Читать книгу Unter Verdacht - Der vierte Fall für Mark & Felix - Sören Prescher - Страница 8
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ОглавлениеDominik wohnte in einer urigen Dachgeschoss-Altbauwohnung an der Hinteren Marktstraße, die sich im Stadtteil Schweinau befand. Wie schon unzählige Male zuvor suchte sich Mark einen freien Parkplatz in der Nähe und ließ Felix noch einmal kurz austreten, bevor sie das alte Gebäude betraten.
Sie stiegen über abgewetzte Holzstufen und vorbei an mit Kratzern und kleinen Löchern versehenen Wänden hinauf zum fünften Stock. Statt eines Fahrstuhls gab es in diesem Bauwerk bloß einen muffigen Geruch und Nachbarn, die sich scheinbar niemals vor die Tür wagten. Zumindest konnte sich Mark nicht entsinnen, bei einem seiner Besuche hier jemals einen von ihnen getroffen zu haben. Möglicherweise war die Mietskaserne auch komplett verwaist, und die Namen an den Klingelschildern und Postkästen dienten bloß der Irreführung. Ein solches surreales Szenario wäre genau nach Dominiks Geschmack.
Mit Dominiks Notfallschlüssel sperrte er die Wohnung auf und betrat einen finsteren Flur, der sich hervorragend für einen Hinterhalt geeignet hätte. Doch nichts dergleichen passierte. Nach dem Anknipsen des Lichts vergewisserte er sich schnell, dass die Wohnung wirklich leer war. Mark bemerkte auch keine Fallen oder sonstige Hinterhalte, die sich bei einem unerlaubten Betreten der Räume aktiviert hätten. Auch das hätte Dominik und seiner Paranoia ähnlich gesehen.
Mit Felix an seiner Seite ging Mark ins Wohnzimmer. „Fühl dich wie zu Hause“, hatte Dominik bei seinem ersten Besuch hier gesagt. Doch selbst wenn er das gewollt hätte, hätte Mark dieser Einladung heute nicht folgen können.
Auch heute waren es nicht die wuchtige, beinahe historische Schrankwand und der im krassen Gegensatz dazu stehende moderne Flachbildfernseher, denen seine Aufmerksamkeit galt. Oder die beeindruckende Sammlung hochwertiger schottischer Whiskys, von dem eine Flasche und ein kantiges Glas auf dem Beistelltisch standen. Oder das abgewetzte Sofa mit der achtlos zusammengeknüllten Decke und den fleckigen Kissen darauf. Ein kurzer Blick wert war die beachtliche Sammlung an CDs und Vinylplatten neben dem Sofa. Doch deswegen war er nicht hergekommen.
Genau wie bei allen vorherigen Besuchen waren es auch diesmal die drei Korkpinnwände an der hinteren Zimmerwand, die mit Hunderten Fotos, Landkarten und Zeitungsartikeln versehen waren. Teilweise mit markierten Textstellen und Nadeln, die mittels farbiger Fäden von einem Artikel zum nächsten führten.
An der rechten Pinnwand hingen mehrere Schwarz-Weiß-Skizzen von Gebäuden und Personen. Dazu ein sternförmiges Symbol, das von geschwungenen Runen umgeben war und angeblich das Zeichen der Pantokratoren darstellte. In den vergangenen Monaten war es Mark tatsächlich an einer Handvoll Orte aufgefallen. Konkrete Hinweise auf die angebliche Handwerksgilde hatte er jedoch nie gefunden.
An der mittleren Pinnwand hing eine Karte von Mittelfranken und Umgebung. Mehrere Orte in und um Nürnberg herum waren mit verschiedenfarbigen Pinnnadeln versehen. Unter anderem ein Waldstück nahe Ammerndorf, das sie vor einigen Monaten im Zuge einer Ermittlung besucht hatten.
Die linke Pinnwand beschäftigte sich mit Personen aus Politik und Wirtschaft. Ein System schien es nicht zu geben. Politiker aller möglichen Parteien waren vertreten, ebenso wie Leute von mittelständischen Kleinunternehmen bis hin zu Großkonzernen. Ob sie alle in Dominiks Weltverschwörungsplan verwickelt waren oder bloß unbewusst am Rande damit zu tun hatten, war schwer abzuschätzen. Wahrscheinlich war sich selbst Dominik nicht bei allem ganz sicher.
Links unten hing nach wie vor das mit Weitwinkel aufgenommene Foto von Juliane Gerboth. Inzwischen wirkte es fast wie ein Schuldeingeständnis.
