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1Die systemtheoretische Sicht auf Organisationen
ОглавлениеSich Organisationen aus einer systemtheoretischen Perspektive anzunähern stellt in mehrfacher Hinsicht eine gewisse Zumutung dar. Dies liegt zum einen darin begründet, dass innerhalb des systemtheoretischen Paradigmas allgemein geteilte – und in der Regel für gültig betrachtete – Annahmen hinsichtlich des Zwecks und der Steuerung von Organisation ebenso wie die Rolle derjenigen, die für die Steuerung von Organisationen zuständig sind (in der Regel Manager), nicht nur kritisch beleuchtet, sondern bisweilen auch auf den Kopf gestellt werden.
Der zumutende Charakter eines systemtheoretischen Verständnisses von Organisationen zeigt sich zum anderen darin, dass eine Auseinandersetzung mit diesem Theoriewerk die Leser bisweilen an das Erlernen einer Fremdsprache erinnert: Da werden Organisationen als selbstreferenzielle oder autopoietische Systeme bezeichnet, die sich operational schließen, zugleich jedoch auf Fremdreferenz angewiesen sind. Es werden Maßnahmen empfohlen, um eine Beobachtung 2. Ordnung zu ermöglichen, alles um bestmöglich mit Kontingenz bzw. doppelter Kontingenz umzugehen. Die Organisationsmitglieder werden als psychische Systeme bezeichnet, die lediglich über strukturelle Kopplung mit der Organisation verbunden sind, aber eigentlich der Umwelt der Organisation zugerechnet werden müssen usw.
Dass systemtheoretische Annahmen trotz dieser »Zumutungen« auch in organisationstheoretischen Standardwerken Berücksichtigung finden (vgl. Kieser u. Ebers 2006) und es zudem innerhalb der Sozialen Arbeit erste Bemühungen gibt, systemtheoretische Erkenntnisse auf die Steuerung von Organisationen zu beziehen (vgl. Bauer 2013; Gesmann 2014; Lambers 2015), erscheint daher erklärungsbedürftig. Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als Versuch, eben jene Erklärungsansätze zu bieten. Hierbei wird das Ziel verfolgt, Eckpunkte eines systemtheoretischen Verständnisses von Organisationen aufzuzeigen und diese von einem traditionellen, eher betriebswirtschaftlich geprägten Organisationsverständnis abzugrenzen.
Zu diesem Zweck findet in Kapitel 1.1 eine Präzisierung statt, was überhaupt unter einer Organisation zu verstehen ist. Vier allgemeine Charakteristika helfen hierbei, Organisationen von anderen sozialen Gebilden (wie z. B. einer Gruppe von Freunden oder der Schlange im Supermarkt an der Kasse) abzugrenzen. Diese vier grundlegenden Charakteristika von Organisationen dienen nachfolgend auch als Ordnungskriterien, um Unterschiede (und mögliche Gemeinsamkeiten) zwischen einem eher traditionellen zweckrationalen und einem systemtheoretischen Organisationsverständnis aufzuzeigen.