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5. Überzogene Erwartungen

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Bei einer behutsamen Analyse ergibt sich ferner, dass Lehrende – insbesondere Einsteiger in die Hochschullehre – sich und ihre Studierenden gleichermaßen überfordern. Besonders häufig begegnet das im Bereich der Grundkurse und Proseminare. Hier wird überdurchschnittlich oft vermutet, Studierende seien nach Abschluss des Seminars auf den höheren Bloom’schen Taxonomiestufen Analyse oder Synthese angelangt und in der Auseinandersetzung mit der exegetischen Fachliteratur sei auch die höchste Stufe Evaluation denkbar. Ein solcher Anspruch kann alle Beteiligten nur überfordern. Dennoch ist die Überzeugung, Studierende seien nach Abschluss des Proseminars in der Lage, Exegesen zu schreiben, immer wieder anzutreffen. In den Hauptseminaren wird exegetische Methodenkompetenz meist stillschweigend vorausgesetzt und das Entsetzen ist groß, wenn Studierende hier noch Schwierigkeiten haben. Es scheint mitunter, als hätten die Lehrenden vergessen, welchen Lernweg sie selbst zurücklegten und wie lange sie dafür brauchten. Nicht selten sind sie beseelt davon, alle ihre guten Ideen sofort weiterzugeben, und vergessen dabei, dass den Studierenden in der Studieneingangsphase die Feldkompetenz fehlt, die sie sich im Rahmen ihres Studiums (und häufig auch im Rahmen ihrer Promotion) erarbeiteten.

Wenn man sich die gängige Choreographie eines exegetischen Proseminars noch einmal vor Augen führt, ist das nicht verwunderlich. Studierende werden in diesen Veranstaltungen oft über Referate und Vorträge an exegetische Methoden herangeführt und bekommen diese meist nur vorgeführt. Wenn nicht schon in die Lehrveranstaltung selbst Übungsphasen eingebaut werden, ist die Proseminararbeit der erste und einzige Ort, an dem die Studierenden eigenständig mit den Methoden arbeiten. Dass ein einziger vollständig durchlaufener Arbeitszyklus, dem eine nachhaltige Evaluationsschleife oftmals sogar fehlt, nicht ausreicht, um methodensicher zu werden, liegt auf der Hand. Ebenso ist bei einem nüchternen Blick auf die Situation klar, dass Studierende nach einem Semester nicht die methodische und hermeneutische Feldkompetenz ihrer Lehrenden haben. Welchen hermeneutischen Hintergrund und welche Geschichte einzelne Methoden haben, welche Methoden man für welche Texte und Fragestellungen auswählen sollte und welche keine hilfreichen Ergebnisse zeitigen werden, können exegetische Laien nach einem Semester noch nicht einschätzen. Die Mehrzahl der Lernenden ist zu diesem Zeitpunkt noch vollauf damit beschäftigt, die Methodenschritte nachzuvollziehen und nicht laufend handwerkliche Fehler zu machen. Hier bereits die Evaluation einer Auslegung zu erwarten, kann eigentlich nur schief gehen. Das ist nicht verwunderlich. Wie Rolf Dobelli unlängst in einem anderen Zusammenhang festhielt, braucht es wenigstens ein Jahr, um sich mit den Basiskonzepten eines neuen Sachgebiets vertraut zu machen.1

Perspektiven bibelwissenschaftlicher Hochschuldidaktik

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