Читать книгу Das gefallene Imperium 8: Auf Leben und Tod - Stefan Burban - Страница 3

Prolog

Оглавление

Dunkle Zukunft Samadir Grenzplanet zwischen der Kooperative und der Konföderation demokratischer Systeme 9. Mai 2891

Sergeant Gary Haskel ließ zischend die rechte Armklinge seiner Rüstung ausfahren. Er drehte sich behände um die eigene Achse und erwischte den angreifenden Jackury genau an der Verbindungsstelle zwischen Vorder- und Hinterleib. Der Legionär zerteilte das Insekt mitten im Flug. Die beiden blutigen Bruchstücke setzten ihren Weg ungebremst fort und landeten irgendwo rechts von ihm inmitten der Überreste der bereits verlorenen Schlacht.

Gary ließ sich in die Hocke nieder und nutzte die Rüstungen mehrerer gefallener Kameraden als Deckung. Sein Blick glitt auf der Suche nach weiteren Bedrohungen umher. Gleichzeitig rangen in seinem Inneren Trauer, Fassungslosigkeit und Verzweiflung miteinander.

Die 215. republikanische Legion war vor fünf Tagen als Teil einer multinationalen Streitmacht hier gelandet, um den Planeten gegen den Ansturm des Feindes zu verteidigen.

Die 215. war dabei eine von drei weiteren republikanischen Legionen gewesen. Sie hatten nicht gewusst, worauf sie sich einließen. Wie hätten sie das auch ahnen können? Natürlich hatten sie Gerüchte gehört. Geschichten über grauenvolle Schlachten und Wesen, die man lediglich als albtraumhaft bezeichnen konnte, machten die Runde und wurden bei jeder sich wiederholenden Version weiter aufgebauscht. Gary hatte insgeheim vermutet, diese Schauergeschichten wären stark übertrieben. Er hatte sich grundlegend geirrt.

Kurz nach der Landung hatte es den ersten Feindkontakt gegeben. Die Entsatzstreitmacht für Samadir hatte aus elf Legionen aus drei Sternennationen bestanden. Der Auftrag war einfach genug gehalten: den Verteidigern der Kooperative helfen, die Stellung unter allen Umständen zu halten.

Nun, da Garys Blick über das glitt, was von der 215. und ihren Schwesterlegionen übrig geblieben war, wurde ihm erst so richtig bewusst, wie sinnlos überhaupt der Versuch gewesen war, diese Welt zu verteidigen.

Die republikanischen Truppen hatten dabei eine wirklich beeindruckende Leistung gezeigt. Die Niederlage lag nicht darin begründet, dass die Verteidiger nicht wirklich alles gegeben hätten. Aber die Jackury waren einfach wie eine Naturgewalt über sie hinweggefegt und hatten alles zerstört, mit dem sie in Kontakt traten.

Die Verluste des Feindes waren enorm hoch. Für jeden Legionär waren mindestens fünfzig Jackury gefallen. Das Verhältnis spielte jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Egal wie viele sie töteten, es kamen immer noch mehr nach. Eine unaufhaltsame Flut, die schlichtweg nicht einzudämmen war. Ein Insektenvolk wie die Jackury konnte sich solche Verluste leisten – die Menschen nicht.

Die zerfledderten, zerfetzten Banner der republikanischen Legionen ragten allerorts auf dem Schlachtfeld aus dem Boden. Ein stummes Mahnmal des Scheiterns. Auf einigen war noch das Wappen der 215. zu erkennen und darunter das Motto Ad Mortem. Bis zum Tod. Die Worte klangen nun wie Hohn in Garys Ohren angesichts des Massakers ringsum. Während der Schlacht hatte Garys Helm Schaden genommen. Ein tiefer Riss zog sich quer über die linke Gesichtshälfte.

Dadurch dessen Integrität nicht länger gewährleistet und Rauch sowie Qualm und der unverwechselbare Gestank des Schlachtfelds drangen in seine Nase. Der Legionär verzog das Gesicht. Am schlimmsten war der metallische Geruch menschlichen Blutes.

Gary schlich vorsichtig weiter. Er versuchte, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Die meisten Jackury waren weitergezogen, aber nun streiften die Hinrady – große gorillaähnliche Wesen – über den Schauplatz der gewaltigen Niederlage. Hin und wieder hoben sie ihre hässliche Schnauze in die Luft und nahmen Witterung auf. Sie machten den Eindruck, etwas zu suchen.

