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cc) Transferregelungen

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Neben Abfindungsregelungen ist bei Entlassungen regelmäßig der Einsatz von Transfergesellschaften (auch „Beschäftigungsgesellschaft“, „BQG“ oder „Transfer- und Personalentwicklungsgesellschaft“ genannt) ein wichtiges Gestaltungsmittel.[340]

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Solche Gesellschaften können von den betroffenen Arbeitgebern für den jeweiligen Einzelfall gegründet werden (ggf. über den Einsatz von Vorratsgesellschaften), d.h. als konzerninterne Transfergesellschaft, oder aber über die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern errichtet werden.

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Um den Restrukturierungsprozess zu beschleunigen und Kündigungsschutzverfahren zu vermeiden, sehen die Vereinbarungen zur Einbindung von Transfergesellschaften in der Regel vor, dass den betroffenen Arbeitnehmern eine einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse sowie die Begründung eines befristeten Arbeitsvertrages mit der Transfergesellschaft angeboten werden. Der Beginn der Transfergesellschaft wird dabei regelmäßig so gewählt, dass die betroffenen Arbeitnehmer vor Ablauf ihrer ordentlichen Kündigungsfrist in die Transfergesellschaft wechseln. Sie bringen in diesem Fall ihre Kündigungsfrist (teilweise) in die Transfergesellschaft ein, was der (anteiligen) Finanzierung der Beschäftigung in der Transfergesellschaft dient.

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Aber auch für die Arbeitnehmer hat die Transfergesellschaft Vorteile: Das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft ist ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis. Erst im Anschluss an das Ausscheiden aus der Transfergesellschaft beginnt eine etwaige Arbeitslosigkeit der betroffenen Arbeitnehmer. Der Wechsel in die Transfergesellschaft ermöglicht den Arbeitnehmern damit eine Bewerbung und Qualifizierung ohne den „Makel“ der Arbeitslosigkeit. Zudem liegen die Bezüge in der Transfergesellschaft nicht zuletzt aufgrund der Aufstockungsleistungen des Arbeitgebers in der Regel deutlich über dem Arbeitslosengeld.

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Finanziert wird die Transfergesellschaft in der Regel durch das sog. Transferkurzarbeitergeld gemäß § 111 SGB III. Ein entsprechender Anspruch setzt voraus, dass (und solange) die betreffenden Arbeitnehmer von einem „dauerhaften nicht vermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall“ betroffen sind (§ 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III) und die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen des § 111 SGB III vorliegen.

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Ein „dauerhafter Arbeitsausfall“ liegt nach § 111 Abs. 2 SGB III vor, wenn „auf Grund einer Betriebsänderung“ i.S.d. § 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen. Infolge des Verweises auf § 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III gilt als Betriebsänderung „eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG, unabhängig von der Unternehmensgröße und unabhängig davon, ob im jeweiligen Betrieb das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden ist“ (§ 110 Abs. 1 Satz 3 SGB III).

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Die betrieblichen Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld sind gemäß § 111 Abs. 3 SGB III erfüllt, wenn Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung durchgeführt werden (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 SGB III), die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, um Entlassungen zu vermeiden und ihre Eingliederungschancen zu verbessern (§ 111 Abs. 3 Nr. 2 SGB III; Transfergesellschaft), die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen (§ 111 Abs. 3 Nr. 3 SGB III) und ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird (§ 111 Abs. 3 Nr. 4 SGB III).

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Ferner müssen die persönlichen Voraussetzungen i.S.d. § 111 Abs. 4 SGB III erfüllt ein, d.h. der betroffene Arbeitnehmer muss von Arbeitslosigkeit bedroht sein (§ 111 Abs. 4 Nr. 1 SGB III; maßgeblich ist die Legaldefinition des § 17 SGB III[341]), nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzten oder im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnehmen (§ 111 Abs. 4 Nr. 2 SGB III), darf nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen sein (§ 111 Abs. 4 Nr. 3 SGB III) und er muss sich vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (Transfergesellschaft) aus Anlass der Betriebsänderung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden (§ 111 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a SGB III) und an einer „arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten“ teilnehmen (§ 111 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b SGB III).

