Читать книгу Hochzeit in St. George - Sophia Farago - Страница 9

VI.

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Im Stadtpalais des Earl of Aberfield wurde Mr. Willowby von einem jungen Lakaien eingelassen. Richard schmunzelte. Sicher hatte Constance dem Butler einen freien Abend gewährt, damit dieser ihrem Vater nichts über den Besuch erzählen konnte, den sie zu abendlicher Stunde alleine empfing. Ob sie wohl Übung in diesen Dingen hatte?

»Mylady lässt bitten«, sagte der Lakai höflich, nachdem er ihm die Garderobe abgenommen hatte. Er eilte zu einer der hohen Flügeltüren an der Stirnseite der imposanten Eingangshalle und öffnete diese, um den Gast eintreten zu lassen. Richard fand sich in einem kleinen Salon wieder, der durch zahlreiche Wachskerzen in ein warmes Licht getaucht wurde. Die schweren altrosa Vorhänge waren zugezogen. Im Kamin flackerte ein kleines Feuer. Ein schmaler Tisch war für zwei Personen gedeckt. Die fein geschliffenen Kristallgläser funkelten im Schein der Kerzen. Da blieb Richards Blick an der Chaiselongue hängen, die mit ihren zahlreichen Kissen zum Ausruhen einlud. Ob sie wohl hier … oder würde ihn Mylady in ihr Schlafgemach bitten?

Die Tür wurde geöffnet, und Lady Ridley schwebte in den Raum. Sie trug ein elegantes lachsfarbenes Abendkleid. Eine matt schimmernde Perlenkette schmückte ihren schmalen Hals. Die dunklen Locken waren zu einem Apolloknoten aufgesteckt, der von einem Perlendiadem gehalten wurde, durch das lange, ebenfalls mit Perlen verzierte Nadeln gesteckt waren. Richard betrachtete ihre Erscheinung mit gemischten Gefühlen. Sie bot ein derart züchtiges Bild, dass er sich fragte, ob seine Hoffnungen voreilig gewesen waren. Vielleicht hatte sie ihn tatsächlich bloß eingeladen, um mit ihm zu Abend zu essen. Das war zwar sicherlich ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Als er jedoch seiner Gastgeberin tief in die Augen blickte, erkannte er in ihnen jenen sehnsüchtigen, verlockenden Blick, den er darin zu sehen erhofft hatte.

Erleichtert atmete er auf. Also doch, er hatte sich nicht geirrt.

»Ich danke für die Einladung, Mylady«, sagte er, während er ihre Hand ergriff, um sich darüberzubeugen.

»Ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, antwortete Constance ebenso formell.

Der Lakai trat ein und servierte den Champagner. Die Hausherrin nahm beide Gläser von einem zierlichen Silbertablett und reichte eines mit verheißungsvollem Lächeln an ihren Gast weiter. »Du kannst gehen, Andrew«, befahl sie dann, an den Diener gewandt. »Ich werde läuten, wenn wir zu dinieren wünschen.«

Während sich der Lakai mit einer Verbeugung zurückzog, prosteten sich die beiden zu. »Auf die schönste Gastgeberin Englands«, sagte Richard Willowby mit seinem charmantesten Lächeln.

Constance errötete leicht, hielt jedoch seinem Blick stand, ohne die Lider zu senken.

»Wie kommt es, dass Sie mir jedes Mal, wenn wir uns sehen, noch schöner und begehrenswerter erscheinen?«, fragte Richard Willowby mit rauem Tonfall in seiner Stimme. Er wusste, diese Worte waren nicht besonders originell. Doch verfehlten sie selten ihre Wirkung. Nun senkte Mylady doch den Blick. »Sie schmeicheln mir, Sir«, sagte sie unerwartet schüchtern.

»Aber keineswegs«, antwortete ihr Gast in fröhlichem Ton. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte beide Gläser auf den Esstisch. Dann legte er den Zeigefinger unter ihr Kinn. »Sieh mich an, Constance«, forderte er. »Sonst kann ich dich nicht küssen.«

Lady Ridley hielt es für angebracht, sich noch etwas zu zieren. Obwohl ihr Herz zum Zerspringen klopfte und sie sich danach sehnte, in seinen Armen zu liegen. Es waren starke Arme, junge Arme. Sie dachte kurz an ihren verstorbenen Mann, der zwanzig Jahre älter gewesen war als sie. Tremaine, der gerade bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten hatte, war mehr als dreißig Jahre älter. »Sie müssen doch hungrig sein, Sir«, sagte sie, scheinbar bemüht, das Thema zu wechseln.

