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MOTIVATION

Motivation ist die wichtigste Grundlage fürs Lernen. Wenn ein Kind (dasselbe gilt natürlich auch für Jugendliche und Erwachsene) eigentlich nicht lernen möchte, gelingt es daher kaum, ihm zu helfen – und damit ist Frustration auf beiden Seiten vorprogrammiert. Ohne Motivation wird das Lernen misslingen. Wenn nur die Erwachsenen wollen, dass die Schülerinnen und Schüler fleißig lernen, steht es schlecht um die Aussicht auf Erfolg. Dagegen ist miese Stimmung so gut wie vorprogrammiert. Das belastet die Situation noch zusätzlich.

Motivation ist allerdings nicht alles: Manche Schüler sind hochmotiviert und strengen sich an – und trotzdem gelingt es ihnen aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht, erfolgreich zu lernen oder sich das Gelernte langfristig zu merken. Wenn wir Lernprobleme analysieren, ist daher der erste Schritt, herauszufinden, ob jemand nicht kann oder nicht will. Um das herauszufinden, hilft der nachfolgende Test.

Check

WIE STEHT ES UM DIE MOTIVATION IHRES KINDES?

Beantworten Sie bitte die drei nachstehenden Fragen. Lassen Sie keine Fragen aus, sondern geben Sie im Zweifel einfach eine Schätzung oder Vermutung ab.

0 = stimmt nicht,1 = stimmt selten,

2 = stimmt teilweise/manchmal, 3 = stimmt ganz/immer

 1. Bemüht sich Ihr Kind zu lernen, obwohl es wenig Fortschritte macht?

 2. Lernt es in der Regel freiwillig und selbstständig?

 3. Verliert es nur bei Überforderung oder großem Desinteresse die Motivation ?

AUSWERTUNG:

 Beträgt das Ergebnis 7 oder mehr Punkte, ist davon auszugehen, dass Ihr Kind ausreichend motiviert ist und die Lernprobleme andere Ursachen haben. Lesen Sie im nächsten Kapitel weiter, dann kommen Sie ihnen auf die Spur.

 Bei 4 bis 6 Punkten ist das Ergebnis nicht eindeutig. Lesen Sie trotzdem erst einmal in diesem Kapitel weiter und gehen Sie die Fragen in ein paar Wochen noch einmal durch. Möglicherweise wird dann einiges klarer.

 Liegt das Ergebnis bei 3 Punkten oder weniger, ist die Motivation Ihre Kindes für ein erfolgreiches Lernen zu gering. In diesem Fall ist es sinnvoll, sich mit dem Thema Motivation näher zu beschäftigen.

Mögliche Motivationskiller

Das Thema Motivation ist deshalb besonders anspruchsvoll, weil es zwei ganz unterschiedliche und voneinander unabhängige Ursachen für Lernunlust gibt.

Ein Grund dafür, dass Kinder keine Lust haben zu lernen und teilweise sogar eine große Abneigung oder Verweigerungshaltung bis hin zur Schulangst entwickeln, liegt in der Überforderung. Diese kann unterschiedliche Ursachen haben: Zum einen kann es an der Menge und Präsentation des Lernstoffes liegen, zum anderen schlicht und ergreifend daran, dass das Kind zu früh eingeschult wurde.

Das Einschulalter wurde in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter herabgesetzt und liegt mittlerweile je nach Bundesland bei 5,1 bis 6,2 Jahren. Im Vergleich: 2004 waren Kinder bei der Einschulung durchschnittlich noch 6,7 Jahre alt. Fachleute warnen, dass sehr junge Erstklässler häufig überfordert sind und dass Kinder umso schlechter lernen, je jünger sie bei der Einschulung sind.

In Finnland, dem Land, das im Pisa-Test am besten abgeschnitten hat, werden Kinder übrigens erst nach dem siebten Geburtstag eingeschult. Auch Lesen und Schreiben werden dort nicht schon im Kindergarten geübt. Deutsche Schüler dagegen liegen bei der Pisa-Studie im Mittelfeld – und das, obwohl sie zum Zeitpunkt des Tests bereits neun beziehungsweise zehn Jahre zur Schule gehen, nicht erst acht Jahre wie ihre Altersgenossen in Finnland.

Bei jüngeren Kindern ist es angemessen, dass sie bei Tätigkeiten wie Stillsitzen, Sich-Konzentrieren oder Geduldig-Warten eine geringe Frustrationstoleranz aufbringen können. Aber auch ältere Kinder haben manchmal eine zu geringe Frustrationstoleranz und jammern bereits bei kleinen Unlustgefühlen oder geben auf. Auch das kann ein Grund für Motivationsprobleme sein. Hier ist es sinnvoll, an diesem Punkt anzusetzen und das Erziehungsverhalten zu überdenken: Gibt es im Alltag irgendwelche Möglichkeiten, um zu üben, gewisse Impulse zurückzuhalten? Beispielsweise indem das Kind sein Taschengeld nicht sofort ausgibt, sondern für eine größere Anschaffung spart? Oder wie steht es um das Motto: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Verwöhnte Prinzessinnen und Prinzen gibt es heutzutage leider genauso wie überforderte Kinder.