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Wichtig für die Praxis und den zeitlichen Ablauf ist, dass sich die Betriebsparteien „im Vorfeld der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeitergeld“, insbesondere „im Rahmen ihrer Verhandlungen über einen die Integration der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördernden Interessenausgleich oder Sozialplan nach § 112 des Betriebsverfassungsgesetzes“, von der Agentur für Arbeit beraten lassen haben müssen und der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist (vgl. § 111 Abs. 4 SGB III).

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Wird dies versäumt und der Interessenausgleich vor Durchführung der Beratung mit der Agentur für Arbeit abgeschlossen, fehlt es an den Voraussetzungen für die Gewährung des Transferkurzarbeitergeldes. Die Agentur für Arbeit ist daher rechtzeitig, d.h. parallel zu den laufenden Verhandlungen einzubinden und die Beratung durchzuführen.

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Liegen diese Voraussetzungen vor, leistet die Agentur für Arbeit Transferkurzarbeitergeld. Dies Zahlung erfolgt für längstens zwölf Monate (§ 111 Abs. 4 Satz 2 SGB III).

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Weitere „Transfermaßnahmen“, zu denen die Agentur für Arbeit Zuschüsse nach § 110 SGB III leistet (50 % der erforderlichen und angemessenen Maßnahmekosten, höchstens aber 2 500 € pro Arbeitnehmer) und die üblicherweise in der Transferregelung festgelegt werden, sind u.a. die Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung (§ 3 Abs. 4 SGB III), d.h. insbesondere solche, mit denen die Leistungsfähigkeit, die Arbeitsmarktchancen und der Qualifikationsbedarf der Arbeitnehmer festgestellt werden (sog. Profilingkosten).[342]

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Zu den förderungsfähigen Transfermaßnahmen gehören ferner Angebote wie Bewerbungstraining, Informationen über den Arbeitsmarkt, Unterstützung bei der Stellensuche und Ähnliches. Auch die Fortführung einer bereits begonnenen Berufsausbildung oder Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung können über § 110 SGB III gefördert werden. Maßnahmen zur Förderung der Aufnahme einer Beschäftigung wie sie etwa in Mobilitätshilfen, Einstellungszuschüssen für Arbeitsverhältnisse bei anderen Arbeitgebern oder der Förderung einer zeitlich begrenzten Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber oder schließlich in Maßnahmen zur Vorbereitung der Gründung und Begleitung einer selbstständigen Existenz liegen, fallen ebenfalls unter die Transfermaßnahmen i.S.d. § 110 SGB III.[343] Es kommen unter den Umständen des Einzelfalles aber auch andere für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt geeignete Transfermaßnahmen in Betracht, die mit der örtlichen Agentur für Arbeit schon bei der „Vorfeldberatung“ abgesprochen werden sollten.[344]

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Gegenstand der Beschäftigung der Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft ist eine Qualifizierung zwecks Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz.

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Soweit Transfergesellschaften in der Praxis als ein Instrument zur Auswahl von Personal benutzt werden, d.h. Arbeitnehmern, die in die Transfergesellschaft wechseln, von einer weiteren (konzernangehörigen) Gesellschaft neue Arbeitsverträge und der zeitnahe „Ausstieg“ aus der Transfergesellschaft angeboten werden, kann hierin eine Umgehung von § 613a BGB bzw. § 1 Abs. 3 KSchG liegen. Zulässig kann eine solche Vorgehensweise aber nach der Rechtsprechung des BAG dann sein, wenn den betroffenen Arbeitnehmern nicht verbindlich Arbeitsverhältnisse mit der Auffanggesellschaft zugesagt werden oder so gut wie verbindlich in Aussicht gestellt werden.[345] Werden solche Arbeitsverhältnisse verbindlich in Aussicht gestellt, ist der Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG wegen objektiver Gesetzesumgehung nichtig. Das BAG geht insoweit davon aus, dass der Vertrag in diesem Fall lediglich der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezweckt.[346]

Arbeitsrecht in der Umstrukturierung

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