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II. § 1 VorgV

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Das Vorgesetztenverhältnis eines Soldaten nach Abs. 1 ist umfassend, denn die VorgV nimmt keine örtliche, zeitliche oder sachliche Beschränkung vor. Unmittelbare Vorg. können im Rahmen des gesetzl. Zulässigen unbeschränkt das Führungsmittel des mil. Befehls einsetzen (allg. Befehlsbefugnis).

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Mit dem Begriff des unmittelbaren Vorg. korrespondiert regelmäßig die truppendienstl. Unterstellung (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 301). Letztere ist das typische Unterstellungsverhältnis in den SK. Sie umfasst alle Aufgaben eines Vorg., deren Erledigung der Herstellung und Erhaltung der Einsatzbereitschaft des ihm anvertrauten Personals und Materials dient. Hierzu gehören die persönlichen, insbes. die disziplinaren Angelegenheiten, die Ausbildung, die Versorgung sowie fachl. Angelegenheiten der Dienststelle. Obwohl grds. umfassend ausgelegt, kann die truppendienstl. Unterstellung von spezielleren Unterstellungsformen überlagert werden, z.B. von der auf § 2 VorgV beruhenden fachdienstl. Unterstellung, von auf § 3 VorgV beruhenden Unterstellungen im besonderen Aufgabenbereich sowie von besonderen Weisungsbefugnissen einschließlich der Unterstellung für den Einsatz (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 302). Soweit Soldaten außerhalb der SK eingesetzt und aus deren unmittelbaren Befehlsstrang herausgelöst sind, scheidet eine unmittelbare Unterstellung nach § 1 VorgV aus. Eine truppendienstl. Unterstellung kann dann – insbes. im Hinblick auf die Disziplinarbefugnis und eine unterbrechungsfreie Kette der DiszVorg. bis zum BMVg – auch über Vorgesetztenverhältnisse nach § 3 VorgV geschaffen werden, ohne jedoch deshalb den Umfang der Befehlsbefugnis zu erweitern.[5]

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Wer unmittelbarer und insoweit truppendienstl. Vorg. ist, ergibt sich aus dem organisatorischen Aufbau der SK und der Übertragung einer der in § 1 Abs. 1 VorgV genannten Dienststellungen (Führer eines mil. Verbandes, einer mil. Einheit oder Teileinheit oder Leiter einer mil. Dienststelle). § 1 VorgV regelt nicht, in welcher Form einem Soldaten die entspr. Dienststellung zu übertragen ist; ein förmlicher OrgAkt ist nicht erforderlich. Dem institutionellen Unterstellungsverhältnis einer mil. Dienststelle folgend werden persönliche Unterstellungsverhältnisse begründet, die in den SK eine durchgängige Befehlskette vom Min. bis zum letzten Soldaten sicherstellen. Die notwendige organisatorische Zugehörigkeit zu einer Dienststelle wird durch Versetzung oder Kommandierung bewirkt. Ein Soldat hat also, abhängig von seiner so verfügten organisatorischen Einbindung, eine Vielzahl unmittelbarer (truppendienstl.) Vorg.[6]

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Die Regelung berücksichtigt die OrgGewalt des Min., der nach Art. 65 Satz 2 GG seinen Geschäftsbereich unter eigener Verantwortung leitet (Ressortprinzip). Neben dem Min. selbst gehören zum Geschäftsbereich des BMVg die auf der Grundlage des Art. 87a GG aufgestellten SK mit zzt. sechs mil. OrgBereichen (Heer, Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis, Zentraler SanDienst der Bw sowie Cyber- und Informationsraum), die auf Art. 87b GG beruhende BwVerw mit drei OrgBereichen („Personal“, „Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung“ sowie „Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen“[7]) sowie zwei weitere ziv. OrgBereiche (Rechtspflege[8] und Milseels). Mil. Verbände, Einheiten und Teileinheiten sowie (sonstige) mil. Dienststellen sind im Hinblick auf die Verfassungsrechtslage nur im Bereich der SK vorstellbar. Eine Verwendung von Soldaten ist hingegen auch außerhalb der SK möglich. Die vom Streitkräfteamt herausgegebene ZentralRL A2-500/0-0-1 („Grundbegriffe der militärischen Organisation – Unterstellungsverhältnisse – Dienstliche Anweisungen) legt für den Geschäftsbereichs des BMVg grundlegende organisatorische Begriffe fest.

