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Mein Lehrerinnenbuch

Ich war enttäuscht. Ich dachte, ich würde sitzen bleiben und das Schuljahr wiederholen müssen. Dann würde sie mich nicht mehr unterrichten, meine Lehrerin. Dann würde sie sich weiter um die anderen Schüler kümmern, aber nicht mehr um mich. Mich würde sie ganz schnell vergessen. Aber ich würde immer an sie denken.

Ich war an den See gefahren, an die Kiesgrube, und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Ich saß am Ufer auf meinem Handtuch und starrte auf das Wasser. Einige Leute schwammen, andere standen bis zu den Knien im Wasser und warfen sich einen Plastikball zu. Ich saß wie festgeklebt auf meinem Handtuch. Ich fühlte mich völlig erschöpft und ausgelaugt, obwohl ich noch nichts weiter unternommen hatte. Außer dazusitzen und auf den See zu starren.

»Darf ich mich zu dir gesellen?«

Erstaunt blickte ich nach oben. Da stand sie vor mir, meine Lehrerin, und lächelte mich an. Sie trug schwarze Hot Pants und ein weißes Top. In der Hand hielt sie eine Stofftasche. Sie stellte die Stofftasche neben mir ab, kniete sich hin und holte ein Badetuch aus der Tasche. Sie breitete ihr Handtuch neben mir aus. Ich musste schlucken. Sie schlüpfte aus ihrem Top und ihrer kurzen Hose. Darunter kam ein blütenweißer Bikini zum Vorschein. Sie legte sich bäuchlings auf das Handtuch. »Bald sind Ferien, dann komme ich öfter hierher«, sagte sie. »Du solltest aber bis dahin besser noch etwas lernen. Noch zwei Prüfungen, das kannst du noch schaffen. Du glaubst doch an dich, oder?«

Mir waren die Prüfungen eigentlich ziemlich egal. Ich wollte nur in ihrer Nähe sein. Wollte sie anschauen. Ihr zuhören. Und jetzt lag sie tatsächlich neben mir. Nur mit einem knappen Bikini bekleidet. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

Sie richtete sich wieder auf. »Ich gehe schwimmen. Kommst du mit?«

Ich schüttelte den Kopf. »Das Wasser ist noch so kalt«, stammelte ich hilflos.

»Eine kleine Abkühlung tut bestimmt richtig gut bei dem warmen Wetter«, sagte sie und lief auch schon los. Ich schaute ihr nach. Vorsichtig setzte sie einen Fuß nach dem anderen ins kalte Nass. Dann machte sie ein paar schnelle Schritte, bis ihr das Wasser bis zur Hüfte reichte. Schließlich verschwand ihr ganzer Körper unter der Wasseroberfläche, nur ihr hellblondes Haar war noch zu sehen. Sie schwamm einige Meter, drehte sich im Wasser, blieb flach mit dem Rücken auf dem Wasser liegen und winkte mir zu. Wie gerne wäre ich zu ihr ins Wasser gesprungen. Aber mir fehlte die Kraft. Ich konnte mich einfach nicht aufraffen, es war wie verhext. Ich blieb sitzen und winkte ihr scheu zurück. Wenigstens das schaffte ich. Kurz darauf kam sie wieder zurück. »Wirklich schade, dass du nicht mitgekommen bist«, bedauerte sie. »Es war wirklich herrlich erfrischend.«

»Vielleicht später«, wiegelte ich mit leiser Stimme ab.

»Vielleicht später«, äffte sie mich nach. »Du bist doch ein attraktiver junger Mann. Du solltest überschäumen vor Lebensfreude. Die Chancen nutzen, die sich dir bieten. Keine Gelegenheit auslassen. Wer weiß, ob ich später noch mit dir ins Wasser gehen will.«

Ich bewunderte sie. Sie war so offen und direkt. Und so voller Lebensfreude. Ich schämte mich für meine Zurückhaltung und fragte mich, wie sie es wohl gemeint hatte, als sie sagte, ich wäre ein attraktiver Mann.

