Читать книгу Hochzeit in St. George - Sophia Farago - Страница 7

IV.

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Hetty Willowbys Plan klappte ganz nach ihren Wünschen. Onkel und Tante schöpften keinen Verdacht, dass das Schreiben nicht vom Bruder ihres Schützlings kommen sollte. Sie waren schon lange der Meinung, dass es eine Schande war, wie wenig sich die beiden älteren Brüder Richard und George um ihre Schwester kümmerten. Von dem Tag an, als George das Vermögen seiner Großmutter geerbt hatte, hatten sie gehofft, er würde sich seiner familiären Verpflichtungen entsinnen. Und nun war es also so weit. Endlich hatte sich jemand gefunden, der Hettys Wunsch, in die Gesellschaft eingeführt zu werden, erfüllte. Befreit aufatmend, dass diese unangenehme Aufgabe von ihren Schultern genommen wurde, stimmten sie einer baldigen Abreise mit Freuden zu. Dies umso mehr, da sich Madame de la Falaise tatsächlich bereit erklärt hatte, Hetty zu begleiten. Catharine wohnte nun schon seit vier Tagen im Hause ihres Onkels. Die Tage der Ruhe und der Zurückgezogenheit trugen viel dazu bei, dass sie sich von den Plagen der stürmischen Überfahrt erholte. Sie führten ihr aber auch deutlich vor Augen, dass sie sich dringend nach einer Arbeit umsehen musste. Ihre Barschaft war bereits geschrumpft. Und sie hatte nicht vor, ihren Verwandten, die sie so freundlich aufgenommen hatten, allzu lange auf der Tasche zu liegen. Dass sie sich in Brighton nach einer Dienststelle umsah, kam nicht in Frage. Ihr Onkel war nicht in ihre Pläne eingeweiht. Sicher würde er es nicht dulden, dass sie sich in einem fremden Haushalt verdingte. Hettys Bitte, sie zu begleiten, kam daher wie gerufen. Vielleicht konnte die reiche Mrs. Willowby davon überzeugt werden, Catharine in ihre Dienste zu nehmen. Wenn nicht, so verfügte die Dame bestimmt über einen ausgedehnten Freundinnenkreis, in dem sie sie empfehlen könnte.

An diesem Morgen waren sie in die geräumige, altmodische Reisekutsche gestiegen, die sie in die Hauptstadt bringen sollte. Auf dem Dach türmten sich Koffer und Hutschachteln. Der Abschied von Tante Mable war tränenreich gewesen, und die Tante hatte ihnen viele gute Wünsche und wohlgemeinte Ratschläge auf ihren Weg mitgegeben. Onkel Jonathan hatte verfügt, dass sie in einem gemächlichen Tempo zu reisen hatten, um Catharine nicht über Gebühr anzustrengen. So würden sie an diesem Tage lediglich bis Tunbridge Wells fahren, wo in der Poststation »Zum Goldenen Anker« Zimmer für die Nacht reserviert waren.

Sie erreichten den Gasthof am späten Nachmittag. Er war inmitten einer Häuserzeile an der breiten Hauptstraße gelegen. Die verschiedenen Formen und Farben der umliegenden Gebäude riefen Hettys Begeisterung hervor.

»Bitte, Catharine, lass uns spazieren gehen, sobald wir das Nötigste ausgepackt haben. Ich möchte mir so gerne die Auslagen der Läden und Geschäfte ansehen. Im letzten Jahr bin ich kaum aus Brighton hinausgekommen. Wie begierig bin ich zu sehen, was es auf der Welt sonst noch Interessantes zu bestaunen gibt.«

Catharine lachte amüsiert auf. Hetty musste wirklich ein sehr zurückgezogenes Leben geführt haben, wenn sie Tunbridge Wells für die große, weite Welt hielt. Sie stimmte einem Bummel durch den Ort gerne zu. Vor vielen Jahren, sie war damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt gewesen, hatte sie ihre Großmutter hierher begleiten dürfen. Tunbridge war damals ein sehr beliebter Kurort der adligen Gesellschaft gewesen, wenn die Stadt auch nie an die Beliebtheit von Bath oder Brighton heranreichen konnte. Sicher hatte sich seit damals viel verändert. Neugierig blickte sie sich um. Ob sie wohl irgendetwas entdeckte, das sie an den Aufenthalt in ihrer Kindheit erinnern würde?