Gary umrundete vorsichtig das brennende Wrack eines abgestürzten Gefechtstaxis. Er bemühte sich, die Trümmer zwischen sich und dem nächsten Hinradytrupp zu halten. So etwas wie einen spezifischen Plan hatte er sich noch nicht zurechtgelegt. Sein Hauptaugenmerk lag erst einmal darauf, am Leben zu bleiben. Alles Weitere musste man sehen.

Gary setzte einen Fuß neben den anderen, als er sich seitlich um das Wrack bewegte. Trotz seiner Größe und des Gewichts der Rüstung verursachte er kaum ein Geräusch. Gary sah nach oben. Der Himmel war beinahe frei. Nur einige Hinradyjäger flogen Patrouille.

Der letzte Auftrag, den die 215. erhalten hatte, bevor sie zugrunde gegangen war, lautete, den Vormarsch des Feindes auf den Raumhafen aufzuhalten und so den zivilen Evakuierungstransportern Zeit zur Flucht zu geben. Er rümpfte die Nase. Innerhalb von fünf Tagen hatte sich ihr Kampfauftrag von Verteidigung gewandelt hin zu Evakuierung und Deckungsfeuer für die Zivilisten. Wie hatte es nur so weit kommen können?

Gary richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt. Er durfte sich nicht ablenken lassen. Ablenkung brachte den Tod. Er hatte nicht bis jetzt überlebt, um dann doch noch durch Nachlässigkeit das Zeitliche zu segnen. Die Hinrady hatten ihn bisher nicht entdeckt. So viel Glück war kaum zu fassen.

Und natürlich hielt es nicht an. Gary wandte sich gerade um, als ein Schatten direkt vor ihm aus dem Boden zu wachsen schien. Der Hinrady war nicht weniger überrascht als Gary selbst. Die Kontrahenten überwanden die Schrecksekunde etwa zur selben Zeit.

Der Hinrady war zu nah für Garys Nadelgewehr. Außerdem hätten Schüsse wohl weitere feindliche Trupps angelockt. Gary ließ das Gewehr einfach fallen und fuhr seine beiden Armklingen aus.

Die Hinrady führten eine Energiewaffe am Handgelenk, doch auch ihre gewaltigen Pranken und die Hauer, die ihre Eckzähne bildeten, stellten eine nicht zu unterschätzende Bedrohung dar. Der Hinrady schlug zu. Gary wich seitlich aus. Es gelang ihm jedoch nicht völlig, dem Hieb zu entkommen. Der Helm wurde ihm schmerzhaft vom Kopf gerissen.

Der Hinrady schlug erneut zu, diesmal mit einer Links-rechts-Kombination, die Gary an der Brust traf und mehrere Schritte zurücktrieb. Der feindliche Krieger setzte nach.

Garys Fuß stieß gegen etwas und er strauchelte. Aber anstatt gegen den Sog der Schwerkraft anzukämpfen, nutzte er ihn, ließ sich rücklings fallen und rollte sich über die rechte Schulter ab. Die Rüstung stellte dabei kein Hindernis dar. Im Gegenteil. Ihr Gewicht half ihm dabei, seinen Schwerpunkt zu verlagern und anschließend das Gleichgewicht zurückzuerlangen.

Das Manöver überraschte den gegnerischen Krieger. Dieser stutzte für einen Moment, grunzte etwas, was sich beinahe nach einer Art Sprache anhörte – und griff erneut an. Dieses Mal war Gary jedoch gut vorbereitet.

Er duckte sich unter dem ersten Prankenhieb. Die Aktion war nicht ungefährlich. Er hatte gesehen, wie Hinradykrieger während der Schlacht Legionären die Rüstung mit bloßen Händen und Klauen eingedrückt oder sogar aufgerissen hatten.

Garys rechte Klinge kam hoch und schlitzte die Panzerung am linken Schenkel auf. Die speziell gehärtete Spitze drang tief in das Fleisch darunter. Blut spritzte und besudelte Garys Gesicht und Rüstung. Der Hinrady brüllte – und schlug erneut zu. Gary duckte sich abermals und vollführte dieselbe Attacke auf das rechte Bein des Gegners. Der Hinrady kreischte erneut, diesmal vor echtem Schmerz. Beide Beine des Primaten knickten ein. Er sank vor Gary auf die Knie.