»Oh, ich bin sehr hungrig«, flüsterte ihr Richard ins Ohr. »Und das schon seit Wochen.« Mit diesen Worten nahm er sie in seine Arme. »Und ich bin gekommen, um diesen Hunger zu stillen.« Er küsste sie wild und leidenschaftlich, und Constance küsste ihn ebenso wild und leidenschaftlich zurück.

Das fängt ja sehr verheißungsvoll an, dachte er zufrieden, während er sie vorsichtig und doch zielsicher in Richtung Chaiselongue schob.

Das Essen konnte warten. Zuerst würde er sie …

»Oh, Richard«, flüsterte sie ihm mit vor Leidenschaft rauer Stimme ins Ohr. »Ich habe dich geliebt, seit ich dich das erste Mal sah.«

Mr. Willowby zuckte zusammen. Von Liebe zu sprechen, hielt er für äußerst unpassend. Hier ging es um Lust und Leidenschaft. Dass Frauen das immer mit Liebe verwechseln mussten. Ohne darauf zu antworten, zog er ihr die langen Nadeln und das Perlendiadem vom Haar und sah zu, wie die Locken weich auf ihre Schultern fielen. Dann begann er langsam, die Häkchen ihres Kleides zu öffnen. Dabei gab er ihr kleine Küsse auf den Nacken, was sie mit wohligem Schauer geschehen ließ. Mit ihrem eng geschnürten Mieder hatte er ebenfalls keine Probleme. Er entfernte es mit geübten Griffen, und endlich stand sie mit nacktem Oberkörper vor ihm. Dann beschloss er, Constance zu helfen, die mit ungeschickten Fingern versuchte, seine Westenknöpfe zu öffnen. Er war so damit beschäftigt, sich Rock, Weste und Hemd vom Leib zu reißen, ohne Constance dabei aus den Augen zu lassen, dass er die schnellen Schritte nicht wahrnahm, die sich unaufhaltsam dem kleinen Salon näherten.

Die Tür wurde aufgerissen, und eine bellende Stimme brüllte: »Was hat das zu bedeuten?«

Richard fuhr herum und sah die kleine, gedrungene Gestalt des Earl of Aberfield. Der Vater seiner Gastgeberin stand wutentbrannt im Türrahmen. Seine wasserblauen Augen schienen aus den Höhlen zu treten, die Wangen waren dunkelrot gefärbt. Die massigen Hände in die Hüften gestützt, starrte er regungslos auf das Bild, das sich ihm bot. Richard hatte Aberfield nie leiden können. Doch in diesem Augenblick hasste er ihn geradezu. Warum konnte der Mann nicht eine Stunde später erscheinen, wenn er schon erscheinen musste! Wie kam es überhaupt, dass er in London war? Constance hatte ihm doch geschrieben, ihr Vater sei auf dem Lande. Richard beschloss, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. »Guten Abend, Sir«, sagte er betont höflich, während er sich das Hemd zuknöpfte und es in seine Hose stopfte.

»Das ist kein guter Abend für Sie, Willowby«, schnauzte ihn Aberfield an und kam mit drohender Gebärde näher. »Wie kommen Sie dazu, sich an meiner Tochter zu vergreifen, Sie Windhund? Dafür werden Sie büßen.« Er öffnete die Manschetten und begann sich die Ärmel hochzukrempeln.

Ein seltsames Verhalten für einen Gentleman, dachte Richard. Der muskulöse Körperbau seines Gegenübers beunruhigte ihn etwas. Nicht, dass er Angst gehabt hätte. Doch er hasste Prügeleien. Noch dazu auf nüchternen Magen.

»Ich stehe Ihnen selbstverständlich zur Verfügung«, sagte er, weiterhin bemüht, einen ruhigen Ton anzuschlagen. »Nennen Sie mir Ort und Uhrzeit. Sie haben die Wahl der Waffen.«

Constance, die ihr Kleid vom Boden aufgehoben hatte und es nun vor ihren Körper gepresst hielt, war dem Wortwechsel mit Spannung und ohne erkennbare Furcht gefolgt. Nun ließ sie einen entsetzten Aufschrei hören. »Doch kein Duell!«, rief sie aus. »Beruhige dich, Papa. Mr. Willowby und ich werden heiraten.«

Richard, der eben in seinen Rock schlüpfte, hielt abrupt inne. Wie kam Constance dazu, so etwas zu behaupten?

»Er hat heute Abend in aller Form um meine Hand angehalten, und ich habe sie angenommen, Papa.«

Richard konnte sie nur entgeistert anstarren.

