Читать книгу Unter Verdacht - Der vierte Fall für Mark & Felix - Sören Prescher - Страница 5
MITTWOCH 1
ОглавлениеSeufzend nippte Mark Richter an seinem Kaffee. Es war bereits die zweite Tasse, aber die Müdigkeit hielt sich hartnäckig. Auch die Dusche vorhin hatte nichts daran geändert. Grund dafür war die zurückliegende Nacht, die mal wieder die Hölle gewesen war. So wie die davor. Und die davor.
Offiziell befand er sich in Elternzeit, was von den Kollegen im Präsidium liebevoll als Urlaub bezeichnet wurde. Dabei war das komplette Gegenteil der Fall. Nach den zurückliegenden sechseinhalb Wochen fühlte er sich reif für einen Urlaub. Dabei blieben ihm bloß noch anderthalb Wochen, bevor es wieder zurück an die Arbeit ginge. Wie das dann werden sollte, vermochte er sich noch nicht einmal auszumalen. Nicht grundlos galt Schlafentzug über einen längeren Zeitraum als Foltermethode.
Wobei er zugeben musste, dass es in den vergangenen Tagen besser geworden war. In der Anfangszeit hatte Caro das Baby ausschließlich gestillt, was für Nathalie offenbar dermaßen anstrengend gewesen war, dass sie nach spätestens einer Viertelstunde oft noch während des Nuckelns eingeschlafen war. Viel getrunken hatte sie bis dahin allerdings nicht, weshalb es in der Regel nicht lang dauerte, bis die Kleine vor lauter Hunger erneut schrie. Tagsüber war das anstrengend und zeitaufwendig, nachts wurde es irgendwann zur Qual.
Irgendwann hatte seine Frau genug von dem Affentanz gehabt und angefangen, dem Baby Milchpulver zuzufüttern. Dadurch trank Nathalie deutlich mehr und rascher, legte an Gewicht zu, und Caro war nicht mehr den ganzen Tag mit Stillen beschäftigt. Dennoch wurde die Kleine mindestens zwei-, manchmal dreimal pro Nacht wach und verlangte nach neuer Nahrung. Während Mark zuvor nicht wirklich eine Hilfe gewesen war – zumindest nicht beim Füttern –, war er bei der Zubereitung der Milchfläschchen nun ebenfalls gefragt. Und so war eine bestimmte Grundmüdigkeit zu einer Art ständigem Begleiter geworden, ganz gleich, wie viel oder wenig er in den vergangenen Tagen geschlafen hatte.
Am liebsten wäre er vorhin deshalb einfach im Bett liegen geblieben. Doch einen gewissen Vierbeiner kümmerte es wenig, wie oft der menschliche Nachwuchs in der Nacht schrie. Wenn die Natur rief, musste der Hund einfach Folge leisten. Also hatte sich Mark möglichst leise aus dem Schlafzimmer geschlichen und Felix sein Geschäft im nahe liegenden Stadtpark erledigen lassen. Früher hatte Mark die Gelegenheit für eine Joggingrunde genutzt, heute fehlte ihm dafür schlichtweg die Kraft. Er war froh, als er danach zurück in die Wohnung gehen konnte. Der schneidend kalte Januarwind hatte die Entscheidung zusätzlich erleichtert. Bei diesem Wetter hielt sich jeder lieber drinnen auf.
Mit der Kaffeetasse in der Hand betrat er das Wohnzimmer. Er räumte Spucktücher, eine Spieluhr und eine Gummigiraffe vom Tisch und Fußboden zusammen, bevor er seufzend aufs Sofa sank. Es war noch nicht einmal elf Uhr, und er fühlte sich schon bereit für den Mittagschlaf.
So kräftezehrend die Zeit seit der Geburt gewesen waren, er wollte sie trotzdem nicht missen. Es war eine unbeschreibliche Mischung aus Stolz, Faszination und Aufregung gewesen. Er war von der ersten Minute an Zeuge davon, wie sich ein neues Leben entwickelte. Wie ein Neugeborenes, das anfangs kaum mehr als die Augen öffnen konnte, von Tag zu Tag ein bisschen aktiver wurde. Die Tatsache, dass es Caros und sein Kind war, setzte dem Ganzen natürlich die Krone auf. So abgedroschen es auch klingen mochte, Nathalie war das Produkt ihrer Liebe. Was konnte es Schöneres geben?