»Es stört dich doch hoffentlich nicht, wenn ich die nassen Sachen ausziehe?«, fragte sie mich, ohne meine Antwort abzuwarten. Vor meinen Augen legte sie erst ihr Oberteil ab und schlüpfte dann aus ihrem Bikinihöschen. Beide Teile legte sie sorgfältig zum Trocknen auf ihrer Stofftasche ab. Meine Augen wanderten ungläubig über ihren nackten Körper. Die Sonnenstrahlen tauchten ihre Silhouette in helles Licht. Ich musste die Augen zusammenkneifen, um sie betrachten zu können. Plötzlich drehte sie ihren Kopf zu mir und zwinkerte mir zu. »Gefalle ich dir?«, fragte mich meine Lehrerin.

»Sehr sogar«, gestand ich mit rotem Kopf.

Siebels plauderte vor dem Hauseingang noch einen Moment mit Polizeiobermeister Meier. Der Leichenwagen kam vorgefahren und ein Journalist von der lokalen Presse hatte sich unter dem Absperrband durchgemogelt. Zwei Männer hievten einen Blechsarg aus dem Fond des schwarzen Wagens und der Journalist fragte Siebels nach Details zu dem Mord.

»Die Absperrung gilt auch für Sie«, ereiferte sich Meier.

»Die Leiche bitte in die Gerichtsmedizin zu Frau Lehmkuhl«, wies Siebels die Männer in den schwarzen Anzügen an.

»Nur ein kurzes Statement von der Mordkommission«, bat der Journalist und schaute Siebels fragend an.

Till kam gerade aus dem Hauseingang heraus. Er setzte seine Sonnenbrille auf und schlenderte zu Siebels und Meier.

»Fragen Sie ihn«, beschied Siebels und zeigte auf Till.

»War es ein Raubmord?«, fragte der Journalist und ging zwei Schritte auf Till zu.

Till blickte argwöhnisch zu Siebels. Dass der einen Journalisten an ihn verwies, war eher ungewöhnlich. Siebels stand lächelnd und mit verschränkten Armen da und beobachtete die Szene.

»Wir ermitteln in alle Richtungen«, sagte Till und täuschte vor, einen Kaugummi zu kauen.

Der Journalist zog eine Grimasse. »Wurde das Opfer sexuell missbraucht?«, stocherte er weiter im Trüben.

Till verstärkte seine imaginären Kaubewegungen. Durch seine dunkle Sonnenbrille war sein Blick nicht zu deuten. »Wir werten alle Spuren aus und erwarten in den nächsten Tagen einen ausführlichen Obduktionsbericht. Dann können wir mehr dazu sagen.«

»Ist viel Blut geflossen?«, versuchte der Journalist es erneut mit deutlich weniger Euphorie in der Stimme.

Till winkte den Journalisten mit einer verschwörerischen Geste näher zu sich heran. Ein Hoffnungsschimmer erschien auf dessen Gesicht. Till beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. »Nein.«

Der Journalist war etwas verwirrt, als sonst nichts weiter kam. Zu allem Überfluss legte Till einen Finger auf seine Lippen. »Das bleibt aber noch unter uns.«

Der Journalist drückte Till seine Visitenkarte in die Hand. »Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas Neues haben.«

»Aber klar doch«, sagte Till und nahm die Karte entgegen. Der Journalist suchte nach anderen Gesprächspartnern, wurde jetzt aber von Polizeiobermeister Meier aus der abgesperrten Zone befördert.

»Was hast du ihm denn zugeflüstert?«, fragte Siebels neugierig.

»Seit wann schickst du aufdringliche Pressefritzen zu mir?«, startete Till die Gegenfrage.

»Seit heute. Ich habe mich entschlossen, dir noch mehr Verantwortung zu übertragen. Was hast du ihm also zugeflüstert?«

»Dass ich ihm die Eier abschneide, wenn er ohne meine Erlaubnis etwas in der Zeitung bringt.«

»Das hast du ihm gesagt?«, fragte Siebels belustigt.

»Ich habe es in einem Wort zusammengefasst. Nein habe ich gesagt. Damit ist doch alles gesagt, oder?«

»An dir ist ein Diplomat verlorengegangen. Was sagen denn die Nachbarn?«

»Es waren nur zwei Partien anwesend. Heute Nacht haben sie weder was gesehen noch gehört. Die ältere Dame im Erdgeschoss wusste aber zu berichten, dass in den letzten Wochen hin und wieder ein Mann bei Frau Jürgens übernachtet hat. Ein deutlich jüngerer Mann.«

»Ein Schüler?«, hakte Siebels nach.