Als Mark all diese Sachen das erste Mal gesehen hatte, war er sich wie in der Höhle eines Wahnsinnigen oder eines Serienmörders vorgekommen. Mittlerweile wusste er es besser. Oder hatte es zumindest geglaubt. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob Dominik nicht vielleicht doch sein letztes bisschen Verstand verloren hatte und aus irgendwelchen Gründen zum Mörder geworden war. In den angepinnten Artikeln ging es um Betrug, Korruption, Unterschlagung und allerlei andere Ungerechtigkeiten. Einem dafür empfänglichen Menschen könnte so was auf Dauer ziemlich aufs Gemüt schlagen.
Trotzdem … die Vorstellung war und blieb absurd. Dominik mochte einiges sein. Schnippisch, aufbrausend, chaotisch, kauzig, nachtragend, unangepasst, manchmal etwas konfus, launisch, argwöhnisch, stellenweise übervorsichtig, irrational und mit dem Kopf voller kruder Ideen. Aber dies war nur die eine Seite seiner Persönlichkeit. Gleichzeitig war er großherzig, loyal, ehrlich, direkt, geradlinig, unverfälscht, humorvoll (oder zumindest das, was er dafür hielt) und stets auf der Seite der Unterdrückten. Dominik war so vieles. Ein Mörder war er nicht. Vollkommen ausgeschlossen.
Selbst wenn Juliane Gerboths Tod ein Unfall gewesen wäre, in den er irgendwie verwickelt war, hätte Dominik genug Rückgrat besessen, um für diese Tat einzustehen. Wenn er also sagte, dass er es nicht gewesen war, dann konnte Mark das uneingeschränkt glauben.
Einige Minuten lang betrachtete er schweigend die Wand des Wahnsinns und versuchte sich einen Reim auf all die Zeitungsausschnitte und Computerausdrucke zu machen. War etwas davon für den aktuellen Fall relevant? Fand sich hier möglicherweise sogar die Antwort auf die Frage nach dem Wieso?
Ausschließen wollte Mark es nicht. Hinsichtlich Dominik und seinen Nachforschungen war praktisch alles möglich. Um hier durchzublicken, bräuchte es deutlich mehr als ein paar Minuten. Schon allein das Lesen sämtlicher Texte würde länger dauern. Und da Dominik an den Artikeln keine Quellenangaben hinterlassen hatte, würde es noch viel mehr Zeit in Anspruch nehmen, um zu überprüfen, woher diese Berichte stammten und ob sie überhaupt der Wahrheit entsprachen.
Doch egal, ob dies hier eine erschütternde Sammlung unter den Tisch gekehrter Fakten und unaufgedeckter Verbindungen oder bloß vorne bis hinten Blödsinn war, es wäre nicht gut, wenn irgendjemand anderes diese Pinnwände zu Gesicht bekäme. Vor allem keine Internen Ermittler.
Folglich musste er sie entfernen, ehe hier jemand anderes auftauchte.
Es widerstrebte Mark und seinen Überzeugungen zutiefst, so etwas zu tun. Er wollte keine Beweise verfälschen oder zurückhalten. Dennoch sah er keine andere Möglichkeit, als hier einzugreifen. Täte er das nicht, würde sich das äußerst negativ auf Dominiks Zukunft auswirken.
Entschlossen trat er an die Schrankwand heran und suchte die Fächer nach Werkzeugen ab, mit denen er die Dübelschrauben der Pinnwände lösen konnte. Stattdessen fand er alles Mögliche andere in den Fächern: Tischdecken, längliche Wachskerzen, Insektenspray, Kugelschreiber, sogar eine angefangene Tafel Milka-Schokolade. Was er nicht fand, waren Schraubenschlüssel, Zangen oder auch nur ein Taschenmesser mit Kreuzschraubendreher-Funktion. In der untersten Schublade stieß er auf etwas anderes: ein kleines Bündel in der Mitte gefalteter DIN-A4-Blätter mit Computerausdrucken. Nach einem Blick darauf stockte Mark der Atem. Dies hier war die Kopie einer Kundenliste, die ihnen der Chef der Trockenbaufirma Schwammberger im Rahmen einer Ermittlung vor einigen Wochen geschickt hatte. Mehrere dort aufgeführte Namen von Unternehmen und Privatpersonen waren gelb, grün und orange markiert.
Verdammt.
Also hatte Dominiks damalige Neugierde bei allem, was Handwerksfirmen betraf, doch nicht mit neu entdecktem Arbeitseifer, sondern bloß mit der Suche nach den Pantokratoren zu tun gehabt.
Es kam ihm vor wie ein Fausthieb direkt in die Magengrube. Technisch gesehen war es kein Verrat. Aber verdammt nahe dran.