Das Klingeln seines Smartphones riss ihn aus den Gedanken. Mark sprang hoch, und Felix neben ihm zuckte zusammen. Sie schauten sich um. Wo hatte er das blöde Ding vorhin hingelegt? Er musste das Handy rasch finden, bevor es Caro und Nathalie aufweckte!
Der Klingelton führte ihn in die Küche, wo er das Gerät neben dem Herd liegen sah. Zeitgleich fiel ihm auch wieder ein, wie er es vorhin dort abgelegt hatte, um für Felix eine Nassfutterdose aufzumachen. Mit einem irritierten Blick auf das Display nahm Mark das Gespräch an.
„Hallo, Olaf, das ist ja mal ’ne Überraschung.“ Dass ihn sein Chef anrief, kam relativ selten vor. Insbesondere wenn sich Mark im Urlaub befand.
„Ich bin gerade zufällig in deiner Gegend. Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?“
„Klar, wann denn?“
„Wie wäre es mit jetzt? Ich stehe praktisch vor deiner Haustür.“
Mark hob die Brauen. „Oo-kay. Ich komm runter. Bis gleich.“
Sein Dienstgruppenleiter legte auf, und Mark starrte unschlüssig auf sein Telefon. Hatte Olaf irgendwie anders geklungen als sonst? Irgendwie leiser und bedrückt? Noch merkwürdiger war, dass sich Olaf zufällig in der Nähe aufhielt. An einem Wochentag, wo er normalerweise in seinem Büro sein sollte. Hatte er ihn in den vergangenen Jahren jemals zu Hause besucht? Mark konnte sich nicht entsinnen.
Nachdenklich zog er sich Jacke und Schuhe an. Er warf einen letzten Blick in Richtung Schlafzimmer, wo nach wie vor alles ruhig zu sein schien. Dann verließ er mit Felix leise die Wohnung.
Der Kriminalhauptkommissar hatte untertrieben. Er befand sich nicht praktisch in der Nähe, sondern lehnte betont lässig am Straßenrand an seinem Dienstwagen, als Mark das Treppenhaus verließ. Es glich einem Wunder, dass er überhaupt einen freien Parkplatz direkt vor der Tür gefunden hatte.
Olaf Brandtrup war ein hochgewachsener Mann mit fliehender Stirn, der mit raschen Schritten auf die Fünfzig zuging und keinen gesteigerten Wert auf sein Erscheinungsbild legte. Heute trug er einen anthrazitfarbenen, für seine hagere Gestalt viel zu weiten Anzug und ein weißes Hemd mit hellbauen Streifen. Am Kragen waren die Ansätze einer wenig modernen Krawatte zu sehen. Es war irgendetwas Dunkelblaues mit gelben Punkten.
Felix bellte zur Begrüßung und schwänzelte vergnügt zwischen Olafs Beinen umher. Dieser lächelte erfreut. „Hallo, Felix, hallo, Mark, schön, euch zu sehen. Sorry noch mal, dass es so kurzfristig ist. Wie läuft es daheim?“
Sie gingen mit gemütlichen Schritten auf den Stadtpark zu. Dem Chef war deutlich anzusehen, dass dies kein reiner Höflichkeitsbesuch war. Er wirkte gehetzt, blass und voller Sorge. Dennoch wollte Mark ihn nicht drängen, sondern gab ihm die Zeit, die er offenbar brauchte.