»Das bliebe uns jetzt noch zu beweisen. Jedenfalls fährt er ein lautes Moped. Ein grünes. Könnte auch blau sein. Da war sich die Dame nicht so ganz sicher.«

»Daniel Bach und Lukas Batton«, las Siebels von seinem Notizblock ab. »Das sind die einzigen Schüler von Frau Jürgens, die dieses Jahr die Versetzung nicht geschafft haben.«

»Sitzen geblieben«, stellte Till den Zusammenhang her. »Trotz nächtelanger Nachhilfe.«

»Was jetzt zu beweisen wäre. Wie ich den Herrn Staatsanwalt kenne, wird er unter diesen Bedingungen auf äußerste Diskretion pochen. Pass also auf, was du so von dir gibst, wenn du Interviews gibst.«

»Ich befürchte, diese Aufgabe sollte in Zukunft doch wieder der Ranghöhere übernehmen«, versuchte Till sich wieder aus der neu gewonnenen Verantwortung zu stehlen und schob seine Sonnenbrille über die Stirn.

Siebels klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Du hast mein vollstes Vertrauen. Jetzt fahren wir zum Sigmund-Freud-Gymnasium. Die machen morgen nämlich die Schotten dicht. Sommerferien.«

Das Sigmund-Freud-Gymnasium gehörte zu den ältesten Schulen in Frankfurt. Vor dem Haupteingang an der Friedrich-Ebert-Anlage trafen Siebels und Till auf eine rauchende Schülergruppe. Siebels erkundigte sich nach dem Weg zum Sekretariat und musste sich beim Anblick der rauchenden Schüler beherrschen. Er verkniff sich aber den Griff zur Zigarette und begab sich schnurstracks in das Schulgebäude.

»Keine Zigarette im Kreis der Jugend?«, fragte Till provokant.

»Nö, habe doch vorhin schon eine geraucht«, tat Siebels lässig ab. Till betrachtete sich neugierig die vereinzelten Schüler, die ihnen auf dem Weg zum Sekretariat noch über den Weg liefen. Mit dieser Generation hatte er gar keinen Kontakt, stellte er fest und kam sich plötzlich richtig alt vor. Siebels hatte das Sekretariat gefunden und betrat es, ohne anzuklopfen. Till schloss die Tür wieder von innen. Nachdem Siebels die Dame hinter dem Schreibtisch vom Mordfall Verena Jürgens unterrichtet hatte, wurden die beiden Kommissare umgehend in das Zimmer der Leiterin der Oberstufe geführt.

Siebels schilderte, was geschehen war, und erntete einen verstörten Blick. »Wir müssen uns umgehend mit diesen beiden Schülern unterhalten«, drängte Siebels und las die Namen noch einmal von seinem Notizbuch ab. »Mit Daniel Bach und Lukas Batton. Sind die beiden noch auf dem Schulgelände anzutreffen?«

»Wahrscheinlich nicht. In den Klassen dieser beiden ist jetzt kein Unterricht mehr. Das sind aber beide ordentliche Jungs. Die haben zwar die Versetzung nicht geschafft, aber das war weder für Daniel Bach noch für Lukas Batton eine Tragödie und schon gar kein Grund für einen heimtückischen Mord. Ich kann das noch gar nicht glauben.«

»Frau Jürgens war Single?«, erkundigte sich Till.

Die Oberstufenleiterin sah ihn skeptisch an. »Sie war ledig. Mehr kann und will ich Ihnen dazu im Moment auch gar nicht sagen.«

»Wie war ihr Status bei den Schülern? War sie beliebt?«, wollte Siebels wissen.

»Sie war sehr engagiert und setzte sich für ihre Schüler ein. Und so, wie es in den Wald hineinschallt, so ruft es auch wieder heraus. Verena Jürgens war bei den Schülern eine geachtete Lehrerin. Es gab nie Probleme. Das gilt auch für die beiden Schüler auf Ihrem Notizblock.«

Siebels nickte verständig. »Wir müssen uns aber auf jeden Fall mit den beiden unterhalten. Je eher, desto besser. Zurzeit spricht halt alles für einen Schüler, der die Versetzung nicht geschafft hat. Dabei kann es sich natürlich auch um einen Schüler vergangener Generationen handeln. Einer, der sich erst jetzt an seiner Lehrerin gerächt hat. Gab es in den vergangenen Jahrgängen einen auffälligen Schüler, der nicht versetzt wurde?«

»Darüber muss ich in Ruhe nachdenken«, sagte die Oberstufenleiterin nachdenklich.

