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DAS VERHÜTUNGSMITTEL-RÄTSEL
ОглавлениеNatürlich nehmen viele Frauen die Pille nicht, um ihre sportliche Leistungsfähigkeit zu verbessern. Sie nehmen die Pille, um nicht schwanger zu werden. Hormonelle Verhütungsmittel enthalten Östrogen und/oder Progesteron und wirken, indem sie den Eisprung unterdrücken und die Gebärmutterschleimhaut verändern, was die Befruchtung einer Eizelle erschwert und ihre Einnistung verhindert, falls es doch mal eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutter schaffen sollte. Gebräuchliche Formen hormoneller Verhütungsmittel sind Pillen, Armimplantate oder Spritzen sowie Verhütungsmittel, die in die Vagina eingeführt werden, wie die Spirale und der Nuvaring.
Wenn Sie hormonell verhütet haben, ohne dass es zu unerwünschten Nebenwirkungen gekommen ist, werde ich nicht versuchen, Ihnen dies auszureden. Aber Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass es auch jenseits potenzieller Leistungseinbußen Risiken gibt, die mit hohen Hormonwerten in Verbindung gebracht werden. Da wäre zunächst einmal die Gewichtszunahme. Studien haben gezeigt, dass hormonelle Empfängnisverhütung mit einer Zunahme des Körperfetts und des Gewichts sowie mit Flüssigkeitsansammlungen einhergehen kann. Darüber hinaus erhöhen hohe Hormonwerte das Risiko einer Entstehung von Blutgerinnseln und einer tiefen Venenthrombose (TVT), was für Sportlerinnen, die viel reisen, ein ernsthaftes Problem darstellen kann, da langes Sitzen in einer Position, in der die Wadenmuskeln nicht kontrahieren, insbesondere in einem engen Flugzeug, ohnehin bereits ein erhöhtes Risiko für eine tiefe Venenthrombose darstellt. Hohe Hormonwerte können zudem eine Vielzahl anderer Nebenwirkungen verursachen, die nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die allgemeine Gesundheit beeinträchtigen.
Eine besonders alarmierende Geschichte kam mir über die australische Profi-Radrennfahrerin Chloe McConville zu Ohren, die vor einigen Jahren während einer Reise Probleme bekam, nachdem sie zehn Jahre lang die Pille genommen hatte. Im Jahr 2014 bildeten sich in ihren Beinen während einer zehnstündigen Autofahrt auf dem Weg zu einem Rennen Blutgerinnsel, die in ihre Lunge gelangten und einen lebensbedrohlichen Notfall auslösten. Da sie zuvor trainiert hatte und sich in Bestform befand, war sie am Boden zerstört. Sie selbst sagte dazu: »Die Reha nach den Lungenembolien war frustrierend und schien ewig zu dauern. Kein Fahrradfahren auf der Straße, keine Mountainbike-Touren, kein Skifahren, kein Snowboarden, keine Aktivitäten mit hohem Risiko… Aber ich überstand alles und erhielt dann mein Traumangebot: 2015 mit Orica-AIS [einem australischen Profi-Straßenrennteam] zu fahren.«
Sie fing wieder an zu trainieren, nahm wieder an Rennen teil und erzielte bei wichtigen Rennen einige solide Ergebnisse. Doch gerade einmal gut einen Monat nach ihrem ersten Team-Trainingslager begann ihre Welt erneut zusammenzubrechen. »Ich bekam einige wirklich seltsame Symptome, die so ähnlich waren wie bei der Lungenembolie«, berichtete sie. »Es fühlte sich aber eher so an, als ob mit meinem Herz etwas nicht stimmte. Ich war nicht wirklich krank, aber irgendwas war nicht in Ordnung. Ich wurde von dem Camp nach Hause geschickt, um mich vorsichtshalber untersuchen zu lassen. Drei Tage später wurde ich mit dem Verdacht auf einen ‚Herzanfall‘ ins Geelong Hospital eingeliefert. Mein kardialer Troponinwert war fast zehnmal höher als normal, was darauf hindeutete, dass ich praktisch einen Herzinfarkt gehabt hatte. Nach fünf Tagen Krankenhausaufenthalt, der falschen Diagnose einer erneuten Lungenembolie und allen möglichen Tests, die man an meinem Herzen durchgeführt hatte, wurde ich ohne eine Antwort darauf, was ich gehabt hatte, entlassen.«
Sie berichtete weiter: »Ich hatte also eine Auszeit vom Rad, erhielt weitere hypothetische Diagnosen, es folgten noch mehr Tests, noch mehr negative Ergebnisse. Mitte Januar hatte ich alle australischen Sommerrennen verpasst und fühlte mich immer noch nicht gut. Ich litt mal mehr, mal weniger unter Müdigkeit, war mitunter furchtbar benebelt (während der schlimmsten Phasen konnte ich kaum einen Satz artikulieren und vergaß, was ich die ganze Zeit getan hatte), mir taten die Beine weh und ich litt unter Kurzatmigkeit und Herzklopfen. Das Frustrierendste war, dass all die Gesundheitsexperten mir immer wieder sagten, ich hätte eine Angststörung und dass diese die Symptome verursache.«
Sie suchte den Rat von vielen weiteren Ärzten – Alternativmedizinern und Schulmedizinern – und fand schließlich heraus, dass sie extrem niedrige Testosteronwerte hatte, was ihre Müdigkeit und ihre schlechte Regeneration erklärte. Sie konsultierte einen Gynäkologen, der sie fragte, ob sie Verhütungsmittel benutze und falls ja, welche. Volltreffer! »Aufgrund der tiefen Venenthrombose und der Lungenembolie hatte ich die Pille abgesetzt und mir ein Implantat mit dem Namen Implanon unter die Haut legen lassen – ein Implantat, das nur Progesteron freisetzt. Dieses hatte die Abgabe von Eizellen aus meinen Eierstöcken unterdrückt und eine niedrige Testosteronproduktion verursacht.«
Also ließ Chloe sich das Implantat nach langen Monaten, in denen sie sich elend gefühlt hatte, entfernen. Bereits nach einer Woche ging es ihr besser, und am darauffolgenden Wochenende nahm sie an einem Rennen teil. Ich versuche nicht, Sie abzuschrecken, Verhütungsmittel zu nehmen, aber Frauen sind sich der damit verbundenen sehr realen Risiken nicht immer bewusst. Grundsätzlich rate ich meinen Athletinnen, wenn sie verhüten wollen, zu einem Intrauterinpessar (IUP). Dieses setzt eine lokal wirkende Dosis Gestagen frei, anstatt eine umfassende systemische Zirkulation von Östrogen und Progesteron in Gang zu setzen. Wenn Ihnen ein Intrauterinpessar nicht zusagt, ist die nächste Option die Minipille, die ausschließlich das synthetisch hergestellte Gestagen Progestin enthält. Niedrig dosiertes Progestin hat weniger Nebenwirkungen als die kombinierte orale Antibabypille.