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VERANTWORTUNGSVOLLE MEDIENNUTZUNG

Medien gehören längst zum Alltag von Kindern und Jugendlichen dazu. Viele wünschen sich schon ein eigenes Smartphone, bevor sie sich überhaupt die Schnürsenkel binden können. Während die Nutzung traditioneller Medien wie Fernseher, Radio und Zeitung im letzten Jahrzehnt leicht zurückging, steigt die Nutzung neuer Medien kontinuierlich an. Laut der Bitkom-Studie 2019 hat sich die Smartphone-Nutzung von Kindern im Alter von sechs bis neun Jahren in den letzten fünf Jahren verdoppelt. 2019 nutzten 68 Prozent der Kinder das Internet ein- bis mehrmals pro Woche. Bei den 12- bis 13-Jährigen waren es sogar 91 Prozent. Im Durchschnitt verbrachten Kinder zwischen sechs und elf Jahren 150 Minuten pro Tag mit elektronischen Medien, Jugendliche im Schnitt 330 Minuten pro Tag.

Auswirkungen von häufiger Mediennutzung

Die Auswirkungen häufiger Mediennutzung sind weitreichend und greifen in viele Bereiche der Entwicklung eines Kindes ein:

 Es gibt deutliche Zusammenhänge zwischen dem Medienkonsum von Kindern und Entwicklungsauffälligkeiten wie Sprach- und Konzentrationsstörungen (BRIKK-Medienstudie 2017) – und zwar bereits bei einer Dauer von 30 Minuten bei 2- bis 9-Jährigen.

 Wissenschaftler konnten zudem einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Nutzung elektronischer Medien und Übergewicht (erhöhter Body-Mass-Index) nachweisen, welches ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Konzentrations- und Lernfähigkeit von Kindern hat.

 Neue Medien wirken sich auf das Gehirn von Kindern aus. Neueste Forschungen aus dem Bereich der Neurowissenschaften zeigen, dass sich durch die Nutzung neuer Medien unsere Gehirnzellen langfristig verändern. Kindern, die solch einer anhaltenden Sinnesüberreizung ausgesetzt sind, können vermehrt zu AD(H)S-Symptomen neigen.

 Forscher befürchten bei Kindern mit erhöhter digitaler Mediennutzung eine Schwächung jener Areale im Gehirn, die für den zwischenmenschlichen Kontakt zuständig sind. Grund dafür ist, dass diese Kinder zum Teil schlechter in der Lage sind, körpersprachliche Signale ihres Gegenübers zu deuten.

 Auch im Hinblick auf Social-Media wie Instagram und Facebook dürfen die negativen Aspekte nicht aus dem Auge verloren werden. Die ständige Vernetztheit mit »Freunden« kann nämlich durchaus auch ihre Kehrseite haben. So belegen zum Beispiel Studien, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der vermehrten Social-Media-Nutzung von Kindern und Jugendlichen und dem Anstieg von Angstzuständen, Stress und Depressionen.

 Auch das Thema Sucht sollte nicht unterschätzt werden: 86 Prozent der Jugendlichen geben an, dass sie es selbst problematisch finden, dass sie so viel Zeit online verbringen. Hinter jeder Sucht verbergen sich Sehnsüchte. Im Fall der neuen Medien etwa nach Anerkennung und nach Zugehörigkeit.

Es gibt Eltern und Lehrer, die glauben, dass Kinder durch kindgerechte Sendungen mit Lerninhalten leicht selbstständig Dinge lernen können – so wie zum Beispiel mithilfe von Videos, in denen man lernt, einen Kuchen zu backen. Doch Kinder lernen mit allen Sinnen. Daher kann es sein, dass nach so einem Lehrvideo letztendlich nicht mehr als eine »klebrige Masse« in ihren Köpfen übrigbleibt. Wohingegen beim gemeinsamen echten Backen der Tastsinn, der Geruchssinn, die Augen und die Feinmotorik geschult werden und sie wie im Handumdrehen Mengenmaße, Lebensmittelkunde und Zeiteinheiten vermittelt bekommen.

Die Mediennutzung bringt aber auch Chancen mit sich: Einige Neurowissenschaftler sprechen von positiven Entwicklungen, weil sie beispielsweise davon ausgehen, dass bei Kindern, die neue Medien nutzen, die Fähigkeit ausgebaut wird, schnell auf visuelle Stimuli zu reagieren. Denn auch hier verändert sich das Gehirn, sodass Kinder lernen, rascher große Informationsmengen zu verarbeiten.

Kindgerechte und somit verantwortungsvolle Mediennutzung

Verglichen mit Erwachsenen ist es für Kinder meist schwieriger, Impulse zu kontrollieren. Neue Medien sind aber so konstruiert, dass sie ununterbrochen Impulse aussenden. Wenn es Ihnen schon schwerfällt, nicht andauernd auf ihr Smartphone zu schauen, wie schwer muss es dann also erst für Ihr Kind sein?