Die Zimmer waren rasch bezogen. Simon, der Kutscher, war es gewöhnt, mit seinen Herrschaften zu verreisen, wenn diese im Sommer nach Rye übersiedelten oder auch, wenn Seine Lordschaft alleine in die Hauptstadt fuhr oder auf Landsitze, um an Jagdgesellschaften teilzunehmen. Ohne zu zögern, übernahm er die Rolle des herrschaftlichen Dieners. Er kümmerte sich nicht nur darum, dass die Pferde ordentlich untergebracht wurden, sondern auch darum, dass es den beiden Damen an nichts fehlte. Die Betten schienen sauber, sodass man die von Tante Mable vorsorglich eingepackten frischen Bettlaken nicht benötigte. Die Zimmer waren gut durchlüftet, und in den Kaminen loderte ein freundliches Feuer.

Catharine ließ sich in den weichen Lehnstuhl fallen, der neben ihrem wuchtigen Himmelbett stand, und streckte wohlig die Glieder. Die Atmosphäre, die sie umgab, war so typisch englisch. Erinnerungen an eine glückliche Kindheit. Es war, als würde alle Last, alles Schwere mit einem Mal abfallen. Es war, als wäre sie in diesem Augenblick heimgekehrt. Sie war nun dreiundzwanzig Jahre alt. Die Zukunft lag noch vor ihr. Sie würde es nicht zulassen, dass wieder andere diese Zukunft gestalteten. Sie, und nur sie, würde ihr weiteres Schicksal in die Hand nehmen. Mit einem Mal fühlte sie sich glücklich und voller Zuversicht. Sie hatte Lust zu singen und quer durch das Zimmer zu tanzen.

Ein Blick in den Spiegel über der Kommode dämpfte diese Freude ein wenig. Kritisch betrachtete sie ihr blasses Gesicht. Sie sah viel älter aus, als sie war, stellte sie betroffen fest. Nein, noch war keine Falte auf der Stirn oder um den Mund zu erkennen. Doch die Wangen waren eingefallen. Dunkle Ringe unter den Augen zeugten davon, dass ihr Leben nicht einfach gewesen war in den letzten Jahren. Dazu kamen noch die Strapazen der weiten Reise, die am nächsten Tag nun endlich ihr Ende finden sollte. Natürlich war auch das entsetzliche schwarze Kleid daran schuld, dass sich der ungünstige Eindruck verstärkte. Und dann erst dieser düstere Schleier.

Niemand konnte in dieser Garderobe jung und hinreißend aussehen, beruhigte sie sich. Auch ihre dunkelblonden Haare schienen sich dem tristen Allgemeinbild angepasst zu haben. Sie hatten viel von ihrem Glanz und ihrer Fülle eingebüßt. Nun, regelmäßige Hopfen-Kamille-Spülungen würden beides binnen kürzester Zeit wieder zurückbringen. Sie kannte ein kleines Geschäft in der Jermyn Street, das allerlei Pasten und Wässerchen aus Kräutern und Pflanzen verkaufte, die sich wohltuend auf Haut und Haar auswirkten. Catharine hatte guten Grund, sich auf London zu freuen. Sie sah sich im Geiste durch die vornehme Bond Street spazieren oder zur mondänen Stunde durch den Hydepark kutschieren. Es konnte einfach nicht mehr lange dauern, bis ihr das Geld aus Frankreich zur Verfügung stand. Dann würde sie sich eine neue Garderobe kaufen. Kleider in den strahlendsten Farben. Sie würde Bälle besuchen und …

Catharine stand auf und straffte energisch die Schultern. Zuerst hieß es, die Durststrecke zu überwinden, bis das Geld kam. All ihre Hoffnungen konzentrierten sich auf Mrs. Willowby. Vielleicht konnte Mylady sogar dazu überredet werden, sie in der Zwischenzeit als Gast in ihrem Hause aufzunehmen?