»Tun Sie das. Wir benötigen zunächst neben den Adressen der beiden genannten Schüler eine Liste aller Schüler von Frau Jürgens sowie eine Liste aller Lehrer, die in der Oberstufe unterrichten. Mit Adressen und Telefonnummern.«

Die Oberstufenleiterin nickte gedankenverloren. »Glauben Sie, dass sich auch andere Kolleginnen oder Kollegen in Gefahr befinden?«

»Das kann ich momentan leider nicht ausschließen. Daher benötigen wir Ihre volle Unterstützung bei unseren Ermittlungen.«

Till glaubte, eine Verängstigung bei seiner Gesprächspartnerin erkannt zu haben. »Befürchten Sie, dass der Täter es auch auf Sie abgesehen hat?«, fragte er geradeheraus.

»Wie gesagt, ich halte die beiden Schüler, die in diesem Schuljahr die Versetzung nicht geschafft haben, für rechtschaffen. Das sind ordentliche Jungs, die die Prioritäten nicht ganz in der richtigen Reihenfolge gesetzt haben. Bei keinem von beiden habe ich Bedenken, dass sie das Abitur mit einem Jahr Verzögerung nicht schaffen werden. Aber es gab natürlich in den zurückliegenden Jahren immer mal wieder sogenannte Problemschüler. Schüler, die die Schule vorzeitig verlassen haben. Und zwar nicht im Guten. Manche hatten Probleme mit Drogen, andere familiäre Probleme. Wieder andere hatten psychische Probleme. Bei den schlimmsten Fällen kommt das alles zusammen. Dann können wir Lehrer leider auch nur noch hilflos zusehen, wie ein junger Mensch immer stärker in den Abwärtsstrudel gleitet.«

»Dann denken Sie jetzt über diese schlimmsten Fälle der vergangenen Jahrgänge mal gut nach und erstellen mir bis morgen Mittag eine entsprechende Namensliste. Die Namen und Adressen der beiden aktuellen Fälle möchte ich jetzt gleich haben, genauso die Liste mit den Lehrkräften.«

Die Oberstufenleiterin griff zum Telefonhörer und gab der Dame im Sekretariat die entsprechende Anweisung. »In zehn Minuten bekommen Sie die Unterlagen«, konnte sie ihren Besuchern anschließend versichern.

»Seit wann unterrichtete Frau Jürgens hier an der Schule?«, erkundigte sich Siebels.

»Sie hat ihr Referendariat hier gemacht und nach bestandener zweiter Staatsprüfung die Stelle bekommen. Das war vor fünf Jahren.«

»Die Sitzenbleiber der letzten fünf Jahre dürften ja überschaubar sein«, mutmaßte Till.

»Bis morgen Früh haben Sie Ihre Liste«, beschwichtigte ihn die Oberstufenleiterin. »Wollen Sie sie hier abholen?«

Siebels reichte ihr seine Karte. »Bitte per E-Mail oder Fax an mich senden.«

Die Dame vom Sekretariat erschien und übergab der Oberstufenleiterin die gewünschten Papiere. Diese überflog die ausgedruckten Daten, bevor sie das Material Siebels übergab.

»Werden Sie in den Sommerferien verreisen?«, erkundigte Siebels sich.

»Die nächsten drei Wochen bin ich zuhause. Dann sind zwei Wochen auf Kuba geplant. Ich hoffe, der Mord an meiner Kollegin ist bis dahin aufgeklärt.«

»Wir werden Sie in den nächsten Tagen bestimmt noch mal behelligen müssen. Ihre Adresse steht ja auf der Liste hier?«, hakte Siebels nach und wedelte mit dem Papier aus dem Sekretariat.

»Selbstverständlich. Ich wohne im Westend, nicht weit von der Schule entfernt.«

Zurück auf dem Schulhof nahmen die Kommissare auf einer Bank Platz und warfen einen Blick auf die ausgehändigten Daten. Daniel Bach wohnte in der Robert-Mayer-Straße in Bockenheim. Sein Vater war Programmierer bei einer Versicherung, die Mutter arbeitete als Kindergärtnerin. Lukas Batton war in der Feuerbachstraße im südlichen Westend zuhause. Lukas‹ Vater betrieb eine Zahnarztpraxis im gleichen Haus, die Mutter war dort als Zahnarzthelferin tätig.

