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Australien, 2008

Am anderen Ende der Welt war Marc Harper im Vergleich zu Anne Catherine Marsden im Paradies aufgewachsen. Sprichwörtlich. Als erstgeborener Sohn von Marcus Harper, Inhaber der Harper Mining Company, und dessen Frau Ivy, einem ehemaligen Model, hatte er nicht nur ein millionenschweres Erbe zu erwarten, sondern wurde in allem gefördert, was ihm Spaß machte. In erster Linie waren das Surfen und Polo spielen.

Sport und Freizeit bestimmten seine Kindheit und Jugend und machten aus dem hochgewachsenen Jungen einen durchtrainierten Sonnenschein, dem in Sydneys bester Gesellschaft alle Türen offen standen. Die erste Kollision mit dem wirklichen Leben hatte Marc erst mit einundzwanzig Jahren, als seine Mutter unerwartet starb.

Die Polizei stellte eine Überdosis Kokain als Todesursache fest. Augenscheinlich ein Versehen, denn die Kokainreste auf dem Nachtschränkchen waren von erstaunlicher Reinheit gewesen, und den ebenfalls anwesenden Golflehrer hatte das gleiche Schicksal ereilt.

Ein philippinisches Zimmermädchen hatte zeitgleich die New South Wales Police Force und die Presse verständigt, weshalb am folgenden Tag Fotos von Marcs toter Mutter neben dem ebenfalls toten Golflehrer der Boulevardpresse ein dickes Umsatzplus bescherten – und Marcs Familie einen handfesten Skandal.

Die Ehe der Eltern war bereits vor Jahren am absoluten Tiefpunkt angelangt. Aber man hatte sich arrangiert. Eine Scheidung wäre für Marcus Harper teuer geworden, zudem war Violet, das Nesthäkchen, erst zwölf, so dass man sich entschieden hatte, eine »Familie« zu bleiben.

Marc hatte nichts von den Affären und Drogenproblemen seiner Mutter geahnt. Sicher, ihm war aufgefallen, dass sich seine Eltern bestmöglich aus dem Weg gingen und nur bei Veranstaltungen gemeinsam auftraten, aber so war es schon immer gewesen. Dad arbeitete ständig, und Mum war oft unterwegs mit Freunden. Eigentlich war er selbst viel zu beschäftigt mit seinem eigenen Leben, als dass er sich Gedanken um die Eltern gemacht hätte.

Der Tod seiner Mutter erschütterte ihn zutiefst. Einerseits traf ihr Verlust ihn hart, andererseits nagte das schlechte Gewissen an ihm. Wie hatte er nicht bemerken können, dass sie Drogen nahm? Wahrscheinlich war sie unglücklich gewesen, vielleicht verzweifelt. Wem hatte sie von ihren Sorgen erzählt? Er war jedenfalls nicht für sie da gewesen, und jetzt war es zu spät. Marc Harper hatte keine Mutter mehr.

»Ich verstehe nicht, wie du so schnell wieder zum Tagesgeschäft übergehen kannst, Dad!«

Am Tag nach der Beerdigung erschien Marc wütend im Büro seines Vaters im Harper Tower, unangemeldet.

Marcus Harper saß hinter seinem Schreibtisch. Er nahm die Lesebrille ab und ließ den Blick langsam über seinen Sohn gleiten. Dieser trug Polokleidung, schmutzige Stiefel und hielt eine Reitgerte in der Hand. Dann setzte er die Brille wieder auf und sagte, während er einen Brief unterschrieb: »Du siehst selbst auch nicht gerade aus wie der trauernde Sohn. Bist du hierher geritten?«

»Zum Teufel, nein! Kannst du mich nicht wenigstens ansehen, wenn du mit mir sprichst?«

»Nicht, wenn du weiterhin darauf bestehst zu fluchen.«

»Ist doch egal. Wir stehen sowieso vor ganz Australien da wie eine Bande Asozialer. Da macht es keinen Unterschied, wie ich spreche.«

Jetzt legte Marcus seine Brille ab, erhob sich und drückte auf ein Wandpanel, welches lautlos zur Seite glitt und den Blick auf eine gut sortierte Bar freigab.

