Читать книгу Targeted Therapies - Zielgerichtet in den Tod - Stefan Ammon - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеWarum nachts um ein Uhr zwanzig? Warum in diesem drittklassigen Hotel, in dem mit Sicherheit weder Berger noch Vosse ein Zimmer gebucht hatte? Und wer war die deutlich nicht in die Runde passende Asiatin? Steffen hatte sich im Foyer einen verdeckten Platz gesucht und beobachtete die jetzt an einem Tisch sitzenden Gesprächspartner aufmerksam. Er kam sich vor wie ein Paparazzo oder ein heruntergekommener Privatdetektiv und stellte sich die Frage, ob er nicht besser in seinem Bett sein sollte. Die Müdigkeit war jetzt fast größer als seine Neugier. Dann aber hatte Vosse seinen Aktenkoffer geöffnet und der Asiatin einen Umschlag überreicht. Der Umschlag war prall gefüllt und die junge Frau warf nur einen kurzen Blick hinein und legte ihn dann vor sich auf den Tisch. Steffen war sich fast sicher, dass eine nicht unbeträchtliche Menge Geld in dem Umschlag war, und jetzt war seine Müdigkeit mit einem Schlag verflogen. Sicher - vor einigen Jahren war es nichts Ungewöhnliches, daß Vertreter der pharmazeutischen Industrie jede Gelegenheit ergriffen, die verschreibenden Ärzte zu beschenken oder ihnen die eine oder andere Gefälligkeit zu erweisen. Auch Steffen war immer wieder eingeladen worden. Oft im Rahmen von Fachtagungen und Kongressen, manchmal aber auch zu Veranstaltungen, die sich als reine Unterhaltungs - Events entpuppt hatten. Exklusives Essen, gute Musik und nette Gespräche hatten allen gute Laune bereitet und für die, denen das nicht genug war, hatten die Produktmanager genug Geld in ihren Hosentaschen, um zusätzliche Wünsche aller Art zu erfüllen. So hatte man die mentale Ausgeglichenheit und innere Zufriedenheit geschaffen, die Journalisten benötigen um gute Artikel zu schreiben und Ärzte verschreibungswilliger für ein Medikament machte.
Aber die Zeiten hatten sich geändert. Und bei dem Bündel, das hier überreicht wurde, handelte es sich um mehr als das Geld für ein Taxi oder eine erotische Nacht mit der asiatischen Schönheit.
Als die Runde das Restaurant verließ, drehte Steffen der Tür den Rücken zu. "Dankeschön und Auf Wiedersehen", verabschiedete Berger sich von der Asiatin und fügte hinzu: "See you in Manila". Dann verschwanden er und die anderen. Nur Riza blieb zurück und ging zur Rezeption. "Wann ist bei Ihnen Frühstückszeit?", fragte sie. Steffen wunderte sich, dass Riza Deutsch sprach.
Aber was nun? Steffen war kein Privatdetektiv. Er war Medizinjournalist mit dem Spezialgebiet der hämatologischen und onkologischen Erkrankungen. Noch nicht einmal Sensationsreporter bei der BILD-Zeitung. Und er war auch nicht James Bond, der jetzt mit Sicherheit in das Zimmer von Riza gegangen wäre und sie mit Charme und Einsatz seines Körpers überzeugt hätte, ihm zu erzählen, worum es ging. Sie war inzwischen mit dem Fahrstuhl in die oberen Etagen verschwunden, und Steffen fragte sich, wie er sie ansprechen könne.
Er hatte bereits in der Herbertstraße geschwitzt, aber jetzt schwitzte er noch mehr, als er zur Rezeption ging, dem auf dem Computer Solitär spielenden Portier fünfzig Euro auf den Tresen legte und sagte: "Ich hätte gern den Namen der jungen Dame, die gerade auf ihr Zimmer gegangen ist. Können Sie mir dabei behilflich sein?". Der Portier sah ihn lange an, nahm das Geld und verschwand in ein Hinterzimmer. "Scheiße", dachte Steffen und spürte wie der Schweiß über sein Gesicht rann. Doch dann kam der Portier zurück, legte eine Kopie des Anmeldeformulars auf den Tresen und widmete sich wortlos wieder seinem angefangenen Spiel.
Riza Mae Arlene Valenzuela, Jay Tom Agency Inc., Jupiterstreet 67, Makati, Manila. Sie hatte sogar artig ihre Telefonnummer, die Email-Adresse und ihren Geburtstag aufgeschrieben. Achtundzwanzig Jahre alt war sie, man hätte sie auch auf zwanzig schätzen können. Steffen war zufrieden mit sich. Ein toller Abend mit Freunden, ein heldenhafter Einsatz im Rotlichtviertel und eine erfolgreiche Beschaffung von Informationsmaterial, die er sich selbst nicht zugetraut hätte. Er lag noch lange wach und plante, am nächsten Morgen das Gespräch mit Riza zu suchen. Er würde sie zufällig beim Frühstück treffen.