»Teilen wir uns auf?«, schlug Till vor. »Ich übernehme Daniel, du besuchst Lukas.«

»Okay, aber vorher sollten wir uns gemeinsam die Wohnung der ermordeten Lehrerin genauer anschauen. Die Spurensicherung dürfte mittlerweile mit allem durch sein. Ich habe den Wohnungsschlüssel von der Kollegin des Opfers bekommen.« Siebels schaute in seinem Notizblock nach dem Namen der Frau. »Sybille Jäger heißt sie. Sie unterrichtet Biologie und Chemie.«

Zurück in der Wohnung des Opfers durchsuchten Siebels und Till die Schränke und Schubladen nach Hinweisen auf den Täter. Auf der Fahrt dorthin war Siebels der Gedanke gekommen, dass der Täter im Vorfeld vielleicht Drohbriefe oder Schmähbriefe an sein Opfer geschickt hat. Oder es gab Notizen von Frau Jürgens, die auf einen entsprechenden Schüler hindeuteten. Die Wohnung war eindeutig nur von einer Person bewohnt. Die Altbauwohnung hatte neben Küche und Bad drei geräumige Zimmer. Eines diente als Schlafzimmer, eines als Wohnzimmer und eines als Arbeitszimmer. Siebels nahm sich die Schränke im Wohnzimmer vor, Till das Mobiliar im Arbeitszimmer. Die Ausbeute für Siebels beschränkte sich auf einen Stapel Frauenzeitschriften, Urlaubspostkarten von Freundinnen der Ermordeten, Unterlagen über eine abgeschlossene Lebensversicherung zugunsten der Eltern, Urlaubskataloge von den Kanaren und Balearen und viel bedeutungslosen Krimskrams. »Die Eltern wohnen in Gießen«, fasste Siebels seine Erkenntnisse zusammen. »Die muss wohl auch noch jemand informieren.«

»Hier gibt es hauptsächlich Deutsch und Geschichte«, gab Till seine Ausbeute preis. »Bücher, Lehrpläne, Kommentare zu Referaten, Vorbereitungen für den Unterricht und so weiter. Der Computer ist passwortgeschützt. Ich baue die Festplatte aus, da soll Charly mal einen Blick drauf werfen.«

»Du kannst Festplatten ausbauen?«, staunte Siebels.

»Wenn ich einen Schraubenzieher finde. Wo könnte eine Deutschlehrerin einen Schraubenzieher aufbewahren?«, überlegte Till laut und sah sich um.

»Im Flur, in der Kommode«, riet Siebels und überprüfte das auch gleich. »Volltreffer«, freute er sich und reichte Till einen Satz Schraubenzieher. »Hier liegt auch ihr Handy.« Siebels nahm das angeschaltete Mobiltelefon zur Hand und betrachtete sich Nachrichten und Bilder, während Till den Rechner im Arbeitszimmer auseinanderschraubte. »Hier habe ich doch noch etwas gefunden«, sagte Siebels und zeigte Till ein Foto auf dem Handy.

»Sieht noch ziemlich jung aus«, murmelte Till. »Ein Schüler?«

Das Foto zeigte einen schlafenden jungen Mann mit nacktem Oberkörper in einem Bett. Der Unterkörper war von einer Bettdecke verdeckt.

»Das werden wir hoffentlich bald wissen.«

»Das Foto wurde bei Tageslicht gemacht. Sieht aber eher aus wie ein Liegenbleiber als wie ein Sitzenbleiber«, witzelte Till.

»Vielleicht hat er im falschen Fach die Nachhilfe bekommen und in Geschichte hat es dann nicht mehr gereicht. Werfen wir doch mal einen Blick ins Schlafzimmer.«

»Passt«, befand Till, als er das Bett auf dem Foto mit dem Bett im Schlafzimmer der Lehrerin verglich.

»Passt exakt«, bestätigte Siebels. »Pack das Handy zur Festplatte und ab damit zu Charly. Der findet bestimmt noch mehr.«

Die tödlichen Gedanken

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