Ein leises Klopfen an der Zimmertür unterbrach ihre Überlegungen. Ein Zimmermädchen in einem adrett blau-weiß gestreiften Kleid mit gestärkter, weißer Schürze trat ein und stellte einen Krug neben die Waschschüssel. »Ich habe Ihnen heißes Wasser gebracht, Mylady«, sagte sie. »Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein?«

Catharine bedankte sich, das Mädchen knickste und zog sich zurück. Sie hatte kaum Zeit gehabt, sich frisch zu machen, als Hetty in der Tür erschien. Sie hatte ihr schweres Reisekleid abgelegt und trug nun ein hübsches grün-gelb geblümtes Tageskleid mit einer dazu passenden grünen Pelerine. Sowohl die Halbstiefelchen als auch die feinen Kalbslederhandschuhe waren farblich darauf abgestimmt. Ein schmaler Schutenhut vervollkommnete das liebliche Bild.

»Bist du bereit, Catharine?«, fragte sie, während sie die Tür hinter sich schloss. Ihre Augen glänzten vor Aufregung. »Ist das nicht ein wunderschöner Gasthof? Du ahnst ja gar nicht, wie sehr ich unsere Reise genieße. In den letzten Tagen war ich so nervös, weil ich ständig befürchtete, dass etwas dazwischenkommen könnte. Doch nun sind wir wirklich und wahrhaftig in Tunbridge Wells. Und morgen werden wir in London sein. Ist das nicht großartig?«

»Ja, das ist es in der Tat«, stimmte Catharine zu, während sie sich mit dem bereitgelegten Handtuch abtrocknete. »Noch viel großartiger würde ich es allerdings finden, wenn wir bereits im Hause deines Bruders angelangt wären. Und wenn Mrs. Willowby sich bereits bereit erklärt hätte, mir so lange zu helfen, bis mein Geld aus Frankreich eingetroffen ist. Denkst du, sie wird mich als deine Gesellschafterin akzeptieren?«

Da sie sich bei diesen Worten umwandte, um ihre Handschuhe von der Kommode zu nehmen, entging es ihr, dass ihre Begleiterin schlagartig errötet war. Hetty hatte ihre Schwägerin, die den gleichen Namen trug wie sie, noch nie gesehen. Sie hatte keine Ahnung, wie diese auf einen diesbezüglichen Vorschlag reagieren würde. Da weder ihr Bruder noch ihre Schwägerin etwas von ihrem eigenen Kommen ahnten, konnte es vielleicht Probleme geben. Nun, irgendeine Lösung würde sich finden.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Hetty leichthin und warf einen flüchtigen Blick durch das kleine Fenster auf die belebte Straße. »Wenn wir uns nicht beeilen, wird es dunkel. Bist du bereit, Catharine?«

Diese nickte, und gemeinsam stiegen sie die steile Treppe hinunter, um durch die Eingangstür ins Freie zu treten. Sie waren eben die ersten Schritte gegangen, als ihnen zwei junge Herren entgegenkamen. Ihrem vornehmen Äußeren nach zu schließen, waren sie eben aus der Hauptstadt gekommen. Der eine von ihnen war blond. Ein kesser Biberhut saß leicht schräg auf seinen wohlfrisierten Locken. Sein blauer Umhang war schlicht und sportlich geschnitten. Er war ein recht gut aussehender junger Mann mit freundlichen Augen und einem gewinnenden Lächeln. Doch sein hübsches Gesicht war nichts im Vergleich zu der auffallenden Schönheit seines Begleiters. Dieser hatte seine schwarzen Haare zu einer glänzenden Lockenpracht gebürstet. Der Kutschiermantel aus feinem braunen Tuch wies mehr als zehn Schulterkragen auf. Die schwarzen Stulpenstiefel glänzten im fahlen Licht der Frühlingssonne. Mit unendlicher Langeweile in seinen fein gemeißelten Zügen ließ er seinen Blick über die Häuserfront der Hauptstraße schweifen. Hetty betrachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus mit einem verstohlenen Blick. Sicher hatte sie in ihrem Leben noch nie einen derart beeindruckenden, derart aufregend schönen Mann gesehen. Sie fragte sich eben, wer er wohl sein mochte, als die Stimme seines Begleiters sie aus ihren träumerischen Gedanken riss. Der junge Mann war stehen geblieben, hatte bei ihrem Anblick kurz gestutzt und kam nun mit freudigem Lächeln direkt auf sie zu.

