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IV. Antragsbefugnis

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Die MS Ltd. müsste analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt sein. Hierzu muss sie geltend machen können, durch die sofortige Vollziehbarkeit der Fortsetzungsuntersagung in ihren Rechten verletzt zu sein. Grundsätzlich kann die MS Ltd. eine mögliche Verletzung von § 1 Abs. 1 GewO geltend machen. § 1 Abs. 1 GewO gestattet „jedermann“ den Betrieb eines Gewerbes und damit auch juristischen Personen[8]. Dass die MS Ltd. eine Gesellschaft irischen Rechts ist, ändert hieran nichts, denn auch ausländische juristische Personen sind jedermann iSv § 1 Abs. 1 GewO.

Die Untersagung der Fortsetzung des Betriebs nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO hindert die MS Ltd. daran, den Betrieb ihres Gewerbes ungestört fortzusetzen. Es liegt ein Eingriff in die Gewerbefreiheit vor, der möglicherweise rechtswidrig ist.

Exkurs:

Sollte unter Verkennung des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts zur Begründung der Antragsbefugnis auf Art. 12 Abs. 1 GG abgestellt werden, bedürfte es der Erörterung der Frage, ob Art. 19 Abs. 3 GG erweiternd auf juristische Personen mit Aktionszentrum in einem anderen EU-Staat anzuwenden ist. Dies hat das BVerfG in seinem Grundsatzbeschluss vom 19.7.2011 zu Recht bejaht, sofern das staatliche Handeln ein Tätigwerden im Anwendungsbereich des EU-Rechts betrifft[9]. Sieht man mit dem BVerfG die für die teleologische Erweiterung des Grundrechtsschutzes maßgebliche Diskriminierung im Vorenthalten des spezifischen Rechtsbehelfs der Verfassungsbeschwerde, so erfasst die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf EU-Unternehmen auch die sog. Deutschengrundrechte und damit auch Art. 12 Abs. 1 GG. Fraglich ist, ob es einer gesonderten Diskussion des „Deutschen“-Begriffs in Art. 12 Abs. 1 GG bedarf. Dagegen spricht, dass Unternehmen keine Staatsangehörigkeit, sondern allenfalls eine Staatszugehörigkeit haben. Diese bestimmt sich im Übrigen nicht nach der Staatsangehörigkeit der sie beherrschenden Mitglieder, sondern nach dem Verwaltungssitz der Vereinigung in Deutschland bzw. in einem EU-Mitgliedstaat[10]. Gleichwohl hat die 3. Kammer des 2. Senats des BVerfG jüngst die Berufungsfähigkeit von EU-Unternehmen auf Art. 12 GG angezweifelt: In Anbetracht seines eindeutigen Wortlautes könnte eine unionsrechtskonforme Erweiterung des Art. 12 GG auf EU-Unternehmen die Wortlautgrenze übersteigen und zu einer Auslegung contra legem führen. Die Kammer tendiert offenbar dazu, stattdessen im Wege unionsrechtskonformer Auslegung von Art. 2 Abs. 1 GG EU-Unternehmen den von Art. 12 GG gewährleisteten Schutz zuteilwerden zu lassen[11].

Die mögliche Rechtsverletzung durch die sofortige Vollziehbarkeit fällt jedenfalls beim Adressaten der Verfügung mit derjenigen zusammen, die aus dem belastenden Verwaltungsakt selbst resultieren kann. Da die Untersagung der Fortsetzung des Betriebs die MS Ltd. in ihrer Gewerbefreiheit nach § 1 GewO verletzen kann, ist sie auch hinsichtlich der sofortigen Vollziehbarkeit möglicherweise in ihren Rechten verletzt.

Hinweis:

Es ist genauer, wenn im Rahmen der Antragsbefugnis darauf abgestellt wird, ob der Antragsteller durch die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt wird. Allerdings lassen sich eine Rechtsverletzung durch den Verwaltungsakt und diejenige durch dessen Vollzug praktisch kaum trennen. Aus diesem Grund wird im Hinblick auf die Akzessorietät des vorläufigen Rechtsschutzes die Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO bejaht, wenn im Hauptsacheverfahren die Klagebefugnis wegen der Möglichkeit einer Rechtsverletzung besteht[12].

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