Der Legionär ragte über seinem gestürzten Gegner auf. Ihre Blicke kreuzten sich. Unheilvolle Intelligenz funkelte in den Augen des Hinrady. Und noch etwas anderes. Stolz vielleicht? Gemischt mit Trotz? Gary ballte die rechte Hand zur Faust. Sie beide wussten, was nun folgte.

Der Hinrady hatte keine Chance. Dennoch versuchte er es. Seine rechte Pranke mit der daran befestigten Energiewaffe kam hoch. Aber Garys Armklinge war schneller. Ein mittels seiner Rüstung verstärkter Hieb trennte den Kopf des Hinrady sauber vom Rumpf. Das Haupt des gefallenen Gegners kullerte über den Boden und kam neben der Leiche eines Legionärs zum Stillstand. Der Rumpf des Kriegers blieb noch einen Moment aufrecht stehen, als würde sich der Hinrady immer noch weigern, klein beizugeben. Dann fiel er beinahe in Zeitlupe zur Seite.

Gary keuchte. Sein Atem ging nur noch stoßweise. Er sah sich vorsichtig um. Der kurze Zweikampf schien keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben. Zum Glück! Er war kaum in der Verfassung, sich einem weiteren Schlagabtausch dieser Art zu stellen.

Gary torkelte erschöpft weiter. Sein Ziel lag klar vor ihm: erst mal vom Schlachtfeld entkommen. Er schaffte es nicht weit. Der Boden gab plötzlich unter ihm nach und er stürzte in einen schwarzen Abgrund. Der Fall dauerte lediglich Sekundenbruchteile. Ihm kam es jedoch vor wie eine Ewigkeit.

Gary spürte mit einem Mal kalten Stahl an der Kehle. Er hielt inne. Ohne Helm verfügte er nicht über ein Nachtsichtgerät. Er wusste nicht – er konnte nicht wissen –, welchem Gegner er dieses Mal gegenüberstand.

»Lass ihn!«, hörte er unvermittelt eine menschliche Stimme sagen. »Das ist einer von uns.«

Die Klinge wurde von seinem Hals genommen und Gary richtete sich zögernd auf. Die Nachtsicht seiner Augen stellte sich für sein Empfinden quälend langsam ein. Dennoch gelang es ihm bald, einzelne Umrisse zu erkennen. Er befand sich in einem Erdloch, das aussah, als sei es von den Jackury gegraben worden. Vermutlich handelte es sich um einen Verbindungskorridor zwischen zweien ihrer Nester. In dieses Loch kauerten sich etwas mehr als zwanzig Legionäre.

Gary gelangte endlich in eine sitzende Position. Einer der Legionäre reichte ihm einen Helm und er setzte ihn dankbar auf. Gary rümpfte die Nase. Das Innere roch ekelerregend nach Blut und den Resten von Gehirnmasse. Der frühere Besitzer würde den Helm wohl nicht länger brauchen.

Die Verbindungssegmente zu seiner Rüstung rasteten ein und das Nachtsichtgerät wurde aktiviert. Gary sah sich abermals um. Die Männer, die sich dieses eher ungewöhnliche Versteck ausgesucht hatten, gehörten alle zur zwo eins fünf. Gary atmete erleichtert auf.

Der Name des Soldaten, der ihm die Klinge an die Kehle gehalten hatte, war Lance Corporal Viktor Tassarow von der Sturmkohorte der zwo eins fünf.

Tassarow nickte ihm schmunzelnd zu, während er seine vor Schmutz starrende Klinge an einem Stück Stoff säuberte. »Hast noch mal Glück gehabt. Um ein Haar hätte ich dich erledigt.«

»Sehe ich etwa aus wie ein Hinrady? Oder vielleicht wie ein Jackury?«

Tassarow zuckte mit den Achseln. »Wenn jemand einfach so von oben durch die Decke fällt, dann denke ich über so was nicht nach. Lieber mache ich einen Fehler, als zu verrecken.«

Gary ließ das mal so stehen und begutachtete lieber seine Leidensgenossen. »Also?«, fragte er in die Runde. »Was habe ich verpasst?«

Allgemeines Grunzen bis hin zum Kichern war die Antwort. Gary entspannte sich etwas, nun, da er nicht länger allein den Unbilden dieser Schlacht allein ausgeliefert war.