»Cousine Hetty!«, rief er aus. »Das ist aber eine Überraschung.«

Zwei Grübchen erschienen auf seinen Wangen. Nun erkannte auch Hetty ihn. »Cousin Alfred!«, erwiderte sie fröhlich. Sie hatte ihren Vetter vor gut einem Jahr das letzte Mal gesehen. Er war völlig überraschend in Brighton aufgetaucht, um ihr einen Besuch abzustatten.

»Wir Verwandten müssen doch zusammenhalten«, hatte er ihr erklärt. »Ich finde es traurig, dass wir so selten Gelegenheit haben, uns zu sehen.« Sie hatten einige recht unterhaltsame Tage zusammen verbracht. Und Hetty, die es von ihren Brüdern gewöhnt war, dass man sie vernachlässigte, hatte ihren Cousin bald ins Herz geschlossen. Und nun traf sie ihn also hier in Tunbridge Wells wieder.

»Was führt denn dich in diesen Ort?«, fragte sie, nachdem sie ihm herzlich die Hand zum Gruß gereicht hatte.

»Wir sind auf der Durchreise«, erklärte Alfred Willowby. »Darf ich dir meinen Freund vorstellen? Lord Peter Bridgegate, Miss Henrietta Willowby.«

Der Beau konnte sehr charmant sein, wenn er wollte. Und in diesem Augenblick wollte er. Die Reise in sein Vaterhaus langweilte ihn unerträglich. Und Hetty war wirklich ein ausnehmend hübsches Mädchen.

»Es ist mir eine große Freude«, sagte er und blickte ihr tief in die Augen, bevor er sich über die dargebotene Hand beugte. Hetty errötete, von einer ungewohnten Schüchternheit ergriffen, und neigte anmutig den Kopf.

»Willowby?«, erkundigte sich Lord Bridgegate. »Sind Sie mit einem gewissen Richard Willowby verwandt?«

»Sie ist seine Schwester, Bridge«, rief Alfred vorwurfsvoll aus. »Du kannst doch nicht vergessen haben, dass Ric eine Schwester hat, die Hetty heißt.«

»Hätte ich geahnt, wie hübsch diese Schwester ist, ich hätte es nicht vergessen«, versicherte der Beau und schenkte Hetty eines seiner seltenen Lächeln. Hetty war, als würde ihr Herz gleich stillstehen. Mit verzücktem Lächeln blickte sie zu ihm auf. Sie hatte sich Hals über Kopf in Seine schöne Lordschaft verliebt. Sein erfahrenes Auge erkannte diese Tatsache ohne Mühe. Rics kleine Schwester! Da stand ihm ja ein amüsanter Flirt bevor.

Catharine, die mit wachsender Ungeduld dieser Vorstellung gefolgt war, hielt es an der Zeit, sich in Erinnerung zu rufen. Sie tat dies mit einem unüberhörbaren Räuspern, das ihre Begleiterin aus ihrer Versunkenheit auffahren ließ.

