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WELCHE ORTE SOLLTE MAN UNBEDINGT BESUCHEN?

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DAS IST eine Frage des Anspruchs: Sind Sie ein lebensfroher Tourist, dann ist Tel Aviv mit seinen Restaurants, Bars und Clubs die erste Adresse. Als Pilger werden Sie möglichst viele heilige Stätten besuchen, als Kulturreisender Museen, Ausgrabungen oder auch die Oper in Tel Aviv. Als politisch Interessierter werden Sie möglicherweise Kibbuzim, den Golan oder das Westjordanland besuchen. Dann werden Sie die Mauer zwischen Israel und Palästina entlangwandern und in Betlehem Hunderte Graffiti sehen, die auf die Situation der Araber in den besetzten Gebieten aufmerksam machen. Darunter finden sich auch einige Arbeiten des britischen Streetart-Künstlers Banksy, dessen Identität noch immer ungeklärt ist. Wenn Sie Orte wie Nablus oder Ramallah besuchen, werden Sie dort hören, wie schwierig das Leben hinter der 2002 errichteten Mauer geworden ist. Aber kaum jemand wird Ihnen erzählen, dass sich durch den Mauerbau die Zahl der arabischen Selbstmordattentate in Israel erheblich reduziert hat.

Als jemand, der das Land seit 1977 mehrfach im Jahr als Journalist, Buchautor und Reiseleiter bereist, rate ich Ihnen: Versuchen Sie nicht, nur Ihre eigene politische oder religiöse Kultur wiederzufinden. Das ist ohnedies nur schwer möglich, denn die einzelnen historischen Stätten, deren Geschichte und die dazugehörigen Religionen sind eng miteinander verwoben. Einige Beispiele: Man kann den Felsendom, der an die Nachtreise des Propheten Mohammed erinnert (Sure 17), nur verstehen, wenn man weiß, dass sich im siebten Jahrhundert mit dem Judentum und dem Christentum bereits zwei monotheistische Religionen in der Stadt etabliert hatten, die der junge Islam überwinden wollte. Oder: Man kann in der Paternoster-Kirche am Ölberg die Anrede Gottes als „Vater unser“ nur dann in ihrer ganzen Dimension wertschätzen, wenn man weiß, dass Juden aus Ehrfurcht den Namen Gottes nicht einmal aussprachen. Auch Betlehem ist nicht nur der Geburtsort Jesu, sondern auch jener von König David. Die direkte Abstammung Jesu aus dem Geschlecht Davids war wiederum die Voraussetzung dafür, dass er überhaupt der Messias sein konnte.

Es gilt, immer und überall überraschende Entdeckungen zu machen. Die Kuppel der in den 1960er-Jahren fertiggestellten katholischen Verkündigungskirche in Nazareth wurde beispielsweise nach jüdisch-kabbalistischen Grundsätzen errichtet. Das Land der Bibel ist also weder kulturell noch religiös eindimensional.

Zu den Orten, die man unbedingt gesehen haben muss, gehören die heiligsten Stätten der drei monotheistischen Religionen: die Westmauer (auch: Klagemauer), die Geburtskirche, die Grabeskirche und der Felsendom samt Al-Aqsa-Moschee. Die Westmauer ist Tag und Nacht zugänglich. Dort kann man auch – ausgenommen am Schabbat – immer fotografieren. Am besten besucht man diese westliche Begrenzungsmauer des herodianischen Tempels am Montag- oder Donnerstagvormittag, wenn 13-jährige Juden im Rahmen einer Bar Mitzwa ihre religiöse Großjährigkeit feiern. Sie können dort tolle Fotos machen.

Die islamischen Heiligtümer sind von Sonntag bis Donnerstag (meist zwischen 7 und 11 Uhr und 12.30 bis 13.30 Uhr) geöffnet. Das Betreten der Moscheen ist nach einer muslimischen Verordnung aus „Sicherheitsgründen“ verboten. Der Felsendom mit seiner achteckigen Architektur, seiner vergoldeten Kuppel und seinen wunderbaren Fayence-Fliesen ist es aber wert, aus der Nähe betrachtet zu werden. Um überhaupt auf den Tempelplatz zu gelangen, muss man Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen, bei denen den Besuchern Bibeln oder Kreuze ebenso abgenommen werden wie Alkohol oder Computer-Tablets. Muslimische Wächter achten streng darauf, dass Frauen „züchtig“ gekleidet sind.