»Aber du bist doch Tremaine versprochen!«, polterte Aberfield, sichtlich ebenso aus der Fassung gebracht.

»Eben«, murmelte Richard.

»Du hast mich an Tremaine verkuppeln wollen«, rief Constance vorwurfsvoll. »Aber ich wollte ihn nicht haben. Ich will keinen Mann, der mein Vater sein könnte. Ich habe unter Ridley genug gelitten. Ich will einen jungen Mann. Einen starken, kräftigen Mann.«

Unerwartet überzog ein breites Grinsen das Gesicht ihres Vaters. »Ist ja gut, Kätzchen. Du sollst Willowby haben. Ich werde Tremaine Bescheid geben, dass wir es uns anders überlegt haben.«

Richard warf Constance einen Blick zu, der deutlich zeigte, was er von ihr hielt. Sie hatte ihm also eine Falle gestellt. Sie hatte ihn benützt, um einer Ehe mit Tremaine zu entgehen. Und er war dumm genug gewesen, in diese Falle zu tappen. Aber er dachte nicht daran, sich einfangen zu lassen. »Sie kann Willowby nicht haben«, sagte er mit scharfer Stimme. »Weil Willowby sie nämlich nicht will. Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen.« Er verbeugte sich und verließ den Raum.

Es dauerte nur eine Schrecksekunde, dann hatte sich seine Lordschaft gefangen, während Constance in lautes Weinen ausbrach.

Richard war eben dabei, in seinen Umhang zu schlüpfen, als Aberfield in der Halle erschien. »So kommen Sie mir nicht davon, Willowby!«, brüllte er ihn an. »Ich werde Sie anklagen, wegen gebrochenen Eheversprechens.«

Richard nahm seinen Hut und wandte sich zur Haustür. Der Lakai, der sie für ihn offen hielt, lauschte mit unverhohlener Neugierde dem Disput zwischen seinem gestrengen Herrn und dem jungen Besucher.

»Ich habe Ihrer Tochter nie die Ehe versprochen«, stellte Richard richtig. »Das wissen Sie ebenso gut wie ich.«

»Da steht Ihr Wort gegen das meiner Tochter«, fuhr Aberfield auf.

»Und ich werde bezeugen, dass ich es ebenfalls gehört habe. Sie werden Constance heiraten. Oder Sie sind ruiniert.«

Mit fassungsloser Wut musste er feststellen, dass die Tür soeben hinter Richard Willowby ins Schloss gefallen war.

»Na warte, Bursche!«, rief er aus. »Lakai, meinen Mantel und meinen Hut! Aber ein bisschen plötzlich!«

Mit großen Schritten machte sich Richard Willowby auf den Heimweg. Er war sich sicher, dass ihm der erzürnte Earl of Aberfield folgen würde. Und wenn er sich schon auf einen Disput einlassen musste, so war es besser, wenn er ihn zu Hause antraf, als wenn er ihn auf offener Straße oder im Club zur Rede stellte. Er hätte sich ohrfeigen können. Warum hatte er nicht geahnt, was Constance vorhatte? Wie hatte er nur so leichtsinnig und so naiv sein können? Es musste ihm etwas einfallen, wie er sich aus dieser unangenehmen Lage befreien konnte. Und zwar rasch.

Mit Erstaunen stellte er fest, dass seine Haustür nicht abgesperrt war. Er betrat die Halle und rief nach Kermin. Doch niemand erschien. Wo sollte er Lord Aberfield empfangen? Missmutig öffnete er die Tür zum Empfangszimmer. Er mochte diesen Raum nicht, er sah so leer aus. Vielleicht hätte er doch nicht alle Möbel verkaufen sollen. Dann betrat Richard den Salon und blieb verblüfft stehen. Im breiten Lehnstuhl, dicht neben dem Kamin, in dem ein Feuer brannte, saß eine Frau, in tiefes Schwarz gehüllt. Er hatte sie noch nie im Leben gesehen. Sie schlief. Unsanft rüttelte er sie an der Schulter. »Wer zum Teufel sind Sie?«, schrie er sie an.