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Eine Einheit ist danach die unterste mil. Gliederungsform, deren Führer grds. Disziplinarbefugnis hat (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 205). Die Grundform der Einheit ist die Kp. Dienststellung i.S.d. § 1 Abs. 1 VorgV ist somit die des KpChef. Vergleichbare Dienststellungen sind Staffel-, Batterie- und Sektorchef sowie Staffelkapitän („Chef“ einer fliegenden Staffel) und Bootskommandant. Eine Teileinheit ist jede Gliederungsform unterhalb der Einheit, deren Führer grds. keine Disziplinarbefugnis hat (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 206). Entspr. Dienststellungen i.S.d. § 1 Abs. 1 VorgV sind insbes. Zug-, Gruppen- und Truppführer. Nur Einheiten haben Teileinheiten. Keine Teileinheit i.S.d. § 1 Abs. 1 VorgV sind daher „Untergliederungen“ (zur Abgrenzung vgl. § 4 Abs. 2 VorgV) von Stäben und „sonstigen Dienststellen“ der SK. Soldaten, die eine solche Untergliederung leiten, sind grds. Vorg. nach § 3 VorgV, denen Disziplinarbefugnis verliehen werden kann.[9]Innerhalb der mil. Dienststelle greift zudem § 4 Abs. 2 VorgV.

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Ein Verband ist die gliederungsmäßige und/oder zeitlich begrenzte Zusammenfassung mehrerer Einheiten in der Stärke eines Bataillons oder Regiments (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 207). Einem Bataillon vergleichbare Gliederungsformen sind die Gruppe (z.B. Fliegerhorstgruppe), Abteilung, Lehrgruppe, das Lazarett und das Schiff. Einem Regiment vergleichbar ist ein Geschwader. Gliederungsmäßig und/oder zeitlich begrenzt zusammengefasste Truppenteile (allg. Bezeichnung für Einheiten und Verbände) von der Stärke einer Brigade (in der Marine Flottille) an aufwärts werden als Großverband (ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 208) bezeichnet. Dienststellungen i.S.d. Abs. 1 sind Kdr, Kommodore, Kommandierender General, Befehlshaber oder Inspekteur.

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Mil. Dienststelle ist nach ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 201 „ein durch Organisationsbefehl oder -weisung aufgestelltes selbstständiges organisatorisches Element im Geschäftsbereich des BMVg, das einen zugewiesenen Aufgabenbereich im Rahmen erteilter Befugnisse eigenverantwortlich wahrnimmt“. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Mindestmaß an Selbstständigkeit besteht und in Abgrenzung zu ziv. Dienststellen der Bw allenfalls untergeordnete ziv. Aufgaben (z.B. durch eine eingegliederte „Abteilung Verwaltung“) erfüllt werden. Die bloß formale Vergabe einer Dienststellennummer in den OrgGrundlagen (SollOrg) reicht nicht aus. Offz und Uffz, die unselbstständige Teile einer mil. Dienststelle leiten, sind im Gegensatz zu Teileinheitsführern nicht unmittelbare Vorg., sondern Vorg. nach § 3 VorgV.[10] Dienststellungen i.S.d. § 1 Abs. 1 VorgV sind z.B. Amtschef des Streitkräfteamts oder Kdr des Zentrums Innere Führung.

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Die Verwendung von Soldaten in ziv. Dienststellen, z.B. dem BAPersBw,[11] führt nicht dazu, dass diese Dienststellen zugleich mil. Dienststellen i.S.d. § 1 VorgV werden. Während die Soldaten früher zu einer zweifelbehafteten mil. „Dienststelle“ „Dienstältester Offizier/Militärischer Anteil der XY-Behörde“ versetzt worden sind, sind sie nach dem Dresdner Erlass voll in die ziv. Dienststelle integriert. Sie leisten Dienst unter der Leitung eines regelmäßig ziv. Behördenleiters. Innerhalb der ziv. Dienststelle sind die aus dem Behördenaufbau resultierenden Anordnungsbefugnisse in fachl. Angelegenheiten zu beachten. Eigenständiger Raum für truppendienstl. Maßnahmen zur Regelung des „Verwaltungsdienstes“ besteht nicht. Truppendienstl. sind die Soldaten mil. Vorg. nach § 3 VorgV mit dem Aufgabenbereich „Wahrung der militärischen Ordnung und Disziplin“ unterstellt. Diese sog. Beauftragten für Angelegenheiten des mil. Personals sind regelmäßig DiszVorg. durch Verleihung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 WDO).

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Soldaten, die in internationalen mil. Einrichtungen verwendet werden, werden truppendienstl. einer nationalen mil. Dienststelle mit einem sog. „Dienstältesten Deutschen Offizier“ (DDO) zugeordnet.[12]

Die Militärattachéstäbe im Ausland sind OrgElemente der Auslandsvertretungen und damit des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amtes. Das Personal der Militärattachéstäbe wird nach § 13 Abs. 1 GAD zeitlich befristet in den Auswärtigen Dienst übernommen. Während des Dienstes im Militärattachéstab einer Auslandsvertretung sind die Soldaten aus der Befehlsstruktur der SK herausgelöst. Der Auswärtige Dienst kann daher nicht Gegenstand truppendienstl. Führung sein.[13]