„Es ist anstrengend, aber auch schön. Nathalie hat ein paar Probleme mit Blähungen und Schluckauf. Das hält uns etwas auf Trab. Genauso wie das Stillen und dergleichen. Hätte nie gedacht, dass ich mir über so was Gedanken mal machen würde.“
„Das gehört alles dazu. Bevor ich Vater wurde, ging mir das genauso. Gerade warst du bloß für dich und deine Frau verantwortlich, und auf einmal sorgst du dich um wunde Babyhintern, kindersichere Wohnzimmermöbel oder ob die Fontanelle vielleicht zu tief eingesunken sein könnte.“
Mark nickte zustimmend. „Früher dachte ich, es würde bloß eine Art Babygeschrei geben. Inzwischen kann ich zwischen drei oder vier verschiedenen Tönen unterscheiden. Es gibt sogar ein Müdigkeitsschreien.“
„Irgendwie müssen sich die Wonneproppen ja äußern. Reden und zeigen können sie ja noch nicht. Kommt aber alles noch. Wenn deine Tochter laufen kann, beginnt die richtig schöne Zeit. Obwohl du ab dann keine ruhige Sekunde mehr hast, weil sie dir überallhin folgt. Sogar zum Klo. Ich will gar nicht wissen, wie oft ich Gespräche durch die Toilettentür geführt habe.“
Einen Moment lang lächelte Olaf gedankenschwer. Er schien diese Erlebnisse zu vermissen und seinen Kollegen um die neuen Erfahrungen zu beneiden. Dennoch konnte er selbst dabei seine sorgenvolle Miene nicht verbergen.
Das beunruhigte Mark mit jedem Herzschlag mehr. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. „Du bist vermutlich nicht bloß vorbeigekommen, weil du Erinnerungen von Vater zu Vater austauschen möchtest, oder?“
Olaf atmete tief und schwer, so als läge ihm ein Zentnergewicht auf der Brust. „Leider nicht.“ Er hielt kurz inne. „Streng genommen weiß ich nicht mal, ob ich dir das überhaupt erzählen darf.“
„Du machst mich nervös. Was ist los?“
Olaf zögerte erneut. „Das ist alles eine ziemlich heikle und vertrackte Situation.“
Diese Andeutung trug ebenfalls nicht dazu bei, dass Mark sich wohler fühlte.
Sein Chef blickte sich unauffällig nach allen Seiten um, bevor er fortfuhr: „Es ist etwas passiert. Dominik ist heute Morgen festgenommen worden. Dringender Tatverdacht.“
Erschrocken riss Mark die Augen auf. Spätestens jetzt war er hellwach. „Das ist ein Scherz, oder?“
„Ich wünschte, es wäre so. Die Informationen sind alle noch ganz frisch, erst wenige Stunden alt. Anscheinend wurden seine Fingerabdrücke an einem Tatort gefunden. Er kannte die Frau und hat zugegeben, dass er sie in den vergangenen Tagen und Wochen verfolgt und beobachtet hat. Dafür gibt es Zeugen. Alles sieht nach einer Affekthandlung aus, nachdem sie ihn bei einem Einbruch in ihre Wohnung ertappt hat.“
„Scheiße. Das kann nicht sein. Das ist ein Irrtum – es muss einer sein.“
Olaf schwieg.
„Wann ist das passiert?“
„Gestern Abend.“
„Wie heißt die Tote?“
„Juliane Gerboth.“
Marks Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus. Er kannte den Namen, obwohl er für Details tief in seinen Erinnerungen kramen musste. Es war schon etliche Monate her, dass er ihn gehört und gelesen hatte. Marks Blick wanderte zu einem imaginären Punkt in der Ferne, während seine Gedanken sich überschlugen und in die Vergangenheit abtauchten.
Er reiste zurück zu Dominiks und seinem ersten Fall im April. Dem Hochzeitsmord. Sie beide waren noch dabei gewesen, sich zu beschnuppern und kennenzulernen. Irgendwann waren Mark die vielen Marotten seines neuen Partners zu viel geworden, und er hatte befürchtet, Dominik könnte die Ermittlungen behindern oder sogar Beweise zurückhalten. Also war er ihm einige Male nach Feierabend vom Präsidium aus in die Nürnberger Südstadt gefolgt, wo Dominik ein unscheinbares Mehrfamilienhaus beobachtet hatte – besser gesagt eine Frau. Juliane Gerboth.
