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dd) Der Sozialplan in der Einigungsstelle
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Gemäß § 112 Abs. 3 BetrVG sollen Unternehmer und Betriebsrat der Einigungsstelle Vorschläge zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten über den Interessenausgleich und den Sozialplan machen. Die Einigungsstelle hat auf dieser Basis eine Einigung der Parteien zu versuchen. Kommt eine Einigung zustande, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien und vom Vorsitzenden zu unterschreiben.
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Kommt eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet nach § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt in diesem Fall die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
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Die Einigungsstelle kann aber bei ihrer Entscheidung nicht über den Rahmen hinausgehen, den die Betriebsänderung vorgibt. Zwar ist die Einigungsstelle – wie auch die Betriebsparteien – bei der Aufstellung eines Sozialplans grundsätzlich in den Grenzen von Recht und Billigkeit (§ 75 BetrVG) frei, darüber zu entscheiden, ob und welche Nachteile der Arbeitnehmer, die der Verlust des Arbeitsplatzes infolge einer sozialplanpflichtigen Betriebsänderung mit sich bringt, durch eine Abfindung ausgeglichen oder gemildert werden sollen.[347] Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darf der Spruch der Einigungsstelle aber nur solche wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern, die durch die beteiligungspflichtige Betriebsänderung entstehen.[348] Regelungen, die die Durchführung der Betriebsänderung selbst betreffen, können nicht Gegenstand des durch eine Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans sein.[349] Das gilt insbesondere für Kündigungsverbote, Versetzungs- und Umschulungspflichten.[350] Enthält der Spruch der Einigungsstelle solche Regelungen, überschreitet die Einigungsstelle ihre Kompetenz und ihr Spruch ist aufgrund der Ermessensüberschreitung unwirksam.[351] Dies kann der Arbeitgeber innerhalb der Zweiwochenfrist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG im Beschlussverfahren (§ 2a ArbGG) geltend machen.
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Auch der Ausgleich von Nachteilen, die dadurch entstehen, dass die Mitarbeiter infolge eines Betriebsübergangs zu einem neu gegründeten Arbeitgeber wechseln, ist regelmäßig nicht über die Einigungsstelle erzwingbar: Gliedert der Arbeitgeber einen Betriebsteil aus, um ihn auf ein anderes Unternehmen zu übertragen, so liegt in der organisatorischen Spaltung des Betriebes zwar eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im Sinne von § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG (vgl. Rn. 73). Wegen der wirtschaftlichen Nachteile „infolge der geplanten Betriebsänderung“ kann der Betriebsrat gemäß § 112 BetrVG einen Sozialplan verlangen. Jedoch gehören eine etwaige Verringerung der Haftungsmasse bei dem Betriebserwerber sowie dessen befristete Befreiung von der Sozialplanpflicht nach § 112a Abs. 2 BetrVG nicht zu den berücksichtigungsfähigen Nachteilsfolgen.[352] Bei einem Betriebsübergang ist damit nicht allein maßgeblich, ob hiermit Maßnahmen einhergehen, die als solche einen der Tatbestände des § 111 Satz 3 Nr. 1–5 BetrVG (Betriebsänderung) erfüllen. In diesem Fall stehen dem Betriebsrat die Beteiligungsrechte nach §§ 111, 112 BetrVG zu. Für die Frage, ob und inwiefern durch Spruch der Einigungsstelle auch ein Sozialplan erzwungen werden kann, ist vielmehr entscheidend, ob (über die gesetzliche Privilegierung des § 112a Abs. 2 BetrVG hinaus) bei Aufstellung des Sozialplans Nachteile zu erwarten sind, welche die vorgesehenen Ausgleichs- oder Milderungsmaßnahmen (z.B. Abfindungen) tatsächlich rechtfertigen konnten. Ist dies nicht der Fall, ist der Spruch unwirksam.[353]
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Nach § 112 Abs. 5 BetrVG hat die Einigungsstelle hat bei ihrer Entscheidung sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu achten. Dabei hat die Einigungsstelle sich im Rahmen billigen Ermessens insbesondere von den Grundsätzen nach § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG leiten zu lassen. Die Grundsätze in § 112 Abs. 5 Nrn. 1 bis 3 BetrVG haben die Funktion von Richtlinien für die Ausübung des Ermessens durch die Einigungsstelle, indem sie die Grenzen des Ermessens abstecken. Ein Verstoß gegen diese Richtlinien stellt somit einen Ermessensfehler dar.[354]