Mark wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Einen Herzschlag lang hätte er die Unterlagen am liebsten zu Boden gepfeffert und mit Felix die Wohnung verlassen. Sollte sein Partner doch zusehen, wie er klarkam, wenn er ihm derartige Dinge vorenthielt. Wenn er Daten unterschlug und ihn deswegen belog.
Die Wut kühlte sich genauso schnell ab, wie sie hochgekocht war. Dieses Verhalten war typisch Dominik. Sobald er das Gefühl hatte, es könnte mit der geheimen Handwerksgilde zu tun haben, musste er sich einfach sämtliche damit zusammenhängenden Sachen nehmen und sie genauer untersuchen. Das war wie bei einem Alkoholiker, dem jemand eine Flasche Doppelkorn unter die Nase hielt. Er konnte es ihm nicht mal verdenken.
Falsch war es trotzdem. Wäre Dominik in der Hinsicht ehrlich gewesen, würde auch dieser kleine Verrat jetzt nicht so schwer wiegen. So hingegen …
Die Kehrseite der Medaille war: Hätte Mark das Kopieren der Daten einfach so akzeptiert, wenn sein Partner ihm davon erzählt hätte? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich war allein das Antwort genug.
Ein Bellen aus einem der anderen Räume riss ihn aus seinen Überlegungen. Offenbar hatte der Hovawart etwas gefunden. Eilig lief Mark in den Flur und schaute sich um. Felix bellte erneut, und Mark folgte ihm ins Schlafzimmer.
„Was hast du, mein Freund?“
Der Hund stand vor einem kleinen Computertisch, in dem rechts unten ein in die Jahre gekommener Desktop-PC verbaut war. Auf der Tischplatte befanden sich ein kantiger Flachbildschirm, eine Tastatur und eine Maus (selbstverständlich beides über Kabel mit dem Rechner verbunden, damit keiner irgendwelche Funkdaten abfangen konnte) sowie ein dicker Berg Ausdrucke von Webseiten. Als ob das nicht bereits genug Material zum Durchforsten gewesen wäre, gab es linkerhand zwei größere Stapel mit CD-ROMs.
Doch dies alles war nicht der Grund, weshalb der Vierbeiner sich gemeldet hatte. Unter dem Bett lag neben mehreren zusammengeknüllten T-Shirts und Socken eine dünne farbige Broschüre, an der Felix immer wieder schnupperte. In der ersten Sekunde hielt er es für ein Erotikmagazin. Das Cover mit der attraktiven Frau in dem körperbetonenden Business-Outfit und dem gewaltigen Dekolletee schien das zu bestätigen.
Mit angewiderter Miene und nur zwei Fingern zog Mark den dünnen Band zu sich heran. Wider Erwarten war es kein Tankstellenheftchen. Stattdessen hielt er die Broschüre der lokalen Firma Wurdinger & Reichardt in den Händen. Der Geschäftsname sagte ihm etwas. Deren Werbung hatte er über die Jahre immer wieder mal an Plakatwänden und in Zeitungen gesehen. Stellten die nicht irgendwas mit Dämmmaterial her? Seit wann interessierte sich Dominik denn für so etwas?
In der Mappe ging es um sogenannte Plusenergiehäuser und Latentwärmespeicher. Mit zahlreichen Farbfotos und Werbetexten dazu. Was gleich noch verwirrender war. Hatte sein Partner vor, sich ein Eigenheim zuzulegen? Erwähnt hatte er nichts dergleichen.
In dem Fall hätte das sensible Hunderadar allerdings nicht Alarm geschlagen. Der ging nur an, wenn Dinge anders rochen als der Rest der an einem Ort befindlichen Sachen. Und siehe da: Zwischen den letzten Seiten der Broschüre steckte eine Visitenkarte von Juliane Gerboth.
Scheiße.
Offenbar hatte Dominik doch etwas aus deren Wohnung mitgehen lassen.
Eine weitere Nachricht, die Mark erst mal sacken lassen musste. Am liebsten hätte er sich dafür einen Moment lang auf die Bettkante gesetzt, doch dies hätte Abdrücke auf der Bettdecke hinterlassen, die er vermeiden wollte. Felix und er hatten vermutlich längst viel zu viele Spuren hinterlassen. Also lehnte er sich einige Sekunden lang mit der Schulter gegen die Tür und seufzte schwer.