Als Mark ihn daraufhin zur Rede stellte, hatte Dominik ihm verraten, dass er die Frau im Verdacht hatte, für eine geheime Organisation zu arbeiten, die in der nationalen und internationalen Politik die Fäden zog. Später in seiner Wohnung hatte Dominik ihm eine Wand voll Fotos, Berichten und Landkartenausdrucken gezeigt. Auch dort hatte der Name Juliane Gerboth gestanden.
O Gott, die Wand des Wahnsinns, schoss es Mark durch den Kopf. Wenn irgendein Außenstehender die sah, wäre das wahrscheinlich der letzte fehlende Beweis für Dominiks Schuld. Sofern der überhaupt noch vonnöten war.
„Wie ist sie ermordet worden?“
„Erdrosselt. Höchstwahrscheinlich mit einem Schal.“
„Scheiße. Was hat Dominik zu den Anschuldigungen gesagt?“
Olaf seufzte schwer. „Du kennst ihn doch. Er hat natürlich alles abgestritten und sofort behauptet, reingelegt worden zu sein. Dass alles eine weitreichende Verschwörung sei, weil er hinter irgendwelche dunklen Machenschaften gekommen ist. Er habe zu viel darüber herausgefunden, und jetzt wollen sie ihn mundtot machen, um ihn endlich loszuwerden. Das Ganze hört sich an wie ein Spionagethriller von John Le Carré.“
Sie nahmen die Südroute durch den Park, vorbei am Ärztehaus und am Berliner Platz, und schlugen die Richtung des ehemaligen Parkcafés ein, das jetzt als Eventlocation PARKS bekannt war. Ohne es zu merken, hatten sie sich für Marks und Felix’ übliche Joggingstrecke entschieden.
„Wer wird die Ermittlungen leiten?“
„Genau das ist das Problem. Nachdem du in Elternzeit gegangen bist, hatte ich Dominik ja Jan Schuster als vorübergehenden Partner zugeteilt. Eigentlich hätten die beiden den Fall also übernommen. Was jetzt logischerweise vom Tisch ist. Dominik sitzt in U-Haft, und Jan musste ich vom Fall abziehen, weil er als sein Partner zu befangen wäre.
An der Stelle kommst du ins Spiel. Das ist eine ziemlich einmalige Situation. Technisch gesehen bist du ja nicht mehr beziehungsweise vorübergehend nicht Dominiks Partner. Dadurch kann ich dich auch nicht wegen Befangenheit von den Ermittlungen abziehen. Trotzdem kennst du Dominik besser als jeder andere. Ich für meinen Teil traue dir durchaus zu, dass du die Sache objektiv betrachten kannst. Aber das ist meine persönliche Einschätzung. Daher meine ganz direkte Frage: Wenn du daran beteiligt wärst: Könntest du die Ermittlungen unparteiisch und ohne Vorbehalte führen?“
„Selbstverständlich kann ich das“, erwiderte Mark, ohne nachzudenken. Fast hätte er noch hinzugefügt: Schließlich ist Dominik mein Partner. Doch das wäre in dem Fall der falscheste Nachsatz überhaupt gewesen.
