Читать книгу Tod im Kanzleramt - Stefan Koenig - Страница 6
Es geschah
ОглавлениеFolgendes geschah im Jahr 2019: An jenem Abend, als die größte Hitzewelle in der Geschichte Mitteleuropas endlich zusammenbrach - am Abend des 20. Juli 2019 -, wurde die gesamte Region rund um Brandenburg und Berlin von den heftigsten Gewitterstürmen heimgesucht, die ich je erlebt habe. Angela Merkel, ihre Partygesellschaft und mich erwischte es ausgerechnet am Abend, als die Galaparty im Kanzleramt ihren unheilvollen Anfang nahm.
Jetzt fragen Sie sich, wie ich aus einer Zukunft in der Vergangenheitsform berichten kann, obwohl jeder BILD-Leser weiß, dass dies unmöglich ist. Ich erwarte von Ihnen allerdings Aufgeschlossenheit und keine Vorurteile gegenüber BILD-Lesern; insbesondere appelliere ich an Ihre Vorstellungskraft – und an Ihre Wahrhaftigkeit. Wie oft haben Sie schon behauptet, Sie hätten Pferde kotzen sehen? Sehen Sie, das ist es, was ich meine. Mein Name ist Stefan Koenig und ich denke, auch Sie sollten verstehen - rechtzeitig verstehen! – dass es Dinge gibt, die zwar nicht durch unsere verschlungenen Hirnwindungen wollen, und doch existieren diese Dinge.
Die Ereignisse, die den heftigen Gewitterstürmen nach heutiger Sicht vorausgingen und sie in gewisser Weise beeinflussten, überstürzten sich Anfang des Jahres 2015. Niemand anderes als Deutschlands Kanzlerin, die Ex-Physikerin Angela Merkel, wusste besser, dass das in diversen kritischen Magazinen umgehende Gerücht stimmte. Es gab auf europäischem Boden ein einmaliges Fracking-Experiment; ein physikalisches Forschungsprojekt mit einem Sonderetat, bestritten vom IWF, dem Internationalen Währungsfonds, der eigentlich den USA gehört. Man munkelte von 143 Milliarden Euro. Doch wer immer Angie ausforschte, um herauszufinden, wo genau dieses Experimentierfeld lag, blieb erfolglos. Sie blieb schweigsam. Auch bei dieser Frage fügten sich ihre Hände automatisch zur Raute. Es entzieht sich freilich meiner Kenntnis, inwieweit Joachim Sauer, ihr Gatte, übrigens auch ein Physiker, diese Situation hinzunehmen bereit war. Jahre später, auf der Party, von der hier zu berichten ist, habe ich sie und ihn darauf angesprochen. Doch dazu komme ich noch.
Im Januar 2015 flog die Kanzlerin mit ihrem damaligen Außenminister, Frank-Walter Stein-meier, nach Minsk, um ein Abkommen zu unterzeichnen. Ich kam mit, denn als ihr biografischer Auftragsautor sollte ich dieses wichtige Treffen zwischen Putin, Poroschenko, Hollande und ihr nicht versäumen.
Solche politische Treffen langweilen mich in der Regel zu Tode, aber hier in Minsk traf ich einen ukrainischen Reporter, mit Vornamen Oleksander, mit ziemlich fanatischen Augen, und irgendwie machte er kein Hehl aus seinen wahren Interessen. „Wir brauchen keinen Waffenstillstand“, sagte er mir an der Bar im Foyer, als ich mir in einer Besprechungspause ausnahmsweise zwei Red Bull am Stück genehmigte. Es war drei Uhr morgens und es schien, als würden sich die Verhandlungen noch sechs Stunden hinziehen, nachdem nun bereits acht Stunden hintereinander verhandelt worden war. Mir brummte der Kopf. Ich schluckte hinter vorgehaltener Hand ein Tebonin; dann ein zweites. Schließlich eine Kapsel Ginseng.
„Das riecht nach einer russischen Finte!“ sagte er, als mir die weißrussische Blondine hinter der Bar den Energydrink einschenkte. „Und Putin mit seinen Oligarchen steckt mit der EU unter einer Decke, so wahr mir Gott helfe!“
Das alles interessierte mich nicht; von lausigen Journalisten-Analysen halte ich mich fern. Es gibt selten Presseleute, denen ich heute noch vertraue. Aber das ist meine ganz persönliche Einstellung, die ich selbst vor der Kanzlerin geheim halte.