Ein Tipp: Sollten Sie den Tempelplatz aus irgendwelchen Gründen nicht besuchen können, dann gehen Sie in das „Jewish Quarter Café“ in der Tiferet Israel Straße im jüdischen Viertel, der Eingang befindet sich beim „Burnt House“. Dort gehen Sie am besten in den ersten Stock des Selbstbedienungsrestaurants (ausgezeichnete Küche!). Von dort haben Sie einen wunderbaren Blick auf die Westmauer, die Moscheen und den Ölberg im Hintergrund.

Ein Tipp zur Grabeskirche: Suchen Sie diese in den späten Nachmittagsstunden auf. Dann sind bereits viele Touristen auf dem Weg zurück in ihre Hotels und Sie können auch die besondere Zeremonie verfolgen, wenn Wajeeh Nusseibeh, ein Moslem, die Tür der Grabeskirche nach einem vorgeschriebenen Ritual versperrt. Wenn Sie ein Frühaufsteher sind, dann lohnt sich der Besuch des Gotteshauses, in dem sechs Konfessionen beheimatet sind, an Sonntagen zwischen 5.30 und 8 Uhr. Dann erleben Sie die Kirche beinahe ohne Touristen und liturgisch belebt. Zeitgleich feiern die Griechen, die Franziskaner, auch die Armenier, die Kopten und die Syrer ihre heiligen Messen. Nur die orthodoxen Äthiopier leben und feiern abgesondert am Dach der Kirche. Auf jeden Fall erleben Sie am Heiligen Grab eine kirchliche Vielfalt, die ihre Einheit in Christus sucht. Kritiker sagen freilich, nirgends sei die Zerrissenheit der Christenheit so augenscheinlich wie gerade an diesem Ort.

Ins Programm jedes Israel-Reisenden gehört die Holocaust-Memorialstätte Yad Vashem. Gerade als Österreicher oder Deutscher ist es wichtig, diesen Ort der Erinnerung zu besuchen, um das heutige Israel mit seinen Sicherheitsbedürfnissen besser verstehen zu können. Es geht aber auch darum, anzuerkennen, dass die Shoa nicht nur ein Teil der jüdischen Geschichte, sondern sehr wohl auch einer der mitteleuropäischen ist. In Yad Vashem erfährt man, was in den Schulen hierzulande lange Zeit verschwiegen wurde: die Dimension und die Brutalität der Judenverfolgung. Man sollte das Museum, die „Allee der Gerechten“, das Kindermemorial und die Halle mit der ewigen Flamme sehen. Auch ein Blick in die modern gestaltete Synagoge lohnt sich. Für Kinder unter 15 Jahren ist der Besuch allerdings nicht empfehlenswert.

Sehenswert ist das Israel-Museum in Jerusalem. Im Freigelände befindet sich ein Modell der Stadt zur Zeit Jesu im Maßstab 1:50. In der Nähe ist der „Schrein des Buches“, in dem die Rollen von Qumran gezeigt werden. Dort bekommen Sie einen guten Einblick in das Leben der Essener-Gemeinde. Vorbei am Skulpturengarten – dort stehen Werke von Auguste Rodin – sollte man sich auch Zeit für das Hauptgebäude des Museums nehmen. Dort ist vor allem die archäologische Abteilung (Unterabteilung Zeitenwende) sehenswert. Schon die Präsentation der Exponate – ganz ohne Schutzglas – fällt positiv auf. Dort sind der Sarkophag von Herodes dem Großen, Zöpfe und Sandalen eines Mädchens aus Masada und ein Ossuarium, das die Knochen von Joseph bar Kajaphas beinhaltet hat, ausgestellt. Kajaphas war der Hohepriester und jüdische Ankläger im Prozess gegen Jesus. Damit werden biblische Ereignisse unmittelbar erlebbar. Neben dem Ossuarium liegt ein 11,8 Zentimeter langer Nagel aus der Zeit Jesu. Er ist der einzige archäologische Beweis für Kreuzigung durch Annagelung. Wenn man vor diesem Exponat steht, kann man ermessen, welche Schmerzen Gekreuzigte bis zum Eintritt ihres Todes erlitten haben.