„Mir ist bewusst, dass das eine schwierige Situation ist. Aber du weißt ja, dass Dominik bei manchen Kollegen einen etwas schweren Stand hat. Er ist ihnen zu abgedreht. Wenn ich denen die Ermittlungen überlasse, befürchte ich, war es das für ihn. Dann hat Dominik keine Chance mehr. Schon jetzt sieht es nicht besonders gut aus. Die aktuell vorliegenden Beweise sprechen alle gegen ihn.“
„Das muss alles nichts zu bedeuten haben! Ich hab schon viele vermeintlich eindeutige Fälle auf dem Tisch gehabt, bei denen es letztendlich ganz anders gewesen ist.“
„Ich auch. Genau aus dem Grund bin ich heute hier. Wenn einer Dominik aus diesem Schlamassel rausboxen kann, dann du. Du bist ein fähiger Kommissar, einer der besten bei uns. Du schaust genauer hin und bildest dir erst ein Urteil, wenn du sämtliche Fakten kennst. Das haben andere nicht ganz so gut drauf. Aber nur, damit wir uns richtig verstehen: Ich will nicht, dass du hier irgendwelche Indizien ignorierst oder unter den Teppich kehrst. Wenn Dominik den Mord tatsächlich begangen hat, wandert er dafür lebenslang in den Bau. Sollte er unschuldig sein, möchte ich, dass du genau das lückenlos nachweist und den wahren Täter überführst. Daher fragte ich lieber noch mal ganz explizit: Traust du dir das zu? Kannst du hier wirklich unparteiisch sein?“
„Ja, das kann ich.“
„Gut. Dann haben wir jetzt nur noch ein Problem: Offiziell befindest du dich die kommenden anderthalb Wochen noch in Elternzeit. Kannst du die wegen eines dringlichen beruflichen Notfalls aufschieben?“
„Natürlich.“
„Sag das mal nicht so vorschnell. Von der rechtlichen Seite her kriegen wir das schon geregelt. Ich meinte damit eher die andere Seite. Caro. Deine Chefin. Du hast ihr versprochen, dass du sie acht Wochen lang unterstützt. Es dürfte ihr nicht gefallen, wenn du vorzeitig das Feld räumst und sie mit dem Baby allein lässt.“
Das war in der Tat ein wunder Punkt. „Ich kläre das mit ihr.“
„Okay. Ich will nicht, dass bei euch deswegen der Haussegen schiefhängt. Nüchtern betrachtet lässt du sie hängen, um früher wieder arbeiten zu gehen. Das findet nicht jede junge Mutter so prickelnd. Gelinde ausgedrückt. Vor allem in der Anfangszeit.“
„Ich kläre das mit ihr“, versicherte er erneut. „Sie wird das verstehen. Sie kennt und mag Dominik.“
Zumindest hoffte er, dass sie es verstehen würde. Zwar hatten sie sich schon mal darüber unterhalten, wie es nach dem Ende der Elternzeit weitergehen sollte, aber das war alles noch ziemlich unkonkret gewesen, weil sie beide davon ausgegangen waren, dass Mark bis Ende Januar daheimbleiben würde.
Inzwischen lag das PARKS lange hinter ihnen, und sie passierten einen Spielplatz. Felix schnüffelte links und rechts des Weges, hielt sich jedoch immer in ihrer Nähe auf. Der Wind blies ihnen dermaßen eisig ins Gesicht, dass Mark das Gefühl hatte, ihm würden die Ohren und die Nase einfrieren. Er war dankbar für jeden warmen Sonnenstrahl, der ihn traf. Auch Olaf hatte den Kopf eingezogen und hielt die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.
„Gut. Dann kläre das ab und gib mir Bescheid, ab wann du anfangen kannst. Ich bespreche das dann mit der Personalabteilung. Bis zu deiner Rückkehr dürften auch die Berichte der Spurensicherung und der Rechtsmedizin vorliegen. Damit du direkt durchstarten kannst.“
Sie ließen die Spielplätze hinter sich und schritten weiter nach Westen. Unterwegs sprachen sie weiter über den Fall und darüber, dass Dominik bisher einen ziemlich gefassten Eindruck gemacht hatte. Zwar war er separat untergebracht, dennoch würde es vermutlich nicht lang dauern, bis sich unter den anderen Häftlingen herumgesprochen hatte, dass der neueste Zugang ein Polizist war. Was die Situation hinter Gittern sicher nicht vereinfachen würde. Allein deswegen war Eile geboten.
Eine halbe Stunde später kehrten Felix und er in die Wohnung zurück. Als Mark die Tür öffnete, kam ihm Caro mit Nathalie auf dem Arm im Flur entgegen. Seine Frau lächelte und schwenkte das Baby vergnügt durch die Luft. Nathalie gluckste vor Freude.
„Hat euch das Telefon geweckt?“, erkundigte er sich.
„Was glaubst du denn? War es was Wichtiges?“
„Olaf war dran. Er wollte sich mit mir treffen.“
Caro blickte ihn fragend an.
