der von Kerzen erhellten Bibliothek, und Catharine erzählte von England, während ihr Jeannette, eine Stickerei in der Hand, gebannt zuhörte. Manchmal erzählte auch Jeannette von der Vergangenheit, oder sie grübelten darüber nach, was die Zukunft wohl bringen mochte. Das Vertrauen zueinander ging so weit, dass Jeannette Catharine eines Abends, als sie sich wieder alleine in der Bibliothek befanden, einen Briefumschlag übergab. »Das ist meine Heiratsurkunde«, flüsterte sie ihrer Freundin zu. »Würdest du so freundlich sein, sie für mich zu verwahren? Ich habe Leon, den Küchenjungen, am Nachmittag dabei ertappt, wie er meine Kommode durchsuchte. Als er mich sah, brach er in Tränen aus. Ich brachte ihn schließlich dazu, mir die Wahrheit zu sagen. Stell dir vor, Roger hat ihm eine Nachricht zukommen lassen: Er sollte die Heiratsurkunde suchen und ihm an eine angegebene Adresse in Dijon schicken. Ich weiß nicht, was Roger damit vorhat. Aber es ist sicher nichts Gutes. Bitte nimm diesen Briefumschlag an dich. In deinem Zimmer wird man ihn nicht suchen.«

Zwei Monate darauf war völlig überraschend der Marquis de la Falaise gestorben. Er war völlig durchnässt von einem Jagdausflug zurückgekehrt. Mit geröteten Augen und einer starken Verkühlung hatte er sich ins Bett gelegt und sich von seinem Kammerdiener einen heißen Punsch mit sehr viel Rum brauen lassen. In der Nacht hatte er hohes Fieber bekommen. Er begann zu fantasieren und wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Catharine schickte nach dem Arzt. Dieser kam aufgrund der großen Entfernung erst am darauffolgenden Vormittag. Nachdem er bedenklich den Kopf gewiegt hatte, ließ er den Patienten zur Ader. Dann gab er Catharine das Rezept für einen Kräutertee, den sie ihrem Gatten einflößen sollte, um die Schmerzen zu lindern. Zudem riet er, das Fieber durch in Essig getränkte Wickel um die Waden abzusenken. Es half alles nichts. Als der Arzt am nächsten Nachmittag nach seinem hochwohlgeborenen Patienten sehen wollte, war dieser tot.

Woher Roger vom Ableben seines Onkels erfuhr, wusste Catharine nicht. Tatsache war, dass er auf La Falaise auftauchte, noch bevor seine Frau und sie selbst in Erfahrung bringen konnten, wo er sich zu dieser Zeit aufhielt. Das Begräbnis war sehr feierlich. Die neuen Adelsfamilien, die Napoleon im weiten Umkreis mit Ländereien ausgestattet hatte, gaben dem Verstorbenen die letzte Ehre. Die Pächter kamen mit ihren Familien, zahlreiche schaulustige Bewohner der umliegenden Ortschaften gaben dem dritten Marquis de la Falaise das letzte Geleit. Roger, der vierte Marquis, folgte mit stolzgeschwellter Brust dem Sarg. Er bemühte sich kaum zu verbergen, dass er nicht wirklich um seinen Onkel trauerte.

Die Verlesung des Testaments, die in engstem Familienkreise stattfand, schien eine reine Routineangelegenheit zu sein. Und doch brachte sie für alle Beteiligten eine unerwartete Überraschung.

Gervais de la Falaise war nicht der verarmte Adelige gewesen, der außer Haus und Grundbesitz kaum etwas besaß. Durch sparsame Lebensführung hatte er in den Jahren ein beträchtliches Vermögen angehäuft, von dem keiner der Anwesenden etwas geahnt hatte.