Reisen hat für viele Menschen auch mit Lebensfreude und Genuss zu tun. Deshalb empfehle ich Ihnen den Markt Mahane Yehuda in der jüdischen Neustadt (leicht mit der Straßenbahn erreichbar). Bei orientalischen Snacks und einem süffigen „Alexander“-Bier bekommen Sie den Kopf frei, sollten Ihnen die archäologischen, politischen und religiösen Informationen zu viel geworden sein. Mahane Yehuda ist ein Ort, an dem man in das Alltagsleben der Israelis eintauchen kann.

Fahren Sie auch ans Tote Meer, das Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser ist einzigartig. Bedenken Sie: „Wildes“ Baden ist zwar nicht verboten, sie werden es aber bitter bereuen, wenn Sie sich nach dem Bad im Salzwasser (ca. 32 Prozent Salzgehalt) nicht mit Süßwasser duschen können. Zudem sei vor Spaziergängen in „closed areas“ gewarnt. Es könnte sich unter Ihren Füßen ein „sink hole“ auftun, eine mehrere Meter tiefe Erdhöhle, die nur oberflächlich von Erde bedeckt ist. Völlig ungefährlich und wunderschön ist hingegen der Besuch des Nationalparks von Ein Gedi. Dort können Sie auf gesicherten Pfaden durch die Judäische Wüste wandern. Dabei werden Sie überrascht sein, wenn Sie inmitten der kahlen Landschaft Wasserfälle sehen, in deren Nähe sich fast immer Klippdachse – ähnlich unseren Murmeltieren – tummeln. Mit ein wenig Glück sieht man auch Steinböcke.

Wer religiös interessiert ist, sollte am See Gennesaret die christlichen heiligen Stätten besuchen: die aus byzantinischer Zeit stammenden Mosaike von Tabgha, die an die Speisung der 4000 beziehungsweise 5000 Menschen erinnern, Kapernaum, das Zentrum jesuanischen Wirkens, und die Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen, die inmitten einer wunderbar gepflegten Gartenanlage liegt. Neben den historischen Stätten sollte man sich auch noch für die Landschaft und die Natur Zeit nehmen. Es empfiehlt sich ein leichter 20-minütiger Spaziergang von den Seligpreisungen hinunter zum See. Dabei kann man ein Gespür dafür entwickeln, wie die Menschen vor 2000 Jahren gelebt haben. Um sich in die Zeit Jesu zurückzuversetzen, ist es zudem hilfreich, Texte aus dem Neuen Testament zu lesen. Gleichnisse wie jenes vom Senfkorn, das in die Erde fällt und tausendfache Frucht bringt, oder jenes vom Schaf, das verloren geht, oder jenes vom Sturm am See ermöglichen es Ihnen, sich der faszinierenden Person Jesus von Nazareth anzunähern.

Ein Ort, der besonders für Österreicher von Bedeutung ist, ist die Küstenstadt Akko, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Der Legende nach sollen hier während des Dritten Kreuzzugs die Nationalfarben Rot-Weiß-Rot entstanden sein. Auch wenn das historisch nicht belegt ist, so ist Akko als die schönste und besterhaltene Kreuzfahrerstadt des gesamten Orients doch einen Besuch wert.

Wenn Sie an Bauhaus-Architektur interessiert sind, dann sind Sie in Tel Aviv richtig. Tel Aviv, „Hügel des Frühlings“, ist eine pulsierende Großstadt, die an London oder Frankfurt erinnert. Es gibt nicht viel zu besichtigen, dafür umso mehr zu erleben, bevorzugt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Sie können am frühen Abend bei einem Bummel durch das pittoreske Jaffa am Hafen einen Aperitif zu sich nehmen, dann in einem der ausgezeichneten, aber auch hochpreisigen Restaurants ein Abendessen genießen und sich schließlich bis in den Morgen in diversen Bars und Clubs vergnügen. Vorausgesetzt, man kann sich das leisten.


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