Ich sah ihn mit leicht gespieltem Interesse an und stellte ihm, innerlich zutiefst gelangweilt, eine der damals üblichen Fragen. „Wie entwickelt sich eigentlich …“, so fragte ich Oleksander, „… die Wirtschaft in eurem Land?“
Eine ganz normale Frage, wie ich finde, insbesondere wenn man bedenkt, wofür die Menschen im März 2014 angeblich auf Kiews Straßen gegangen waren. Aber er sah mich an, als habe ich in ein Wespennest gestochen, und dann sprudelte etwas aus ihm heraus, was ich erst heute, vier Jahre später, in einen logischen Zusammenhang bringen kann. Und das wiederum hängt mit dem schrecklichen Nebel rund um Berlin zusammen, der dem ungewöhnlichen Sommersturm folgte. Doch alles der Reihe nach.
Oleksander berichtete aus seiner westukrainischen Heimat, nahe Kiew, wo er auf ungewöhnliche Bauarbeiten, sehr ungewöhnliche Arbeiten, aufmerksam wurde. 140 km Luftlinie nördlich der ukrainischen Hauptstadt liegt Tschernobyl, ein atomarer Langzeittrümmerhaufen aus dem Jahr 1986. Atomarer Fallout hatte damals im Mai weite Strecken Nord- und Mitteleuropas verseucht. Frische Milch gab es nur mit atomaren Rückständen. Dabei war nicht das Verfallsdatum der Milch, sondern das Zerfallsdatum des viele Jahrtausende haltbaren Strontiums, Cäsiums und Plutoniums von Interesse. Ich musste auf abenteuerlichste Weise Säcke voller Milchpulver aus der Vorjahresproduktion für befreundete Eltern und für den Kindergarten, in den meine drei Söhne gingen, besorgen. Ich war Elternvertreter und seit jeher Atomkraftgegner.
Nur fünfzig Kilometer westlich dieses unrühmlichen Atom-Molochs entdeckte Oleksander den Bauzaun um ein riesiges, etwa fünfzig Hektar großes Areal. In der ersten Zeit ließ die Absperrung noch Einblicke zu, wie er sagte. Aber schon nach einer Woche wurde der kilometerlange Zaun mit einer hohen Sichtblende versehen. Die Oblast Kiew, zu dessen Regierungsbezirk das weithin verseuchte Gelände gehört, hatte den Bebauungsplan geändert; das Gelände, das ursprünglich für Monsantos gentechnische Feldversuche vorgesehen war, wurde nun einem amerikanischen Schiefergasunternehmen zugeschrieben. Aber selbst ihm, Oleksander, dem treuen Mitarbeiter des ukrainischen Staatsfernsehens und begeisterten Maidan-Demonstranten, erteilte die zuständige Behörde lediglich die lapidare Antwort: Es handele sich um ein internationales Forschungsprojekt zur Erderwärmung. Und ja, es stimme, der Sohn des amerikanischen Vizepräsidenten, Hunter Biden, sei von der Kiewer Zentralregierung zu einem der zwei wissenschaftlichen Direktoren ernannt worden.
Oleksander wurde gebeten, nicht über dieses Geheimprojekt zu berichten, da er ansonsten mit Schwierigkeiten zu rechnen habe. Aber damals, 2015, an der Bar im Prunkpalast von Minsk, erzählte er mir trotz Sprechverbot davon, während die Kanzlerin die Toilette aufsuchte, sich erfrischte und neu schminken ließ. Vielleicht hatte Oleksander ein wenig zu viel getrunken; vielleicht wollte er sich auch nur ein wenig wichtig tun, hatte ich ihm zuvor doch auf seine Frage, für wen ich arbeite, geantwortet, dass ich ein persönlicher Mitarbeiter der deutschen Kanzlerin sei. Nun gut, auch das war in gewisser Weise eine Aufschneiderei, weil ich ihn im Unklaren ließ, in welcher Funktion ich diente. Tatsächlich bin ich lediglich ein armseliger Hilfsautor für die Erstellung von Angies Biographie, und das nun schon seit über vier Jahren.
Wie mir Oleksander am Tresen berichtete, rückten irgendwann Bohrkräne an, und es begannen monatelange geheime Bohrarbeiten. Er verfolgte das Projekt nicht weiter und ging als Kriegsberichterstatter an die Front in der Ostukraine. Wir sahen uns nie wieder.