»Sollte ich daher kinderlos versterben …«, hörten sie die tiefe Stimme des Notars, der gekommen war, um den Letzten Willen des Marquis zu verlesen, »… so möchte ich, dass mein Vermögen, außer den Anteilen, die ich nachfolgend genauer bezeichnen möchte, an die Person geht, die mir bewiesen hat, dass sie sich einer sparsamen, bescheidenen Lebensführung befleißigen kann, an meine Frau Catharine de la Falaise. Auch wenn sie annimmt, es wäre mir nicht aufgefallen, welche positiven Veränderungen sie auf meinem geliebten La Falaise bewirkte, trotz der bescheidenen Mittel, die ihr zur Verfügung standen, so möchte ich ihr auf diesem Wege meinen Dank und meine Anerkennung zum Ausdruck bringen. Ich erwarte allerdings …«

Während Catharine fassungslos und zu keinem Wort fähig war, unterbrach Roger den Notar mit brüsker Stimme. »Was soll das heißen?«, rief er aus. »Hier liegt ein Irrtum vor. Ich bin der Alleinerbe. Ich, Roger de la Falaise. Ich, der vierte Marquis. Wie kommt diese englische Schlampe dazu …«

Der Aufschrei einer der Schwestern seines Onkels sowie der gestrenge Blick, den ihm der Notar über die Ränder seiner Nickelbrille zuwarf, ließen ihn für kurze Zeit verstummen. Mit zusammengebissenen Zähnen musste er zuhören, was sein Onkel noch an Überraschungen bereithielt. Er sollte sich neben dem Titel allein mit dem Landgut La Falaise zufriedengeben. Sicher, es stand ihm eine gewisse Summe Geldes zur Verfügung, die jedoch von eben dem Notar, der das Testament verlas, treuhänderisch verwaltet werden sollte. Damit wollte der Verstorbene sicherstellen, dass die Mittel allein für die Erhaltung des Gutes verwendet würden. Jeannette sollte einen kleinen Geldbetrag bekommen, ebenso die beiden überlebenden Schwestern des Verstorbenen. Doch das Stadtpalais in Paris und das enorme Vermögen fielen an Catharine. Als Zeichen ihrer Zuneigung zum Verstorbenen wurde ihr aufgetragen, ein Jahr lang Trauerkleidung zu tragen, den schweren Spitzenschleier eingeschlossen, den die Mutter des Marquis anlässlich des Todes ihres geliebten Gatten, seines Vaters, getragen hatte.

Catharine konnte es kaum glauben. Sie würde durch Gervais’ Tod nicht nur frei, nein, sie würde zudem auch noch reich sein.

Endlich lag eine unbeschwerte Zukunft vor ihren Augen.

Glücklich wandte sie sich zu Jeannette, um ihr die Hand zu reichen. Diese umarmte sie schwesterlich und gratulierte ihr von ganzem Herzen zur unerwarteten Erbschaft. Roger riss mit wutentbrannter Miene die beiden Frauen auseinander.

»Das Testament ist gefälscht!«, rief er aus. »Nie und nimmer hätte mein Onkel mich, einen Blutsverwandten, so erbärmlich benachteiligt.«

»Beruhigen Sie sich, Monsieur«, forderte der Notar mit gerunzelter Stirne. »Dies hier ist ohne Zweifel die Handschrift Ihres Onkels. Ich arbeite seit mehr als zwanzig Jahren für die Familie. Glauben Sie mir, ich erkenne die Handschrift mit absoluter Sicherheit.«

»Catharine ist eine perfekte Fälscherin«, rief Roger, der zusehends völlig die Fassung verlor. »Sicher war sie es, die dieses schändliche Testament verfasste. Wo war das Schreiben aufbewahrt? In Ihrem Büro, Maître?«

Der Notar schüttelte den Kopf: »Nein, Madame la Marquise hat es mir heute Morgen in einem verschlossenen Umschlag gegeben.«

»Es befand sich in Gervais’ Schreibtisch«, verteidigte sich Catharine empört. »Er selbst hat mir einmal gezeigt, in welchem Fach er das Testament aufbewahrte.«

»Das würde mein Onkel nie getan haben!«, brauste Roger auf.

Es war offensichtlich, dass er nicht so schnell aufgeben würde. Am nächsten Morgen übergab er dem Notar ein anderes verschlossenes Kuvert. Angeblich hatte er es in Gervais’ Kommode im Schlafzimmer gefunden, in das er, als der neue Hausherr, bereits eingezogen war. Der Briefumschlag enthielt ebenfalls ein Testament des letzten Marquis. Der Unterschied war jedoch, dass in diesem Schreiben Roger als der Alleinerbe des gesamten Vermögens eingesetzt wurde.