»Oh, Catharine, entschuldige bitte«, meinte Hetty artig. »Darf ich dir meinen Vetter vorstellen, Mr. Alfred Willowby. Und seinen Freund«, fügte sie mit unverkennbarer Wärme in der Stimme hinzu, »Lord Peter Bridgegate. Madame de la Falaise.«

Die Herren verbeugten sich angemessen, als Catharine ihnen die Hand reichte. Sie hatten der schwarzen Gestalt, die sich in Begleitung von Hetty Willowby befand, bisher keine Beachtung geschenkt. Alfred hatte sie für eine Bediente gehalten, die seine Cousine als Anstandsperson begleitete. Nun beeilte er sich, diesen Fauxpas wiedergutzumachen, indem er sich vor Freundlichkeit beinahe überschlug.

»Sie kommen aus Frankreich, Madame?«, erkundigte er sich, nicht gerade originell.

»Natürlich kommt sie aus Frankreich«, rief Hetty, noch bevor Catharine Gelegenheit hatte, selbst zu antworten. »Und sie begleitet mich nach London. Ich werde dort mein Debüt geben«, erklärte sie stolz.

»Wie schön für dich, liebe Cousine«, erwiderte Alfred freundlich. »Du musst mir versprechen, einen der ersten Tänze auf deinem Debütantenball für mich zu reservieren.«

Hetty versprach es. Verstohlen blickte sie zu Seiner Lordschaft hinüber. Ein kleines spöttisches Lächeln antwortete diesem Blick. »Wollen uns die beiden Damen die Ehre geben, mit uns zu dinieren?«, meldete sich Alfred zu Wort. »Wir sind im Goldenen Anker abgestiegen.«

»Welch ein Zufall!«, rief Hetty aus. »Dort wohnen wir auch. Natürlich werden wir gerne mit euch speisen.« Sie drehte sich zu Catharine um.

»Du hast doch nichts dagegen, nicht wahr?«, fragte sie mit flehendem Blick. Catharine versicherte, dass es ihr eine große Freude sei.

Es wurde ein unterhaltsamer Abend. Alfred Willowby unterhielt sie mit amüsanten Geschichten aus dem Gesellschaftsleben, die die beiden Damen begierig in sich aufsogen. Sie konnten es kaum erwarten, selbst am regen Treiben der Hauptstadt teilzunehmen.

»Wir sind auf dem Weg nach Hastings«, erklärte Alfred. »Bridges, ich meine Lord Bridgegates Eltern wohnen dort. Doch in sieben Tagen sind wir sicher zurück, nicht wahr, Bridge?«

»Spätestens«, näselte Seine Lordschaft. »Ausgeschlossen, dass ich Miss Willowbys Debüt versäume.«

Hetty schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. Natürlich hatte sie auch in Brighton so manches Kompliment erhalten, wenn sie mit Onkel und Tante eine gesellschaftliche Veranstaltung besucht hatte. Das war jedoch viel zu selten vorgekommen. Und was bedeutete es schon, einem jungen Landadeligen zu gefallen? Wie viel schwerer wogen da die anerkennenden Worte eines Herrn aus der ersten Gesellschaft.

»Wo wirst du in London wohnen, liebe Cousine?«, erkundigte sich Alfred.

»Bei George«, erklärte Hetty, ohne ihren Blick von Seiner Lordschaft abzuwenden. »Er und Henrietta haben mich zu sich eingeladen.«

Der Beau zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. »George?«, wiederholte er. »Das ist ja interessant.«

Nun war es an Catharine, erstaunt zu sein. »Aber George Willowby ist Hettys Bruder«, wandte sie ein. »Ist es da nicht natürlich, dass er sich um ihr Debüt kümmert?«

»Sicher ist es das«, stimmte ihr Alfred beschwichtigend zu. »Da ist nur ein Problem …«, er stockte und fragte sich, wie er den Damen, die ihn so erwartungsvoll ansahen, die Wahrheit möglichst schonend beibringen konnte.