Gary wurde jedoch schnell wieder ernst. »Weiß jemand, was aus General Laroque geworden ist?«

»Tot«, kommentierte Tassarow gelassen, während er weiterhin seine Armklinge säuberte. »Ein paar Jackury haben ihn davongeschleift.«

Trauer überkam Gary. Laroque war ein guter Mann gewesen. Er hätte etwas Besseres verdient gehabt. Gary hob den Blick. Aber das traf auf alle anderen auch zu, die am heutigen Tag den Tod gefunden hatten.

»Und der Rest der Legion?«

Einer der anderen beugte sich vor. »Teile der Sturmkohorte und beider Kampfkohorten konnten sich mit den letzten Zivilisten absetzen. Ich habe ihren Transporter abheben und in den Wolken verschwinden sehen. Vielleicht haben es auch noch andere Einheiten vom Planeten geschafft.«

Gary merkte auf. »Ganz sicher?«

Der andere Legionär nickte.

Garys Körper sackte leicht nach hinten. »Dann ist die Evakuierung also erfolgreich verlaufen. Die Legion hätte sich nicht zurückgezogen, solange der Auftrag nicht erledigt wäre.«

Tassarow schnaubte. »Das hilft uns aber nicht viel weiter. Uns haben sie hier im Dreck zurückgelassen.«

»Sie konnte ja wohl schwerlich jeden versprengten Soldaten suchen«, verteidigte Gary deren Vorgehen. Neue Energie durchströmte ihn. Er hatte bis gerade eben angenommen, die komplette Einheit sei ausradiert worden. Dies war nun ganz offensichtlich nicht der Fall. Dass Teile der zwo eins fünf entkommen waren, fühlte sich irgendwie tröstlich an. Die Einheit hatte überlebt und ihren Auftrag ausgeführt. Gary sah sich in dem engen Erdloch um. Es führten schmale Korridore nach Norden und Westen. Er erhob sich, so weit es ihm möglich war, und verharrte in gebückter Haltung.

»Nun, Gentlemen? Will mich jemand begleiten, wenn ich mir einen Weg aus diesem Schlamassel suche?« Sein Blick glitt der Reihe nach von einem zum anderen. »Oder zieht ihr es vor, hier zu verweilen, bis zufällig ein Jackury vorbeikommt und über euch stolpert?«

Das brachte tatsächlich Leben in die Legionäre. Sie erhoben sich und das mechanische Knacken durchgeladener Nadelgewehre erfüllte die Luft.

»Und wo soll’s hingehen?«, wollte Tassarow wissen.

»Erst mal weg von hier«, kommentierte Gary. Er setzte sich in Bewegung und nahm den Korridor nach Norden. Eine Richtung war im Moment so gut wie die andere. Sein Blick fiel auf einen am westlichen Korridor am Boden liegenden Gegenstand. Er bückte sich und hob ihn auf.

Es handelte sich um ein halb im Dreck verschüttetes Banner der 215. Legion. Das Banner war sogar noch in recht gutem Zustand.

»Lass es liegen«, meinte Tassarow abfällig. »Es hält dich nur auf.«

Im ersten Moment war Gary tatsächlich versucht, Tassarows Ratschlag zu befolgen. Aber etwas hielt ihn zurück. Er musterte das Wappen seiner Legion: einen Zerberus. Der linke und rechte Kopf des mythologischen Tieres war tot. Der mittlere aber hatte kampflustig den Kopf gesenkt und drohte mit hochgezogenen, blutverschmierten Lefzen irgendeinem Gegner.

Das Banner stand für etwas. Die zwo eins fünf war immer noch am Leben und aktiv. Das Banner zurückzulassen, erschien ihm nicht richtig. Im Übrigen hatte er das Gefühl, es wäre ein Zeichen. Das Banner hatte in den westlichen Korridor gedeutet. Es war verrückt und entbehrte jeder vernünftigen Grundlage, aber Gary deutete in das dunkle Loch, das ihnen entgegengähnte. »Wir gehen dort entlang.«

Tassarow wirkte nicht überzeugt. »Hat das auch einen bestimmten Grund?«

Gary lächelte geheimnisvoll. »Nicht wirklich. Ist nur so eine Ahnung.«

Er ging voran, das Banner fest mit den Händen umklammert. Nacheinander folgten ihm die überlebenden Legionäre hinein in die Dunkelheit.

Das gefallene Imperium 8: Auf Leben und Tod

Подняться наверх