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V. § 4 VorgV
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 SG kann die Befehlsbefugnis an den Dienstgrad geknüpft werden. § 1 Abs. 3 Satz 3 SG stellt jedoch klar, dass allein aufgrund des (höheren) Dienstgrades keine Befehlsbefugnis übertragen werden darf. Daher knüpft § 4 VorgV die Befehlsbefugnis an weitere Voraussetzungen. Ob die weitreichende Befehlsbefugnis für Uffz angesichts einer bei geringer ziv. Qualifikation erfolgenden Einstellung mit einem Uffz-Dienstgrad noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht und rechtspolit. vertretbar ist, erscheint fraglich.
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Die Aufgabenverteilung in Kompanien und vergleichbaren Einheiten sowie innerhalb der Besatzungen von Schiffen und Booten mit überschaubaren Personalumfängen rechtfertigt es, Vorgesetztenverhältnisse an den Dienstgrad zu knüpfen.
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§ 4 Abs. 1 Satz 1 VorgV nimmt eine Aufteilung in folgende vier Stufen vor:
1. | Offz (Leutnant bis General/Admiral), |
2. | Uffz vom Fw/Bootsmann an aufwärts (sog. Uffz mit Portepee), |
3. | StUffz/Maate und Uffz/Obermaate (sog. Uffz ohne Portepee), |
4. | Mannschaften (bis zum Dienstgrad Stabskorporal). |
Innerhalb der jew. Stufe besteht keine Befehlsbefugnis. Innerhalb der Einheit/Schiffsbesatzung können die Angehörigen der jew. höheren Stufe im Dienst (Vorg. und Untergebener) den Angehörigen der niedrigeren Stufe Befehle erteilen.
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Den Besonderheiten des Dienstes an Bord trägt § 4 Abs. 1 Satz 2 VorgV Rechnung. Er erweitert die Befehlsbefugnis der Besatzungsangehörigen und deren unmittelbarer Vorg. nach § 1 VorgV unter Beibehaltung der Stufeneinteilung des Satzes 1 gegenüber nichtbesatzungsangehörigen Soldaten. Letztere haben umgekehrt auch als Angehörige einer höheren Stufe keine Befehlsbefugnis gegenüber Besatzungsangehörigen oder deren ebenfalls nicht zur Besatzung gehörenden unmittelbaren Vorg. Diese Sonderregelung unterliegt weder im Innenverhältnis der Besatzung noch im Verhältnis zu Nichtbesatzungsangehörigen der zeitlichen Beschränkung auf den Dienst („in und außer Dienst . . . auch gegenüber Soldaten, die sich nicht im Dienst befinden oder nicht zu bestimmten Diensten eingeteilt sind“).
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§ 4 Abs. 2 VorgV erstreckt die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 VorgV auf Stäbe und alle in Abs. 1 nicht bereits ausdrücklich genannten mil. Dienststellen. In einem Stab (vgl. ZentralRL A2-500/0-0-1 Nr. 212) werden die Unterstützungselemente des mil. Führers zur Führung von unterstellten Einheiten, Verbänden, Großverbänden oder sonstigen Dienststellen der SK zusammengefasst. In Truppenteilen gliedern sie sich in sog. Führungsgrundgebiete. Die dem GenInspBw zugeordnete ministerielle Abteilung Führung SK ist kein Stab i.S.d. § 4 Abs. 2 VorgV, sondern eine Abteilung der einheitlichen ziv. Dienststelle BMVg.
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Der Kdr oder Leiter der mil Dienststelle kann die grds. innerhalb des gesamten Stabes oder der gesamten Dienststelle geltende Regelung auf Untergliederungen (z.B. Abteilungen, Dezernate) beschränken. Diese Untergliederungen sind – wie die sprachliche Unterscheidung schon zeigt – keine Teileinheiten i.S.d. § 1 VorgV. Durch Bereichserlass D-500/31 Nr. 202 wurde für die Leiter solcher Untergliederungen aber Befehlsbefugnis nach § 3 VorgV innerhalb der Untergliederung geschaffen.
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§ 4 Abs. 3 VorgV schafft innerhalb umschlossener mil. Anlagen eine zeitlich und inhaltl. nicht beschränkte Befehlsbefugnis (wie bei Vorg. nach § 1 VorgV). Dienstgradgruppenhöhere sind im und außer Dienst gegenüber Dienstgradgruppenniedrigeren befehlsbefugt. Dass die VorgV nicht selbst Dienstgrade bestimmt, ist nicht zu beanstanden, weil dies anderweitig gesetzl. geregelt ist (nach § 4 Abs. 3 SG setzt grds. der BPräs die Dienstgradbezeichnungen der Soldaten fest).[20]
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Im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Satz 3 SG, der eine Regelung der Befehlsbefugnis durch eine RVO fordert, ist es aber aus Gründen der Normenhierarchie bedenklich, dass lediglich durch Erlass sieben Dienstgradgruppen bestimmt worden sind (Generale, StOffz, Hauptleute, Leutnante, Uffz mit Portepee, Uffz ohne Portepee und Mannschaften). Auch wenn eine Änd. der wehrdienstgerichtl. Rspr kaum zu erwarten ist, sollte daher eine unangreifbare Rechtsgrundlage geschaffen werden.