Catharine erwachte erschrocken und konnte sich im Moment nicht daran erinnern, wo sie sich befand. »Je suis Catharine de la Falaise«, murmelte sie, sich verwirrt die Augen reibend. Sie sah das leere Zimmer, in dem sie sich befand, und erinnerte sich wieder. Das war Viscount Willowbys Haus, und der junge Mann, der sie eben so unsanft geweckt hatte, musste Richard Willowby sein. Dieser war aus dem Zimmer gestürzt und blieb nun mitten in der Halle stehen. »Kermin!«, brüllte er aus Leibeskräften. »Wer hat diesen französischen Kohlensack in meinem Salon abgeladen?«

Catharine verstand diese Anspielung auf ihre schwarze Kleidung sofort. Dass er sie einen Kohlensack nannte, wollte sie nicht unwidersprochen hinnehmen. Sie beschloss, aufzustehen und ihm in die Halle zu folgen. Zu ihrem Erstaunen wurde eben die Haustür ein zweites Mal geöffnet, und eine Stimme, die noch viel lauter brüllen konnte, war deutlich zu vernehmen: »Habe ich Sie also, Willowby! Denken Sie, ich lasse Sie so einfach entwischen? Sie kommen jetzt mit mir und werden sich in angemessener Form bei Constance entschuldigen. Und dann wird geheiratet. Ob Sie wollen oder nicht.«

»Ich sagte Ihnen bereits, dass ich Constance nicht heiraten kann«, erwiderte Richard störrisch und hoffte, es würde ihm endlich ein plausibler Grund einfallen. Da erschien Catharine im Türrahmen. Aberfield starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Wer ist das?«, wollte er wissen. Catharine wirkte gespenstisch in ihrem schwarzen Kleid, mit den bleichen Wangen. Hinter ihr der kahle Hintergrund des Empfangszimmers. Da hatte Willowby die rettende Idee. Die Französin würde ihn ohnehin nicht verstehen. Also bestand keine Gefahr, dass sie seine Lügen aufdeckte. »Darf ich Ihnen meine Verlobte vorstellen, Sir«, sagte er, sichtlich erfreut, einen Ausweg aus seinem Dilemma gefunden zu haben. Mit diesen Worten trat er näher an die fremde schwarze Frau heran.

Aberfield war sichtlich aus der Fassung gebracht. »Ihre Verlobte, Willowby!«, brüllte er. »Einen schönen Bräutigam haben Sie da, Miss. Eben habe ich ihn in flagranti erwischt. Mit meiner Tochter. Halb nackt!«

Catharine blickte von einem zum anderen. Dieser Abend schien voller Überraschungen zu sein. Zuerst dieses seltsame leere Haus, dann dieses ungewöhnliche Schauspiel. Der dicke Mann mit den ungehobelten Manieren war ihr vom ersten Augenblick an unsympathisch. Vielleicht war das eine Gelegenheit, sich Hettys Bruder gewogen zu machen, wenn sie sein Spiel mitspielte. Offensichtlich war er eben dabei, eine Verlobung mit ihr vorzutäuschen, um einer anderen Verbindung zu entgehen. »Meine Verlobte spricht nur Französisch«, meldete sich nun Richard Willowby zu Wort. Insgeheim hoffte er, der Earl würde nicht bemerken, dass er selbst kein Wort Französisch sprach. Sicher würde er sonst die Verlobung anzweifeln.

»Aber nein, lass nur, mon chérie«, meldete sich die Fremde zu seiner Überraschung mit deutlich französischem Akzent zu Wort. »Würdest du mir den Herrn vorstellen, der so wild in dein Haus eindrang. Ich bin so erschrocken, mon Dieu.«

Richard warf ihr einen überraschten Blick zu. Sie hatte ihn also verstanden und sich entschlossen, die Rolle, die er ihr zugedacht hatte, zu spielen. Wer sie wohl sein mochte? Doch wer immer sie war, sie schickte der Himmel. »Oh, entschuldige, mein Schatz«, sagte er betont liebevoll, »das ist Seine Lordschaft, der Earl of Aberfield. Und das, Sir, ist meine Verlobte Catharina …«, er stockte. Er hatte den Namen vergessen, den sie ihm genannt hatte. Catharine fiel ihm ins Wort. »Ich mag es nicht, wenn du mich Catharina nennst«, sagte sie scheinbar beleidigt, »Catharine de la Falaise. Catharine. Mit ›e‹ am Ende, nicht mit ›a‹.«

Richard lachte. »Natürlich, meine Liebe. Catharine de la Falaise.« Seine Lordschaft verbeugte sich notgedrungen.

»Sie haben meinen Verlobten mit Ihrer Tochter erwischt?«, erkundigte sich Catharine interessiert. »Wer von beiden war halb nackt? Richard oder Ihre Tochter?«

»Meine Tochter!«, rief der Earl empört.

»Oh, Sir, was für ein schlimmes Mädchen. Sie haben mein vollstes Mitgefühl.«

Richard ließ einen amüsierten Laut hören, doch der Earl war von dieser Bemerkung gar nicht angetan. »Ich glaube nicht an diese Verlobung!«, brüllte er. »Irgendetwas ist faul. Ich habe Sie noch nie gesehen. Habe noch nie von einer Familie de la Falaise gehört. Alles Schwindel.«

»Sie sehen doch, dass meine Verlobte in Trauer ist. Natürlich geht sie nicht in Gesellschaft …«, begann Richard zu erklären.