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Das Min. selbst gehört ebenfalls zum Geschäftsbereich des BMVg. Als oberste Bundesbehörde dient es in erster Linie der unmittelbaren Unterstützung des Min. als Regierungsmitglied; es ist somit trotz Integration des GenInspBw (früher auch der anderen Insp und somit der mil. Spitzen der SK) kein Verband, keine Einheit und keine mil. Dienststelle i.S.d. § 1 Abs. 1 VorgV. Unmittelbare Vorgesetztenverhältnisse innerhalb des Min. sind damit ausgeschlossen. Entsprechend der zwischen 1970 und 2012 bestehenden truppendienstl. Unterstellung der mil. OrgBereiche unter die in diesem Zeitraum dem Min. zugehörigen Insp wurde dem im Min. verbliebenen GenInspBw mit dem Dresdner Erlass vom 21.3.2012 die Führung aller in den SK eingesetzten Soldaten übertragen. Seit dem 1.4.2012 ist der GenInspBw – unterhalb des Min. und dessen Stellvertreter, die ihre Befehlsbefugnis unmittelbar aus Art. 65a GG ableiten – der höchste unmittelbare Vorg. nach § 1 Abs. 1 VorgV gegenüber den Soldaten der mil. OrgBereiche. Diese vom GenInspBw truppendienstl. geführten OrgBereiche, die aus mil. Verbänden, Einheiten und Dienststellen bestehen, werden außerhalb des Min. von den dem GenInspBw unterstellten Insp geführt. Gegenüber den Soldaten außerhalb der SK ist er Vorg. nach § 3 VorgV im Aufgabenbereich Wahrung der mil. Ordnung und Disziplin und im Hinblick darauf DiszVorg. Unterhalb des GenInspBw nehmen diese Funktion die sog. Beauftragten für Angelegenheiten des mil. Personals ebenfalls auf der Grundlage des § 3 VorgV wahr.

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Nach Abs. 2 sollen unmittelbare Vorg. nicht in den Fachdienst Untergebener eingreifen, die der Leitung und Dienstaufsicht von „Fachvorgesetzten“ unterstehen. Nach Wortlaut und Systematik der Norm sind die Begriffe „Fachdienst“ und „Fachvorgesetzte“ mit denen des § 2 VorgV identisch.

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Durch den Verzicht auf ein ausdrückliches Eingriffsverbot hat der Verordnungsgeber bestätigt, dass die allg. Befehlsbefugnis der unmittelbaren Vorg. umfassend ist und grds. jeden Dienst – auch den Fachdienst – einschließt. Andererseits soll der Fachdienst, der besonderen Umständen unterworfen ist und dessen Leitung besonderer Kenntnisse/Fähigkeiten bedarf, vor einer fachfremden Einflussnahme durch den truppendienstl. Führer (der oft selbst keinen Fachdienst versieht) geschützt werden. Der Gesetzgeber hat darüber hinaus mit § 27 Abs. 3 WDO (hins. des SanDienstes) und mit § 10 Abs. 2 WBO den Besonderheiten des Fachdienstes Rechnung getragen.

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Der Ausdruck „soll nicht“ stellt eine Verhaltensvorgabe für Zweifelsfälle auf. Es ist grds. verboten, in den Fachdienst einzugreifen, sofern nicht ein besonderer Ausnahmefall vorliegt. I.d.R. ist daher der in den Fachdienst eingreifende Befehl eines unmittelbaren Vorg. rechtswidrig.

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Nicht jede mittelbare Auswirkung auf einen Fachdienst kann jedoch als Eingriff gewertet werden. Anderenfalls wären Dienststellen, die fachdienstl. Aufgaben zu erfüllen haben, der truppendienstl. Führung in nicht vertretbarer Weise entzogen. Nähme man bei jeder mittelbaren Auswirkung einen Eingriff an, bedürfte es auch für die anderen Vorgesetztenverhältnisse einer dem § 1 Abs. 2 VorgV entspr. Regelung. Aus Sicht des Befehlsempfängers macht es keinen Unterschied, ob eine Beeinträchtigung des Fachdienstes zu truppendienstl. Zwecken oder für einen besonderen Aufgabenbereich (§ 3 VorgV) erfolgt.

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Der Befehl des Verbandsführers an den Leiter eines ihm unterstellten StandortSanZentrums, an einer abendlichen Informationsveranstaltung teilzunehmen, ist daher grds. kein Eingriff in dessen Fachdienst. Zudem wird es für die Frage eines zulässigen Eingriffs auf Art und Gewicht des beeinträchtigten Fachdienstes ankommen. Beim Befehl an einen Militärmusiker, für eine allgemeindienstl. Maßnahme das Üben eines Musikstücks zu unterbrechen, ist schon der Eingriff in den Fachdienst zweifelhaft. Anders wird der Befehl an einen SanSoldaten, für die gleiche Maßnahme eine ärztl. Behandlung zu unterbrechen, zu beurteilen sein.

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