Der Advokat rückte seine Brille zurecht und studierte eingehend die Handschrift. »Hier scheint es sich tatsächlich um den Letzten Willen von Monsieur le Marquis zu handeln«, stellte er schließlich fest.

»Dieses Schreiben wurde nach dem Testament verfasst, das ich gestern vorgelesen habe, das ergibt sich aus dem Datum. Es dürfte sich um das später verfasste und damit gültige handeln. So leid es mir tut, Madame«, fügte er, an die fassungslose Catharine gewandt, hinzu, »wir haben diesen Letzten Willen zu respektieren.«

Roger war nun wieder allerbester Laune und warf ihr unverhohlen einen triumphierenden Blick zu. Doch Catharine wollte das nicht unwidersprochen hinnehmen. Sie wusste, dass Roger ein Meister im Fälschen von Schriften war. Das hatte er bei der Unterschrift auf ihrer Heiratsurkunde und nicht zuletzt bei den Briefen an ihren Vater bewiesen. Vier ihrer besten Jahre hatte sie an der Seite ihres ungeliebten, um vieles älteren Ehemannes verbracht.

Sein Vermögen zu erben erschien ihr als gerechter Ausgleich für erlittenes Ungemach. So ließ sie umgehend ihr Pferd satteln und ritt in die nächste Stadt, um einen anderen Anwalt damit zu beauftragen, ihre Interessen wahrzunehmen. Die Einschaltung dieses Advokaten kostete beinahe ihre gesamten Ersparnisse. Doch es schien sich zu lohnen: Sie erreichte, dass das Vermögen des Marquis in treuhänderische Verwaltung kam, bevor ein Gericht entscheiden würde, wem es tatsächlich gehören sollte. Catharine beschloss, sich strikt an das Testament zu halten, das sie selbst aus dem Schreibtisch genommen hatte. Sie packte all ihre bunten Kleider in zwei mächtige Schrankkoffer. Fortan ging sie nur noch in Schwarz, wie es Gervais gewünscht hatte. Das Leben auf La Falaise wurde in zunehmendem Maße unerträglicher. Roger hielt sich ständig auf dem Gut auf. Er lud gleichgesinnte Freunde ein und zechte mit ihnen bis in den frühen Morgen, und er gestattete, dass sie sich im Haus breitmachten. Er widerrief die Anordnungen, die Catharine den Dienstboten gab, und war alles andere als liebenswürdig zu seiner Ehefrau Jeannette.

Die Monate gingen ins Land, und noch immer konnte sich das angerufene Gericht nicht zu einer Entscheidung durchringen. Eines Tages beschloss Jeannette, zu ihrer älteren Schwester zu reisen, die in Italien verheiratet war. So würde sie ihrem Mann und den Nachstellungen seiner aufdringlichen Freunde entgehen. Da wusste Catharine, dass es Zeit war, nach England zurückzukehren. Der Anwalt versprach, sich weiter für ihre Interessen einzusetzen, und Catharine machte Pläne für ihre Zukunft.

Ihr Vater, der Herzog von Milwoke, war tot. Zu Henry und Esther zurückzukehren, kam nicht infrage. Nie würde sie in das Haus zurückkehren, aus dem sie mit List und Tücke vertrieben worden war. Sie würde sich wohl oder übel um eine Stelle als Gouvernante oder Gesellschafterin umsehen müssen. Zumindest so lange, bis sie das Erbe ihres verstorbenen Gatten antreten konnte. Oder bis sie einen Mann fand, mit dem sie eine Vernunftehe eingehen konnte, die angenehm und zur beiderseitigen Zufriedenheit verlief. Sie verschwendete keinen Gedanken darauf, dass sie sich je wieder verlieben könnte. Einmal hatte sie gedacht, die Liebe ihres Lebens zu ehelichen – und die Enttäuschung hätte nicht bitterer und schmerzhafter ausfallen können.

Catharine schreckte aus ihren Gedanken auf, als eine energische Hand gegen ihre Kabinentür klopfte. »Wir erreichen England in einer halben Stunde, Madame«, hörte sie die Stimme des Stewards durch die geschlossene Tür. »Das Wetter hat sich gebessert. Der Regen hat aufgehört.«

Catharine bedankte sich für diese Informationen, dann erhob sie sich seufzend, um sich für den Ausstieg zurechtzumachen.

Hochzeit in St. George

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