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DIE MACHT DER HORMONE
ОглавлениеHormone sind die Botenstoffe Ihres Körpers. Sie fließen durch Ihre Venen und überbringen von Ihren Organen Botschaften an Ihr Gehirn (und anders herum) und steuern damit nahezu alles, was Sie tun. Hormone sagen Ihrem Körper, wann er essen und schlafen will, ja sogar, wann er wachsen soll. Die Hormone steuern Ihr Hungergefühl und Ihren Sexualtrieb. Sie helfen uns, Babys zu bekommen, machen uns glücklich und traurig und sorgen dafür, dass wir uns wie berauscht fühlen, wenn wir uns verlieben. Bei Männern sind diese Hormone tagein, tagaus ziemlich stabil (auch wenn sie sich im Laufe des Lebens natürlich verändern). Doch bei Frauen ist das eine ganz andere Geschichte. Und diese Geschichte dreht sich um den Menstruationszyklus.
Der Menstruationszyklus beeinflusst nicht nur ungeheuer stark Ihre Fruchtbarkeit und Ihre Stimmungen (sowie Ihren Heißhunger auf Schokolade), sondern er kann auch einen sehr starken Einfluss auf Ihr Training und Ihre Leistungsfähigkeit haben. Doch nur sehr wenige Trainer und Betreuer berücksichtigen dies bei der Arbeit mit ihren Athletinnen – nicht mal in den höchsten Sphären des Spitzensports!
Ein Paradebeispiel dafür ist die langjährige Marathon-Weltrekordhalterin Paula Radcliffe, die vor Kurzem weltweit für Schlagzeilen sorgte, als sie es gewagt hat, über Zusammenhänge zwischen der Menstruation und sportlicher Leistungsfähigkeit zu sprechen. Mit Blick auf die Trainer und Sportärzte, deren Eingriffe alles nur noch schlimmer machen, stellte die legendäre Ausdauerläuferin klar: »Sie sind Männer und verstehen das einfach nicht.« Radcliffe erinnerte an die Leichtathletik-Weltmeisterschaften des Jahres 2013, bei denen britische Sportärzte der Läuferin Jessica Judd Norethisteron (synthetisches Progesteron, ein weibliches Hormon, das in den Eierstöcken und den Nebennieren produziert wird und dem Körper dabei hilft, sich auf eine Empfängnis und eine Schwangerschaft vorzubereiten und das den Menstruationszyklus steuert), verabreicht hatten, um ihre Periode hinauszuzögern. Judd verlor. Radcliffe, der in der Vergangenheit ebenfalls synthetisches Progesteron verabreicht worden war und die die Erfahrung gemacht hatte, dass diese Einnahme alles nur hundertmal schlimmer gemacht hatte, war von Judds Niederlage nicht überrascht. Radcliffe hatte, als sie im Jahr 2002 beim Chicago-Marathon den Weltrekord gebrochen hatte, unter Menstruationskrämpfen gelitten. Sie möchte, dass die Öffentlichkeit das erfährt, weil es alle so überraschend finden.
Fürs Protokoll: Ich bin nicht überrascht. Was hingegen sehr wohl überraschend – oder genau genommen schockierend – ist, ist die Tatsache, dass gegenwärtig viele Menschen, die es wirklich besser wissen sollten, im Hinblick auf ein schlichtes hormonelles Phänomen, das bei der Hälfte der Menschheit wie ein Uhrwerk funktioniert, immer noch im Dunkeln tappen. Eine ausführliche Erklärung, wie der Menstruationszyklus die Leistungsfähigkeit beeinflusst, finden Sie in Kapitel 2, aber kurz gefasst lässt sich sagen: Frauen haben jeden Monat zwei Hormonphasen: Die Hochhormonphase und die Niedrighormonphase. Während der Niedrighormonphase funktioniert unser Körper im Hinblick auf den Kohlenhydratstoffwechsel und die Regeneration ähnlich wie der männliche Körper. Aber wenn unsere Hormonspiegel während der zweiten Hälfte des Zyklus steigen, sieht die Sache ganz anders aus.
Hohe Östrogenspiegel sorgen dafür, dass unser Körper Glykogen spart (gespeicherte Glucose/Kohlenhydrate, die der Körper als Brennstoff verwendet, insbesondere während hoch intensiver Trainingsphasen) und für die Energiegewinnung in einem höheren Maß auf Fett zugreift – nicht gerade das, worauf wir aus sind, wenn wir einen Wettkampf bestreiten oder intensives Intervalltraining absolvieren. Ein hoher Progesteronspiegel verzögert die Schweißreaktion, erhöht die Körperkerntemperatur, beschleunigt den Natriumverlust und verstärkt den Muskelabbau (während gleichzeitig die Fähigkeit des Körpers zur Muskelsynthese behindert wird, weil er keinen Zugang zu den Bausteinen Protein und Aminosäuren hat). Nach dem Eisprung steigen die Hormonspiegel an, und der Doppelschlag des hohen Östrogenspiegels und des hohen Progesteronspiegels bewirkt, dass Flüssigkeiten sich in die Zellen verlagern (Hallo, Aufblähung!), das Blutplasmavolumen verringert wird und das zentrale Nervensystem anfälliger dafür wird zu ermüden, was dazu führt, dass das Training sich anstrengender anfühlt als normalerweise.
All das ist wirklich übel, wenn Sie monate- oder sogar jahrelang trainiert haben, und der entscheidende Wettkampf genau auf einen Tag unmittelbar vor dem Beginn Ihrer Periode fällt, wenn Ihre Hormonspiegel sich in schwindelnder Höhe befinden. Aus diesem Grund sage ich meinen Athletinnen, dass es nicht um ihre Fitness geht, sondern um ihre Physiologie. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie mit Ihrer natürlichen Physiologie arbeiten – und nicht gegen sie.