Читать книгу 66 Motive für Mord - Stefan Millius - Страница 6

Mordmotiv 3: Melonenklopfer

Оглавление

Es mag fallweise Sinn machen, eine Tomate oder eine Nektarine vor dem Erwerb kurz zu prüfen, um sicherzustellen, dass das Ding nicht bereits auf dem Heimweg vor sich hin fault. Dazu reicht die optische Kontrolle manchmal nicht. Man wird zwar am Regal kritisch bis missbilligend beäugt, wenn man ein Stück Gemüse oder eine Frucht betastet, aber seien wir ehrlich: Auf dem Weg von der Produktionsstätte bis ins heimische Ladengestell sind die Dinger durch eine Million Hände gegangen – da kommt es auf eine mehr oder weniger nicht mehr an, und man tut ohnehin gut daran, sie vor dem Verzehr zu waschen.

Was aber gar nicht geht, ist diese Melonenklopferei. Ich gehe jede Wette ein: Kein einziger dieser Wichtigtuer, die mit geschlossenen Augen und hochangespanntem Gesichtsausdruck mitten in der Fruchtabteilung im Weg herumstehen und auf einer Melone herum klopfen, hat auch nur die geringste Ahnung, wie eine wohlschmeckende, im Reifeprozess perfekt positionierte Melone klingen soll. Was erwarten die? Dass ein Fanfarenkonzert oder eine Panflötenmelodie ertönt? Diese Leute haben die Technik mal irgendwo im Fernsehen gesehen oder davon gelesen und wollen nun im örtlichen Supermarkt als Melonenklangexperten gross auftrumpfen. Alles, was man mit irgendwelchen Klopfereien auf einer Melone allenfalls eruieren kann, ist, ob es überhaupt was drin hat. Wäre es möglich, durch Klopfgeräusche mehr zu erfahren, wäre das ein Fall für entsprechende Wett-Sendungen im TV.

Wo soll das Ganze enden? Möglicherweise ist die wahre Qualität einer Melone ja nur dadurch festzustellen, dass man sie dem Boden entlang rollen lässt und die Rollbahn genau beobachtet. Oder man wirft sie hoch und beurteilt den Reifegrad anhand des Zischgeräusches, das entsteht, wenn sie wieder Richtung Boden saust. Oder wie es klingt, wenn sie auf dem Boden aufschlägt. Finden wir uns doch einfach damit ab: Eine Melone hat eine Schale, man kann nicht hineinsehen, und mit diesem letzten bisschen Ungewissheit in unserem Leben müssen wir nun einmal umgehen können. Soll das Leben nicht noch das eine oder andere Rätsel für uns bereithalten?

Zudem sind solche absurden Supermarkteinlagen ansteckend. Es wurden bereits Leute beobachtet, die Brot abklopften, und in einzelnen Fällen soll es vorgekommen sein, dass Reispackungen durch intensives Schütteln geprüft wurden. Wozu das alles? Wir leben in einer Hemisphäre, in der die Lebensmittel eine überdurchschnittliche Qualität aufweisen. Ist das mal nicht der Fall, reicht ein Gang zum Kundenschalter, um Ersatz oder eine Gutschrift zu erhalten – die Kulanz ist sehr hoch. Jedenfalls viel höher, als die Toleranzschwelle gegenüber Melonenklopfern.

Persönlicher Tipp: Beim nächsten Anblick eines Melonenklopfers zu ihm hingehen, ihm eine Kopfnuss verpassen und mit konzentriertem Gesichtsausdruck dem entstehenden Hall nachlauschen.

Vorgeschlagene Mordmethode: Melone kaufen (ohne Klopfprüfung!), öffnen, aushöhlen, satt sitzend über den Kopf des Melonenklopfers stülpen, abwarten.



66 Motive für Mord

Подняться наверх