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Eine mil. Anlage (dies ist eine Zusammenfassung bodenständiger Objekte zu einem mil. Zweck) ist umschlossen, wenn ihre (Außen-)Abgrenzung hinreichend gekennzeichnet ist und Schutzvorkehrungen gegen unbefugtes Eindringen getroffen sind, deren Überwindung Kraft oder Geschicklichkeit erfordert. I.d.R. wird hierfür ein Zaun, nicht nur eine Beschilderung verlangt. Ausnahmsweise genügt bei einem kleinen Objekt eine „dichte“ Absicherung durch Posten, sofern die Begrenzung visuell wahrnehmbar ist (z.B. durch Trassierband)[21].
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Beispiele für umschlossene mil. Anlagen sind umzäunte oder ummauerte Kasernen[22], Fliegerhorste, Truppenübungsplätze und mil. Hafenanlagen, mangels Bodenständigkeit jedoch nicht Schiffe. Auch entspr. abgesicherte Dienststellen der BwVerw können umschlossene mil. Anlagen sein. Obwohl keine mil. Dienststelle i.S.d. § 1 VorgV, dient das BMVg als den SK übergeordnete oberste Dienstbehörde auch mil. Zwecken, die eine entspr. Absicherung erfordern und das umschlossene Areal des BMVg zur mil. Anlage i.S.d. § 4 Abs. 3 VorgV machen.[23]
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Die grds. umfassende Befehlsbefugnis des § 4 Abs. 3 VorgV ist auf ihren streitkräftefunktionalen Bezug (insbes. die Aufrechterhaltung der mil. Ordnung und Disziplin) beschränkt. Soweit das BMVg eine mil. Anlage darstellt oder in einer solchen liegt, ist eine Einflussnahme auf ministerielle Vorgänge durch mil. Befehlsgebung auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 VorgV ausgeschlossen. Gleiches gilt für ziv. Dienststellen der BwVerw, wenn diese sich innerhalb einer mil. Anlage befinden. Auch wenn § 4 Abs. 3 VorgV anwendbar ist und Soldaten einer höheren Dienstgradgruppe zu Vorg. macht, sind diese nicht befugt, den Dienst der ziv. Dienststelle durch einen Befehl zu regeln/steuern. Ein solcher Befehl hätte keinen dienstl. Zweck, da er dem dienstl./gesetzgeberischen Interesse (vgl. § 11) an einer befehlsfreien Verwaltungsarbeit zuwider läuft. Er wäre somit rechtswidrig und darf nicht erteilt werden. Wird er erteilt ist er unverbindlich. Soweit der Befehlsgeber über Weisungsbefugnis verfügt, kann eine Folgepflicht nur aus § 11 Abs. 3 resultieren.
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„Innerhalb“ bedeutet, dass Vorg. und Untergebener sich in der gleichen mil. Anlage befinden müssen (keine fernmündliche Befehlsbegebung von Kaserne zu Kaserne, da der offenkundig gewollte Ortsbezug sonst aufgelöst wäre). Ferner begrenzt § 4 Abs. 3 VorgV die räumliche Reichweite der Befehlsbefugnis (kein Befehl in der Kaserne zu einem Tun oder Unterlassen außerhalb der Kaserne).[24]
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Mil. Anlagen nach § 4 Abs. 3 VorgV sind auch Anlagen der Bw im Ausland, insbes. unter deutscher Leitung stehende Feldlager, die trotz anderer Bezeichnung inländischen Kasernen entsprechen. Keine mil. Anlagen i.S.d. Abs. 3 stellen mil. Anlagen im In- und Ausland dar, die unter der Leitung anderer Nationen stehen. Abs. 3 regelt eine bundeswehrinterne Befehlsbefugnis, die eine Ausdehnung auf fremde Anlagen – auch solche verbündeter SK – nicht zulässt. Der Aufenthalt in solchen Liegenschaften entspricht einem Aufenthalt in sonstigen Zugangskontrollen unterworfenen Einrichtungen und damit einem Aufenthalt in der Öffentlichkeit. Zudem ist allein in deutschen Anlagen hinreichend sichergestellt, dass national relevante Zugangskontrollen durchgeführt werden.
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Zugangskontrollen verhindern nicht, dass man – politisch gewollt – auch in umschlossenen mil. Anlagen auf Reservisten in Uniform und mit Dienstgradabzeichen trifft, die den Anschein einer Befehlsbefugnis nach § 4 Abs. 3 VorgV erwecken. Außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses stehende Reservisten sind als solche nicht mehr ohne weiteres erkennbar, da die frühere Kennzeichnungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ResG durch das BwEinsatzBerStG vom 4.8.2019 gestrichen worden ist. Als Nichtsoldaten haben sie auch innerhalb einer umschlossenen mil. Anlage keine Befehlsbefugnis.