„O Mann, in was für eine Scheiße ziehst du mich da nur rein?“
Die Zimmerwände blieben ihm die Antwort schuldig. Und nachdem der erste Frust verflogen war, legte Mark die Unterlagen aufs Bett und machte sich wieder ans Werk. Als Erstes nahm er sich die zwei Schubladen des Computertisches vor. Rechts gab es Knopfzellen und längliche Batterien, ein paar Schraubendreher (endlich!) sowie haufenweise leere Notizzettel und Stifte.
In der linken Schublade standen drei Plastikschalen voll mit USB-Sticks. Alle Sticks in der ersten Schale trugen eine Eins. Auf die in den anderen beiden hatte Dominik mit einem schwarzen Permanentmarker die Zahlen Zwei und Drei notiert. Wohl oder übel würde er die Sticks alle durchsehen müssen. Genauso wie sämtliche CD-ROMs. Marks Freude war grenzenlos.
Theoretisch gesehen wäre das zwar Aufgabe der Spurensicherung, doch deren Hilfe wollte er lieber nicht in Anspruch nehmen. Bei ihrer Arbeit heute Morgen hatten die Kollegen auch deutlich mehr gefunden, als sie eigentlich hätten finden sollen. Und da er nicht wusste, ob er trotz Nicoles Versicherung jedem von ihnen uneingeschränkt trauen konnte, wollte er dieses Risiko jetzt besser noch nicht eingehen.
Leider Gottes waren die mobilen Datenträger längst nicht alles, was er durchforsten musste. Die Festplatten des Computers zählten ebenso dazu. Mark erinnerte sich an ein Gespräch mit Dominik über das Thema Datensicherheit. Sein Kollege hatte mehr als einmal betont, dass Vorsicht das A und O beim Recherchieren und Sichern war: „Nicht umsonst arbeite ich hier von zwei unterschiedlichen Computern aus. Einen Laptop für die Online-Sachen, mit dem ich mobil sein kann. Selbstverständlich mit abgeklebter Kameralinse. Und im Schlafzimmer habe ich einen Desktop-PC stehen, der nicht mit dem Internet verbunden ist und auf dem ich die Daten sammele. Alles andere wäre viel zu gefährlich. Das sind alles Erfahrungswerte, die man sich im Laufe der Zeit aneignet. Es geht nicht anders.“
Den Schlafzimmer-PC hatte er hiermit gefunden, doch wo befand sich der Laptop? Ein erster Impuls wollte Mark gleich auf der Stelle danach suchen lassen. Besser war es allerdings, sich eine Sache nach der anderen vorzunehmen. In diesem Fall hieß das: zuerst den Computer im Schlafzimmer.
Dazu, das alte Gerät an Ort und Stelle hochzufahren und sich mit den Daten darauf zu befassen, fehlten ihm die Muße und die Zeit. Das würde Stunden dauern, die er nicht hatte. Erschwerend hinzu kam, dass Dominik bestimmt jede Woche seine Passwörter änderte und Mark keine Ahnung hatte, wie sie lauteten. Was das betraf, wollte er lieber noch einmal mit seinem Partner reden und ihn bei der Gelegenheit auch gleich fragen, wie fatal es wäre, wenn es jemand von der Technik einen oder eventuell sogar beide Computer anschaute. Die IT-Abteilung der Kripo komplett herauszulassen könnte auf lange Sicht betrachtet vermutlich zu unangenehmen Fragen führen. Möglicherweise würde ihm jemand vorwerfen, Beweismittel unterschlagen zu haben. Wenn ein paar Pinnwände fehlten, fiel das sicherlich nicht halb so sehr auf, als wenn auf einmal sämtliche Computer aus dem Haushalt verschwunden waren. Dennoch war es vermutlich nicht schlecht, zumindest ein, zwei Tage Vorlaufzeit vor den internen Untersuchungen zu haben.
Skeptisch betrachtete Mark das Computergehäuse. Den ganzen klobigen Metallkasten mitzunehmen machte wenig Sinn, fand er. Vor allem da sich die wichtigen Daten auf den Festplatten befanden. Und nachdem er nun das passende Werkzeug gefunden hatte, war es ein Leichtes, die wenigen Schrauben an der Rückseite der metallenen Box zu lösen. Wie eine Festplatte aussah und wo sie angeschlossen war, wusste er noch aus seiner Computerspielzeit in den Neunzigern. Damals, als Day of the tentacle und The secret of Monkey Island das Maß der Dinge gewesen waren.
Entsprechend behände ging Mark zu Werke. Nachdem die Verschlüsse des Gehäuses gelöst waren, benötigte er nur wenige Augenblicke, um die Strom- und Datenkabel vom Prozessor abzuziehen und die Schräubchen der Festplattenhalterung zu lösen.