»Papperlapapp!«, unterbrach ihn der Earl. »Aber wir werden ja sehen, wer hier die Wahrheit spricht. Wenn Sie in drei Tagen nicht mit dieser Französin verheiratet sind, dann werden Sie Constance heiraten. Oder ich mache Sie fertig, Willowby. Das können Sie mir glauben. Ich schaffe das. Und ich schaffe es, dass Ihr Vater Sie enterbt und dass Sie nicht einmal das wenige bekommen, das seine Spielerei, das Saufen und die Weiber übrig gelassen haben!«

Richard glaubte ihm aufs Wort.

»Schicken Sie mir eine Nachricht, wo die Trauung stattfinden wird. Ich werde dabei sein.« Mit diesen Worten verbeugte sich der Earl of Aberfield knapp vor Catharine, drückte den Hut auf sein spärliches Haar und schritt zur Tür.

Richard verriegelte von innen, nachdem der Earl das Haus verlassen hatte. Dann wandte er sich an seine fremde Besucherin und sagte mit strahlendem Lächeln: »Sie haben mir sehr geholfen, Madam. Wenn ich auch keine Ahnung habe, wer Sie sind. Heißen Sie wirklich so, wie Sie gesagt haben?«

Catharine nickte.

»Sie sind Französin?«

»Nein, ich bin Engländerin. Ich war mit einem Franzosen verheiratet.«

Richard hatte eine rasche Auffassungsgabe. »War?«, fragte er. »Darum die Trauerkleidung?«

Catharine nickte.

»Wie lange müssen Sie die noch tragen? Sieht nicht gerade vorteilhaft aus, müssen Sie wissen.«

Sie staunte über seine Offenheit. Wie kam dieser fremde Mann dazu, so mit ihr zu sprechen? Und doch fiel es ihr schwer, ihm böse zu sein. Er hatte denselben leichtfertigen Charme, der auch Hetty auszeichnete.

»Noch einen Tag«, sagte sie. »Dann ist das Trauerjahr vorüber.«

»Na, Gott sei Dank. Sie werden froh sein, nehme ich an. Übrigens, ich bin Richard Willowby«, fügte er hinzu, als ihm eingefallen war, dass er versäumt hatte, sich vorzustellen.

»Das habe ich mir gedacht«, erwiderte Catharine und musterte ihn von der Seite. Er sah gut aus. Dieselben blauen Augen wie seine Schwester. Dichte blonde Locken, vereinzelte graue Strähnen durchzogen das Haar an den Schläfen.

Mit weit ausholender Geste führte er sie in den Salon zurück. »Wenn Sie mir jetzt bitte sagen würden, wie Sie in mein Haus kommen.« Sie nahm wieder in dem Lehnstuhl Platz, während er zum Kamin eilte, um seine Hände am Feuer zu wärmen.

»Ich kam mit Hetty«, erklärte sie.

»Mit Hetty, meiner Schwägerin«, erkundigte sich Richard, »oder mit Hetty, meiner Schwester?«

»Mit Ihrer Schwester Hetty. Sie ist mit Ihrem Diener im oberen Geschoss.«

»Hetty sollte in Brighton sein. Was zum Teufel hat Sie veranlasst, sie nach London zu bringen? Noch dazu in mein Haus? Ich habe keine Ahnung, was ich mit einem halbwüchsigen Mädchen anfangen soll.«

»Hetty ist achtzehn. Es ist höchste Zeit, dass sie in die Gesellschaft eingeführt wird«, entgegnete Catharine ungehalten.

»Von mir?«, rief Richard aus. »Ich bin völlig ungeeignet, meine Schwester in die Gesellschaft einzuführen. Ich habe weder eine passende Anstandsdame für sie noch die nötigen Mittel. Ich habe zwar am Spieltisch etwas Glück gehabt in letzter Zeit, doch ich denke nicht daran, dieses sauer verdiente Geld an Putz und Kleider für Hetty zu verschwenden. Tante Mable soll sie in die Gesellschaft einführen.«

»Tante Mable bekommt einen Herzanfall jedes Mal, wenn sie das Wort Debüt nur hört.«

Richard grinste. »Na, dann kommt sie für diese Aufgabe weniger infrage. Sie hat Hetty also Ihrer Obhut anvertraut?«