»Whisky?«

Marc ließ sich in einen schwarzen Ledersessel fallen, der so breit war wie eine kleine Couch, und zuckte die Schultern. »Sicher. Wenn du meinst, dass das hilft.«

»Das bezweifle ich. Aber es betäubt wenigstens etwas.« Marcus goss für beide ein und setzte sich in den zweiten Sessel, bevor er Marc ein Glas reichte.

»Du hast es gewusst, oder?«

»Was?«

»Dass sie dich betrügt. Dass sie es mit dem Golflehrer treibt.«

»Du sprichst von deiner Mutter, Junge. Bitte etwas mehr Respekt.«

Marc schnaubte verächtlich. »Er war nur drei Jahre älter als ich. Sie haben sich zusammen Drogen durch die Nase gezogen. Wie könnte ich da noch Respekt haben?«

»Weil sie deine Mutter war. Sie hat dich jeden Abend ins Bett gebracht und dir eine Geschichte vorgelesen, als du klein warst. Sie war immer für dich da und hat dich in allem unterstützt. Sie war dir und Violet eine gute Mutter, und egal, was sie getan hat, du schuldest ihr Respekt!« Marcus’ Stimme war lauter geworden, aber nun nahm er einen Schluck aus seinem Glas und bemühte sich um Beherrschung.

Auch Marc nippte am Whisky. Er brannte auf den Lippen.

»Entschuldige.«

»Ist schon gut. Es ist alles sehr schwierig momentan, ich weiß.«

»Wann werden die Reporter abhauen?«

»Stehen sie immer noch unten?«

Marc nickte. »Und zu Hause vor dem Tor. Und vor Violets Schule, vor dem College und vor dem Polo Club. Sie sind überall.«

»Was für ein Albtraum. Aber es wird nicht mehr lange dauern. Sobald sie die nächste Schlagzeile haben, werden sie sich nicht mehr für uns interessieren.«

»Ich hasse die Presse!«

»Ich weiß. Ich auch.«

Eine Weile schwiegen sie gemeinsam.

»Violet möchte auf ein Internat in der Schweiz gehen«, sagte Marc schließlich.

»Ja. Sie hat es mir gestern gesagt.«

»Wirst du es ihr erlauben?«

Marcus sah müde aus. Er lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. »Wieso nicht? Wenn es ihr hilft, all das zu verarbeiten.«

»Weißt du, ich könnte auch nach Europa gehen. Dann wäre es leichter, ab und zu nach ihr zu sehen.«

»Warum sagst du mir nicht einfach, was du willst, Marc? Du warst noch nie jemand, der um den heißen Brei herumredet.«

»Ich will auch weg von hier. Weit weg. Für lange Zeit.«

»Also gut.« Marcus schien zu überlegen. »Du könntest in England eine Universität besuchen und nach deinem Abschluss unsere Niederlassung in London leiten. Falls du willst. Aber ich erwarte, dass du eines Tages hierher zurückkommst, um die Gesamtleitung des Konzerns zu übernehmen.«

»Und wenn ich etwas anderes machen möchte?«

»Das sind die Bedingungen, zu denen ich dich weiterhin unterstütze und die dir in Europa ein sorgenfreies Leben ermöglichen werden. Mir ist klar, dass du wegwillst – ich würde auch am liebsten untertauchen, aber das kann ich nicht, ich habe Pflichten. Und von dir erwarte ich ebenfalls, dass du etwas Sinnvolles mit deiner Zeit anfängst. Du wirst studieren und danach arbeiten und später einmal Harper Mining übernehmen. Du bist mein einziger Sohn.«

»Und Violet darf in die Schweiz gehen?«

»Ja.« Marcus stand auf und streckte ihm die Hand hin. Nach kurzem Zögern schlug Marc ein. Dann umarmten sie sich.

»Es tut mir unendlich leid, dass ihr Kinder das miterleben müsst«, flüsterte Marcus. »Aber unsere Familie wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Wir sind Harpers, wir schaffen alles.«

Zwei Wochen später flogen Marc und Violet First Class nach Frankfurt, wo sie sich unter Tränen voneinander verabschiedeten und vereinbarten, sich monatlich zu treffen. Dann stieg Violet in das Flugzeug nach Zürich und Marc in das nach London, und beide waren erleichtert, in die Anonymität eines neuen Kontinents einzutauchen und Australien für lange Zeit hinter sich zu lassen.

Inner Circle - Wie Feuer im Regen

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