Er war fast ein bisschen enttäuscht, dass sein Partner den Stauraum im Inneren des Computers nicht zum Verstecken des einen oder anderen brisanten Datenträgers genutzt hatte. Einen USB-Stick mit Klebestreifen an der Gehäuseinnenwand anzubringen oder eine CD-ROM unter dem Motherboard zu verstecken, wäre das Minimum gewesen. Warum er es nicht getan hatte, ließ sich nur mutmaßen. Wurde es in der metallenen Box trotz Lüfterkühlung möglicherweise zu heiß, oder war Dominik bloß nicht auf dieses originelle Versteck gekommen? Normalerweise war er allerdings recht kreativ, was derlei Sachen betraf.
Nachdem am Computertisch alles wieder in Ordnung gebracht war, untersuchte Mark mit Felix’ Hilfe den Kleiderschrank. Der Hovawart beschnüffelte alles in den unteren Fächern, Mark nahm sich die oberen Bereiche vor. Keiner von beiden fand etwas Relevantes, das nicht dahingehörte.
Links zwischen Tür und Bett befand sich ein prall gefülltes Bücherregal. Ein Großteil der darin befindlichen Titel waren Sachbücher über Geheimgesellschaften, internationale Hackerkollektive und das Übernatürliche. Nichts anderes hatte er erwartet. Dazwischen fanden sich etliche nicht ganz artfremde Romane wie Robert Wilsons Illuminatus-Wälzer, einige der frühen Robert-Krauss-Romane, als sich der Autor noch mit fantastischen Geschichten beschäftigt hatte, und ein Werk mit dem vielversprechenden Titel Die Verschwörung der Schatten.
Mark blätterte die Bücher oberflächlich durch, fand jedoch keine ausgehöhlten Stauräume oder anderweitig versteckte Gegenstände. Daher trug Mark bloß die Broschüre, die Computerausdrucke, USB-Sticks, CD-ROMs und die ausgebauten Festplatten in den Flur, bevor er sich noch einmal das Wohnzimmer vornahm. Mit Werkzeug waren die etwa anderthalb Meter großen Pinnwände rasch abmontiert und ebenfalls in den Flur geschafft.
Anschließend machte er sich auf die Suche nach dem vermissten Laptop. Er fand ihn in einem Korb unter dem Couchtisch, zusammen mit mehreren Fernbedienungen, Kopfhörern und alten Ausgaben der Technology Review.
In der Küche gab es nichts Interessantes, wenn man von einem beängstigenden Vorrat bereits vor langer Zeit abgelaufener Lebensmittel einmal absah. Und von der Tatsache, dass zwischen Essig und Gewürzen ein Springmesser versteckt war.
Zum Schluss überprüfte Mark mit Felix den Flur. Hier herrschte die gleiche Arbeitsteilung wie im Schlafzimmer: Der Hund untersuchte alles in Bodennähe, während Mark für Höheres bestimmt war. Bei den Jacken und Schuhen fand sich nichts Brauchbares, aber im obersten Fach des Gerümpelschranks stand ganz hinten und halb verdeckt von Regenschirmen, Mützen und zwei ramponierten Rucksäcken ein relativ schwerer Schuhkarton.
Statt Schuhen enthielt die Kiste haufenweise alte Fotos. Diesmal jedoch keine von potenziellen Pantokratoren, sondern private Aufnahmen. Manche davon zeigten einen ziemlich jungen Dominik Waldmayer zusammen mit anderen Personen, vermutlich seiner Familie. Um dieses Thema hatte der Kollege bisher stets einen großen Bogen gemacht und sämtliche Fragen dazu mit Ausflüchten beantwortet. Mark konnte nicht anders, als auch diesen Karton mitzunehmen.
Wie er all diese Sachen in seinem Wagen verstauen sollte, war ein anderes Thema. Trageboxen und Taschen gab es in dieser Wohnung keine. Notgedrungen griff Mark auf die alten Rucksäcke zurück. Darin ließ sich zumindest der Kleinkram verstauen. Trotzdem musste Mark zweimal sämtliche Treppenstufen hinunter- und hinauflaufen, um alles in seinem Kofferraum und auf der Rückbank unterzubringen. Besonders die Pinnwände erwiesen sich als äußerst sperrig und nahmen sehr viel Platz weg.
Marks Begeisterung an der Arbeit wuchs von Minute zu Minute. Als er endlich fertig war, schlug er die Autotüren übertrieben kraftvoll zu und sank grummelig auf den Fahrersitz. Felix hatte er neben sich auf dem Beifahrersitz anschnallen müssen, weil anderswo im Passat kein Platz mehr für den Hund gewesen war.