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cc) Eingriff in die Niederlassungsfreiheit
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Art. 49 Abs. 1 AEUV verbietet Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch die Mitgliedstaaten[45]. Verboten sind demgemäß nicht nur unmittelbar und mittelbar diskriminierende Regelungen, die an die Herkunft des Unternehmens anknüpfen[46]. Nach der sog. Dassonville-Formel ist Eingriff jede staatliche Maßnahme, die unmittelbar oder mittelbar, mit tatsächlicher oder potentieller Wirkung den Gebrauch der Grundfreiheiten beeinträchtigt[47]. Das Beschränkungsverbot fordert, dass sich auch mitgliedstaatliche Maßnahmen, die sich unterschiedslos gegen Inländer und Ausländer richten, als Eingriff in die Grundfreiheiten rechtfertigen müssen. Dies sind Maßnahmen, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit behindern oder weniger attraktiv machen[48]. Hierzu gehören vornehmlich Regelungen, welche die Freiheit der Standortwahl – also den ungehinderten Zuzug oder Wegzug – beeinträchtigen. Eine Norm wie § 34a GewO, welche die Niederlassung eines Gewerbetreibenden aus einem anderen Mitgliedstaat von der vorherigen Erteilung einer Erlaubnis abhängig macht, ist eine Beschränkung iSd Art. 49 AEUV[49].
Exkurs:
Der EuGH hat durch die sog. Keck-Formel den Eingriffstatbestand für die Warenverkehrsfreiheit reduziert. Danach fallen mitgliedstaatliche Regelungen über bestimmte Verkaufsmodalitäten, sofern sie alle Wirtschaftsteilnehmer gleichermaßen treffen und den Absatz der inländischen und ausländischen Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, nicht unter das Verbot des Art. 34 AEUV[50] (Fall 2). Nicht vollends geklärt ist, ob und inwieweit sich diese Rechtsprechung auf die anderen Grundfreiheiten übertragen lässt. Für eine Übertragung der Keck-Formel spricht, dass sich in der Rechtsprechung des EuGH mittlerweile eine Konvergenz zu einer gemeinsamen Dogmatik der Grundfreiheiten feststellen lässt[51]. Ihr Zweck besteht darin, den überaus weiten Anwendungsbereich einzugrenzen, wenn nicht der Marktzugang, sondern nur Modalitäten im Markt betroffen sind[52], was wie bei der Warenverkehrsfreiheit ebenso bei den anderen Grundfreiheiten möglich erscheint[53]. Die neueste Rechtsprechung des EuGH enthält allerdings kaum noch Hinweise auf die Keck-Formel, was darauf zurückzuführen ist, dass sie sich selbst im Bereich der Warenverkehrsfreiheit als wenig praktikabel erwiesen hat. Zur Beschränkung der Weite der Dassonville-Formel wird sie zunehmend von dem Kriterium des Markzugangs und der Relevanzregel abgelöst[54]. Jedenfalls stellt ein Genehmigungserfordernis als konstitutives Hindernis für die Aufnahme einer Tätigkeit aber keine bloße „Aufenthaltsmodalität“ dar, sondern beschränkt den Marktzugang als solchen.