Catharine nickte. »Allerdings nur so lange, bis wir in London angelangt sind.«

»Sie sind auch eine Verwandte von uns?«

»Ich bin die Nichte Ihres Onkels Jonathan«, erklärte Catharine. Dann konnte sie ihre Neugierde nicht länger bezähmen: »Was werden Sie wegen Lord Aberfield unternehmen? Werden Sie seine Tochter heiraten?«

»Nie im Leben!«, rief Richard aus. »Sie hat gedacht, mir eine besonders schlaue Falle zu stellen. Aber sie hat sich verrechnet. So leicht lässt sich ein Willowby nicht einfangen.«

»Warum wollte sie Sie denn einfangen?«, fragte Catharine interessiert. »Wenn ich Ihren Worten Glauben schenken darf, kann Reichtum nicht der Grund dafür gewesen sein.«

»Wohl kaum«, grinste Richard. Ridley, ihr erster Mann, hatte ihr sicher eine schöne Summe hinterlassen. »Nein, sie wollte mich, weil ich jung bin, gut aussehend, sportlich, intelligent und außergewöhnlich charmant.«

Catharine war, als hätte sie selten so viel Eigenlob gehört. Dabei war sie von Roger de la Falaise in dieser Hinsicht allerlei gewöhnt gewesen.

»… und eingebildet«, setzte sie seine Aufzählung fort.

»Nicht eingebildet, Madam, ehrlich ist das richtige Wort.« Richard zwinkerte ihr fröhlich zu, und Catharine konnte nicht anders, sie musste zurücklächeln.

»Aber wenn Sie seine Tochter nicht heiraten wollen, wird er seine Drohungen wahr machen. Kann man Ihren Vater wirklich dazu veranlassen, Sie zu enterben?«

Richard nickte. »Dem ist alles zuzutrauen«, sagte er überzeugt.

»Ja, aber welchen Ausweg wollen Sie dann finden?«

Richard blickte sie einige Augenblicke prüfend an, dann verzogen sich seine Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Ich fürchte, wir werden tatsächlich heiraten müssen.«

Catharine traute ihren Ohren nicht. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«, rief sie aus.

Richard wechselte das Thema. »Was werden Sie tun, jetzt, nachdem Sie Hetty zu mir gebracht haben? Haben Sie Verwandte in London?« Catharine schüttelte den Kopf. »Keine, die ich sehen möchte«, sagte sie mit bitterem Tonfall in der Stimme.

»Aha«, meinte Richard. »Was also haben Sie vor?«

Catharine zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht genau. Vielleicht suche ich mir eine Stelle als Gesellschafterin oder als Gouvernante.«

»Eine Stelle als Gesellschafterin oder Gouvernante? Da ist es doch tausendmal besser, mich zu heiraten«, stellte Richard folgerichtig fest »Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, kerngesund und ein angenehmer Zeitgenosse. Wenn ich nicht gerade am Spieltisch verliere, gewinne ich. Und wenn Vater stirbt, was hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten lässt, dann bin ich Viscount. Ich erbe Wild Rose Manor, das ist unser Landsitz nahe Winchester, und ein Haus hier in Londons bester Lage. Ich bin friedlich, umgänglich und verliere selten die Nerven. Madam, Sie werden mich heiraten.«

Catharine hörte diesen seltsamen Antrag zunächst ein wenig überrascht, erwog ihn dann jedoch durchaus ernsthaft. Warum sollte sie ihn eigentlich nicht annehmen? Sie würde ein Mitglied der ersten Londoner Gesellschaft sein. Sie würde endlich die Bälle und Veranstaltungen besuchen, nach denen sie sich als junges Mädchen so gesehnt hatte. War das nicht bei Weitem besser, als sich als Dienstbote in einem fremden Haus zu verdingen? Gut, Richard Willowby war ein Spieler, leichtsinnig, wie es schien, und verantwortungslos. Aber das war Roger auch. Also wusste sie, worauf sie sich einließ. Ihr schien dieser Mr. Willowby aufrichtiger und weniger skrupellos zu sein als Roger. Zudem tat sie ihm mit dieser Heirat einen Gefallen, und er war ihr zu Dank und damit zu freundlichem Verhalten verpflichtet.

»Gut, ich werde Sie heiraten«, stimmte sie zu. Abwehrend hob sie die Hand, als er auf sie zustürzen wollte, um diese freudig zu ergreifen. »Aber nur, wenn Sie auf meine Bedingungen eingehen.«

Richard blieb stehen. Was sie wohl von ihm verlangte? Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie seine Notlage missbrauchen würde, um sich dadurch schwerwiegende Vorteile zu verschaffen.