Der häufigste Grund für mangelnde Motivation liegt jedoch daran, dass das Lernen von einem schwerwiegenden Problem behindert wird, etwa von einer Legasthenie oder Rechenstörung. In so einem Fall bedarf es dringend professioneller Hilfe, damit das Kind wieder motiviert ist und erfolgreich lernen kann (mehr dazu erfahren Sie im Praxisteil ab >).

Die zwei Arten der Motivation

Die Psychologie unterscheidet zwischen der sogenannten extrinsischen und intrinsischen Motivation. Bei der extrinsischen Motivation ist das Verhalten der Menschen primär geleitet von der Aussicht auf Vorteile oder Belohnungen von außen. Beispielsweise möchte der Musiker Geld verdienen, der Verkäufer Karriere machen, vielleicht sogar Geschäftsführer werden, und der Autor hofft darauf, einen Bestseller zu schreiben oder berühmt zu werden.

Dagegen ist intrinsisch motiviert, wer eine Tätigkeit ausübt, ohne eine Belohnung dafür zu erhalten. Das besondere Merkmal der intrinsischen Motivation besteht darin, dass man eine Aufgabe um ihrer selbst willen ausführt. Beispiel: Ein Musiker spielt mit Begeisterung Gitarre, ein Autor schreibt spannende Artikel, einfach weil es ihm Spaß macht. Sie denken gar nicht groß darüber nach, warum sie es machen und welche Vorteile sie davon haben oder welche Belohnung sie dafür bekommen.

Es kann auch sein, dass Ziele von außen beziehungsweise anderen – im Fall eines Kindes also von Eltern oder Lehrern – so verinnerlicht werden, dass sie als eigene Ziele erlebt werden. Ein möglicher Antrieb ist zum Beispiel, die Anerkennung oder Liebe von den Bezugspersonen zu erhalten. In so einem Fall lässt sich manchmal schwer feststellen, dass es sich eigentlich um extrinsische Motivation handelt.

Das können Eltern tun

 Ein Tipp für alle, deren Kinder zu früh eingeschult wurden oder die sich aus anderen Gründen noch nicht für die Welt der Buchstaben interessieren: Lassen Sie Ihrem Kind einfach mehr Zeit. Oft gibt es plötzlich einen Entwicklungsschub, etwa nach den Sommerferien oder nach einer Krankheit.

 Bringen Sie Ihrem Kind mehr Wertschätzung für die vielen Dinge entgegen, die es gut kann, und machen Sie ihm Mut, auch wenn es etwas später oder langsamer lernt. Manchmal löst sich das Problem dann ganz von selbst.

 Bevorzugen Sie soweit möglich die intrinsische Motivation vor einer extrinsischen Motivation.

 Versuchen Sie, Ihrem Kind diejenigen Bedingungen zu schaffen, die es ihm ermöglichen, in den Lernflow zu kommen. Ist dies nicht möglich, erst dann motivieren Sie es durch Ermutigungen und mit kleinen Belohnungen.

 Wenn dies noch nicht ausreicht, entwickeln Sie – am besten mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner oder einer Expertin/einem Experten – ein Belohnungssystem mit regelmäßigem Feedback, zum Beispiel mithilfe von Smileys oder Sternchen.

Motivation ist die Gesamtheit der Beweggründe, die uns zu einer bestimmten Handlung veranlassen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.

Das können Fachleute tun

Das Thema Motivation ist von unterschiedlichen Erziehungskonzepten sowie dem individuellen Menschenbild geprägt. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle oder ein Elterncoach kann Ihnen helfen herauszufinden, ob Sie Ihr Erziehungsverhalten ändern sollten und wie es gelingen kann, die Motivation Ihres Kindes zu steigern, indem Sie seine Frustrationstoleranz erhöhen. Möglicherweise haben Sie zu viel Verantwortung übernommen und das Kind trägt zu wenig Verantwortung?

Ist Ihr Kind unmotiviert, weil es überfordert ist, helfen hoffentlich die Kapitel ab >, die genauen Ursachen herauszufinden und anzugehen. Immer wieder stellt sich nämlich heraus, dass Kinder und Jugendliche in der Schule schlichtweg an die Grenzen ihrer Möglichkeiten kommen, etwa weil sie Legastheniker sind, an Dyskalkulie (Rechenstörung) leiden oder AD(H)S haben und es tatsächlich nicht besser können.

FALL: WOLFGANG, GYMNASIAST

Der »Fall Wolfgang« zeigt, wie abhängig die Noten vom Lehrer und somit von der Motivation sind: Wolfgang hatte in Mathe in der 5. und 6. Klasse einen Lehrer, der ihn für dieses Fach begeisterte. Er bekam eine Zwei. Der Lehrer der 7. Klasse hatte einen sehr autoritären Unterrichtsstil und war »komisch« – Wolfgang bekam im Zeugnis eine Fünf. In der 8. Klasse zog er in eine andere Stadt, wo er zunächst noch keine Freunde hatte. »Da war mir langweilig und ich habe Mathe gelernt.« Ergebnis: Note Eins!

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