»George befindet sich nicht in der Hauptstadt«, erklärte Seine Lordschaft an seiner Stelle. »Soweit uns bekannt ist, bereist er mit seiner jungen Frau eben den Kontinent.«

Alfred nickte. »So ist es.«

Catharine war fassungslos. »Aber das ist doch unmöglich!«, rief sie bestürzt. »Sie müssen sich irren. Natürlich ist Mr. Willowby in der Hauptstadt. Wie sonst hätte er Hetty zu sich einladen können?«

Nun war es an Hetty, zutiefst zu erröten. Lord Bridgegate war ein erfahrener Mann, was weibliche Listen betraf. Es fiel ihm nicht schwer, sich einen Reim auf das eben Gehörte und Hettys Reaktion zu machen.

»Ich denke, der gute George ist völlig ahnungslos«, stellte er fest.

»Sie meinen, er hat sie gar nicht eingeladen?«, vergewisserte sich Catharine.

»Wohl kaum«, näselte Seine Lordschaft und zog seine Schnupftabakdose aus der Westentasche. Er öffnete sie elegant mit dem linken Daumennagel und nahm eine Prise.

Catharine wandte sich ihrer Begleiterin zu. »Hetty!«, sagte sie in scharfem Ton. »Darf ich dich bitten, mir zu erklären, was das zu bedeuten hat?«

Jede Art von Streit war Alfred Willowby zutiefst peinlich. Er begann sich sofort unbehaglich zu fühlen und spielte nervös mit seiner Serviette. Der Beau ließ unter schweren Augenlidern einen amüsierten Blick von einer Dame zur anderen schweifen.

»Was hätte ich tun sollen?«, fuhr Hetty auf. »Ich musste die Initiative ergreifen. Sonst hätte mich Tante Mable nie nach London reisen lassen.«

»Soll das heißen, du hast den Brief selbst geschrieben?«, vergewisserte sich Catharine mit fassungsloser Stimme.

Hetty nickte.

Der Beau lachte laut auf. »Sie sind eine echte Willowby«, stellte er fest.

Das konnte Alfred nicht unwidersprochen hinnehmen. »Also, ich fälsche keine Briefe …«, fuhr er auf. »Ich würde nie auf die Idee …«

Lord Bridgegate warf seinem Freund einen ungeduldigen Blick zu.

»Kein Mensch mit Verstand würde dich als echten Willowby bezeichnen«, bemerkte er nicht eben freundlich. »Also beruhige dich.« Catharine hielt nichts von diesem Geplänkel. »Was sollen wir nun tun?«, fragte sie Hetty und hätte die Jüngere am liebsten an beiden Ohren gezogen. »Kannst du mir vielleicht sagen, was wir in London machen sollen? Dein Bruder und deine Schwägerin sind nicht zu Hause. Wo sollen wir wohnen?« Sie atmete tief durch, sichtlich bemüht, nicht die Fassung zu verlieren. »Es ist am besten, ich bringe dich umgehend nach Brighton zurück.«

»Das wirst du nicht tun!«, rief Hetty aus. »Dazu hast du kein Recht. Und überhaupt: Ich kann deine Aufregung nicht verstehen. Natürlich fahren wir nach London. Ich habe noch einen Bruder, Richard, wie du weißt. Wir werden zu Richard ziehen …«

Der Beau ließ ein spöttisches Lachen hören.

Alfred warf ihr einen ungläubigen Blick zu. »Aber Richard ist Junggeselle«, wandte er ein. Ein unverheirateter Mann war nicht geeignet, ein junges Mädchen in die Gesellschaft einzuführen.

»Dann müssen wir eben eine Frau für ihn suchen«, meinte Hetty leichthin.

Nun lachte der Beau frei heraus, und Hetty und Alfred stimmten erleichtert in sein Gelächter ein. Nur Catharine konnte die Situation nicht komisch finden. Und doch war es ausgeschlossen, in Gegenwart der beiden jungen Herren einen Streit mit Hetty anzufangen. Sobald wir in unserem Zimmer sind, drehe ich ihr den Hals um, schwor sie sich grimmig.

Hochzeit in St. George

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