»Erstens: Wir führen Hetty in die Gesellschaft ein.«

Richard grinste. In diesem Punkt wäre ihm ohnehin nichts anderes übrig geblieben. Er kannte seine Schwester nicht sehr gut. Doch sicherlich besaß auch sie die für die Familie Willowby typische Hartnäckigkeit. »Abgemacht!«, sagte er daher, ohne zu zögern.

»Ich darf in diesem Haus frei schalten und walten.«

Richard nickte. »Da ich ohnehin selten daheim bin, ist mir das nur recht. Einzige Einschränkung: Kermin muss unter allen Umständen bleiben. Er ist der beste Diener, den ich mir wünschen kann. Ich will nicht auf ihn verzichten.«

»Aber natürlich nicht«, stimmte Catharine zu. »Und dann brauche ich finanzielle Mittel, um Hetty und mich gesellschaftsfähig zu machen und den Haushalt zu führen.«

Richard schluckte. Geld war knapp, und das wenige, was er hatte, konnte er für sich selbst gut gebrauchen. Doch schließlich wollte er auch nicht, dass seine Frau in diesen unansehnlichen schwarzen Kleidern herumlief. »In den nächsten Tagen kommt Edward Steanton«, begann er, und seine weiteren Worte kosteten ihn erhebliche Überwindung. »Ich habe ihm vor einigen Tagen eine beachtliche Summe abgewonnen. Die Hälfte davon trug er bar bei sich, über die andere Hälfte hat er mir einen Schuldschein ausgestellt. Er kommt in den nächsten Tagen mit einem Scheck vorbei. Dieser steht Ihnen zur Verfügung.«

Catharine schenkte ihm ein warmes Lächeln. Sie ahnte, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen war.

»Ich erwarte mein Erbe aus Frankreich im Laufe dieses Jahres. Ich bin bereit, Ihnen all das zurückzuerstatten, was Sie für mich auslegen. Ich verspreche Ihnen, genau Buch zu führen. Dafür müssen Sie mir versprechen, einer Scheidung zuzustimmen, sobald ich mein Geld erhalten habe und ich es wünsche. Ich möchte frei sein, um mich dort niederzulassen, wo es mir gefällt.«

Dieser Gedanke gefiel Richard außerordentlich gut. »Was für eine glänzende Idee. Wissen Sie, ich wollte nie heiraten. Fairerweise möchte ich Sie jedoch daran erinnern, dass eine Scheidung erhebliche Nachteile mit sich bringt Ich kann damit leben, von der vornehmen Gesellschaft geschnitten zu werden. Aber können Sie das auch?«

»Vielleicht bleibe ich gar nicht in England, sondern gehe nach Frankreich zurück. Vielleicht ziehe ich aufs Land, wo mich keiner kennt. Vielleicht möchte ich mich aber auch gar nicht scheiden lassen. Ich wünsche nur, dass mir diese Möglichkeit offensteht, wenn es so weit ist.«

»Na, mir soll es recht sein«, erklärte Richard. Er hatte keine Lust, sich mit dem Thema Scheidung auseinanderzusetzen, noch bevor er verheiratet war. Und wer wusste schon, wann das Geld aus Frankreich wirklich kam. »Noch eine weitere Bedingung?«

Catharine errötete leicht und blickte zu Boden. »Meine letzte Bedingung ist …«, sagte sie und stockte, nach den richtigen Worten suchend, »die letzte Bedingung ist, dass … dass Sie mir nicht zu nahe kommen. Dass Sie nicht versuchen, mich zu küssen. Und dass wir die Ehe nicht vollziehen.«

Richard blickte auf die magere, blasse Gestalt, die in unförmigem, schwerem schwarzem Umhang vor ihm stand, ihre Haare unter einem unkleidsamen Schleier verborgen. Er lachte fröhlich auf. »Das verspreche ich Ihnen gerne. Wenn das alles war, möchte ich jetzt nachsehen, wo Kermin bleibt. Ich habe einen Riesenhunger.«

Energisch zog er an dem bestickten Klingelstrang, der an der leeren Wand hing. »Aberfield hat mich aus dem Haus gejagt, bevor das Dinner serviert wurde. Er hat einfach kein Benehmen«, grinste er.