Es ist sicher keine leichte Aufgabe, Kinder dabei zu begleiten, sich Freiräume in ungestörter Konzentration, fernab von medialen Einflüssen zu erarbeiten. Aber es lohnt sich allemal. In einer Zeit, in der neue Technologien immer einnehmender werden und unser Leben immer mehr durchdringen, wird es immer wichtiger sein, sich diese Freiräume zu schaffen. Denn für unsere Entwicklung, unsere Persönlichkeit und unser Gehirn wird die Notwendigkeit zu lernen, eigenständig zu denken und fokussiert und konzentriert zu sein, immer bestehen bleiben. Trotz aller technischen Neuerungen.

Das können Eltern tun

 Seien Sie Vorbild! Die Mediennutzung der Kinder hängt stark mit jener ihrer Eltern zusammen. Stellen Sie Ihren Medienkonsum also kritisch infrage. Im Durchschnitt checkt ein Erwachsener allein 150-mal am Tag sein Smartphone. Legen Sie das Gerät daher so oft es geht zur Seite oder schalten Sie es aus, wenn Sie mit Ihrem Kind zusammen sind.

 Schaffen Sie Wissen und damit Verständnis! Es bringt nichts, die Medien zu verteufeln. Medien sind weder gut noch schlecht, es kommt auf den Umgang mit ihnen an. Erklären Sie auf altersgemäße Art die Risiken, die mit einem erhöhten Medienkonsum einhergehen. Fragen Sie, wie sich Ihr Kind nach dem elektronischen Medienkonsum fühlt.

 Stellen Sie gemeinsam Regeln auf! Für einen verantwortungsbewussten und kompetenten Umgang mit elektronischen Medien sind Begleitung und Unterstützung zentral. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Problematik eines erhöhten Medienkonsums und erarbeiten Sie gemeinsam einen Plan, wie sich der Konsum einschränken lässt. Regeln bringen jedoch nur etwas, wenn sich alle daran halten – das gilt auch für die Eltern. Führen Sie feste Zeiten und Orte für die elektronische Mediennutzung ein. Nutzen Sie dazu im Handy zum Beispiel die App »Digitales Wohlbefinden«, um zu prüfen, wie lange der Handybesitzer sein Handy genutzt hat – und wofür.

 Machen Sie »Digital-Detox«! Eine Woche ohne Smartphone, geht das überhaupt? Versuchen Sie es einfach einmal in der nächsten Fastenzeit. Oder in den Ferien. Schaffen Sie für sich und Ihr Kind Alternativen an wie Armbanduhr, Notizblock, Stadtplan etc. Sie werden sehen, die Welt dreht sich auch ohne Smartphone weiter.

 Legen Sie handyfreie Räume und Zeiten fest! Zum Beispiel: Am Esstisch und im Schlafzimmer sind Smartphones (und natürlich auch Tablets) für die ganze Familie tabu. Ab 18 Uhr schicken alle das Smartphone »schlafen«. Schalten Sie auch sonst häufiger ab. Versuchen Sie beispielsweise einmal, sonntags ab 15 Uhr alle digitalen Medien auszuschalten. Was passiert? Wie verändert das den Start in die Woche? Bei Apple können Bildschirmzeiten für weitere Familienmitglieder – also auch Kinder – eingerichtet werden. Google und Apple wollen sich damit vor Klagen und Imageschäden schützen. Bei Facebook und Instagram kann man mittlerweile sehen, wie viel Zeit man damit verbringt – und sich Erinnerungen zuschicken lassen, falls das festgelegte Maximum erreicht ist.

 Freizeitaktivitäten ohne elektronische Medien planen! Je mehr spannende Aktivitäten Kindern im nicht-digitalen Leben zur Verfügung stehen, desto geringer ist das Interesse an genau diesen digitalen Medien. Daher der Tipp: Schicken Sie Ihr Kind raus in den Wald, auf den Spielplatz oder auf den Sportplatz – egal zu welcher Jahreszeit. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind Zugriff auf interessante Bücher und Musikinstrumente hat oder fahren Sie auf einen Bauernhof. Es gibt so viel zu entdecken und zu lernen in der analogen Welt!

Was die Wissenschaft sagt

ZWEIFELHAFTER NUTZEN DIGITALER MEDIEN

Einer der bekanntesten Gehirnforscher Deutschlands, Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer, warnt vor den Folgen digitaler Medien: »Der übermäßige Gebrauch des Internets führt zu digitaler Demenz, vor allem Kinder könnten Schaden nehmen.« Der Wissenschaftler ist überzeugt, dass die Datenlage bezüglich des Einsatzes digitaler Medien an Schulen dünner ist als gedacht. Studien aus Deutschland und anderen Ländern zeigen, dass digitale Medien die Noten nicht verbessern, sondern eher verschlechtern. Professor Spitzer vergleicht den Konsum von digitalen Medien sogar mit dem von Alkohol und befürwortet, kleinen Kindern noch keine elektronischen Medien zu geben. Mit Alkohol könnten Erwachsenen ebenfalls besser umgehen als Kinder und Jugendliche. Und wer käme auf die Idee, im Kindergarten ein »Alkoholtraining« zu machen?

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