„Ich bin gerade mit ihm unten im Park gewesen. Er hat mir von einer heiklen Sache erzählt.“
Er zögerte, und sie wurde neugieriger. „Von der die Kollegen im Präsidium nichts mitbekommen sollen?“
Mark nickte. „Dominik sitzt in U-Haft. Er wird verdächtigt, eine Frau getötet zu haben.“
Caros Lächeln erstarb. „Wie bitte? Wen? Warum?“
„Viele Einzelheiten kenne ich noch gar nicht. Ich weiß nur, dass er alles abstreitet und behauptet, reingelegt worden zu sein. Olaf hat mich gefragt, ob ich die Ermittlungen übernehmen würde.“
„Was hast du gesagt?“
„Dass ich das mit dir besprechen werde. Eigentlich habe ich ja noch anderthalb Wochen Elternzeit.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist doch jetzt egal. Mit Nathalie komme ich schon klar. Sieh zu, dass du in die Gänge kommst und Dominik da rausboxt!“
Ihre Stimme und ihr Blick waren fordernd und duldeten keine Widerworte. Nichts lag Mark ferner. Ein Stein fiel ihm von Herzen. Gleichzeitig war ihm danach, seine Frau in die Arme zu schließen. Stattdessen drückte er ihr und Nathalie einen dicken Schmatzer auf. „Danke, dass du das mitmachst.“
„Das ist ja wohl klar. Und jetzt leg mal einen Zahn zu. So ein Fall löst sich nicht von alleine!“
Lächelnd eilte er los, um sich zuerst etwas weniger Legeres anzuziehen und anschließend seinen üblichen Krimskrams zusammenzusuchen: Dienstausweis, Handschellen, Stift und Notizbuch. Normalerweise steckten diese Dinge in der Innenseite seines Mantels. Allerdings hatte dieser einige Tage in der Reinigung verbracht – was besonders dem Notizbuch nicht besonders gut bekommen wäre. Daher lagen sie nun stattdessen auf dem Schreibtisch im Kinderzimmer Schrägstich Gästezimmer.
Er schaute sich um und überlegte, ob er etwas übersehen hatte. Seine Dienstwaffe war es jedenfalls nicht. Die hatte Mark vor Antritt der Elternzeit in seinem Spint im Präsidium eingeschlossen. Er war nicht davon ausgegangen, sie in den kommenden acht Wochen zu benötigen. Aber das war nicht die einzige Sache, die er bei der Verabschiedung Ende November für unmöglich gehalten hatte.
Als er in den Flur zurückkehrte, hörte er links und rechts von sich Geräusche. Irritiert schaute er nach und sah Nathalie auf einer Spieldecke im Wohnzimmer liegen und Caro in der Küche hantieren. Er ging zu seiner Frau, der ein weißes Stofftuch über der Schulter hing und die gerade dabei war, Milchpulver in den Portionierer abzufüllen.
„Dauert bestimmt nicht mehr lang, bis sie wieder Hunger hat“, erklärte Caro. „Dann will ich vorbereitet sein. Ich muss ja jetzt alles alleine machen.“
„Äh … Ich kann Olaf auch absagen.“
„Hey, das war ein Scherz. Du gehst jetzt da raus und schaust, was überhaupt los ist. Vielleicht entpuppt sich ja alles als großes Missverständnis. Ist zwar nicht besonders wahrscheinlich, aber man weiß ja nie. Du kannst dich ja zwischendurch mal melden, wenn du was Genaueres weißt.“
„Selbstverständlich. Danke, dass du mich das tun lässt. Du bist eine tolle Frau.“
„Ich weiß. Und jetzt ab mit dir.“
Mark zog sie so plötzlich zu sich heran, dass ein Teil des Milchpulvers neben die bunten Portionierkammern fiel. Darüber beschweren konnte sie sich nicht, weil seine Lippen bereits auf ihren lagen. Er fühlte, wie herrlich weich sie waren, schmeckte ihre Süße. Mark schloss die Augen und genoss den Moment. Der viel zu schnell vorüber war.
Während Caro das weiße Pulver mit der Hand aufkehrte, ging Mark ins Wohnzimmer, um sich von seiner Tochter zu verabschieden und auch ihr einen Kuss aufzudrücken. Er spürte ein kleines Stechen in der Herzgegend, als er mit Felix die Wohnung verließ.