Die Tür ging auf, und Kermin erschien. Hetty Willowby folgte ihm auf dem Fuße. »Richard!«, rief sie aus und fiel ihrem Bruder um den Hals. »Freust du dich, mich zu sehen? Ich habe gerade mein altes Zimmer für mich hergerichtet. Und Catharine soll in Mamas Zimmer schlafen. Du hast doch sicher nichts dagegen.« Sie ließ ihren Bruder los und deutete auf ihre Begleiterin: »Habt ihr euch bereits bekannt gemacht? Catharine, das ist mein Bruder Richard. Richard, das ist …«

»Du brauchst uns nicht mehr vorzustellen, liebste Schwester«, wandte Richard ein. »Natürlich kenne ich Catharine. Du sprichst von meiner zukünftigen Frau.«

Hetty hielt die Luft an und blickte überrascht von einem zum anderen. Kermin ließ einen fassungslosen Pfiff hören.

»Das ist aber eine gute Idee!«, rief Hetty, als sie sich wieder gefangen hatte. »Wenn ihr heiratet, kann Catharine bei uns bleiben und mich in die Gesellschaft einführen.« Sie wandte sich an Catharine: »Habe ich es dir nicht gesagt: Richard ist noch viel trickreicher als ich. Ohne Schwierigkeiten hat er eine Lösung für all unsere Probleme gefunden.«

Der so Gelobte lachte erheitert auf. »Danke für dein Vertrauen, Schwester. Ich fühle mich geehrt. Doch jetzt, Kermin, brauche ich dringend etwas zu essen. Ich falle um vor Hunger.«

Der Diener erwachte aus seiner Versunkenheit. »Ich dachte, Sie würden bei Lady Ridley dinieren«, wandte er ein.

»Habe ich aber nicht«, erklärte Richard. »Ihr Vater hat mich hinausgeworfen, bevor wir uns zu Tisch begeben konnten. Also bringe alles, was du in der Küche auftreiben kannst.«

»Das wird nicht viel sein«, antwortete der Diener düster und machte sich auf den Weg in das untere Stockwerk, wo die Küche lag.

Hetty wandte sich ungeduldig ihrem Bruder zu. »Wann werdet ihr heiraten?«, wollte sie wissen. »Wird es eine große Hochzeit? Darf ich deine Brautjungfer sein, Catharine? Ach, ich finde das alles so aufregend.«

»Kein Grund, aus dem Häuschen zu geraten«, antwortete ihr Bruder. »Wir heiraten übermorgen. Und es wird keine große Feier sein. Erstens ist es zu spät, um Einladungen zu verschicken, und zweitens wäre es schade um das viele Geld.« Catharine zuckte zusammen. Sie musste sich wohl erst an die freimütige Art ihres zukünftigen Gatten gewöhnen.

»Übermorgen schon!«, rief Hetty aus. »Aber geht denn das überhaupt? Kann man so schnell heiraten? Da braucht man doch eine Sonderlizenz, oder?«

Catharine und Richard starrten sich an. Daran hatten beide nicht gedacht. Doch Hetty hatte ohne Zweifel recht.

»Verdammt!«, rief Richard aus. »Wo bekommen wir nur so ein Papier her? Wir müssten jemanden kennen, der einen guten Kontakt zum Bischof hat. Ob ich zu Cristlemaine gehen soll?«

»Du meinst, Cousin Max kennt den Bischof?«, erkundigte sich seine Schwester überrascht.

»Cousin Max kennt ganz London«, entgegnete ihr Bruder. »Doch ich will ihn nicht besuchen, wenn es nicht unbedingt sein muss. George hat ihn im Kampf um Großmutters Erbe ausgestochen. Sicher ist er wütend auf ihn. Und seine Wut wird sich auf alle Willowbys erstrecken. Ich habe nicht die geringste Lust, mir eine seiner arroganten Abfuhren zu holen.«

Catharine hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört. Sie dachte an ihren Bruder. Henry kannte den Bischof, da war sie sich sicher. Henry war ein Herzog, sein Einfluss war nicht zu unterschätzen. Sie würde ihren Bruder aufsuchen, entschied sie mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend. Je früher, desto besser. Wenn sie in London blieb, dann war es unvermeidlich, dass sie sich wiedersahen. Und das erste Treffen sollte besser unter vier Augen stattfinden als auf gesellschaftlichem Parkett.

»Ich denke, ich kann eine Lizenz besorgen«, sagte sie schließlich. Es war typisch für die Geschwister Willowby, dass sie sich keine Gedanken darüber machten, wie Catharine, die eben erst aus Frankreich gekommen war und in London kaum jemanden kannte, zu einer Speziallizenz kommen sollte. Für sie war allein wichtig, dass ein unangenehmes Problem ohne Aufwand gelöst worden war.

»Fein!«, sagte ihr zukünftiger Ehemann. »Dann lasst uns jetzt zu Kermin in die Küche gehen.«

Hochzeit in St. George

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