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2. Teil: Rechtmäßigkeit des an B gerichteten Bescheids A. Ermächtigungsgrundlage
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Bei der Untersagung handelt es sich um einen (formellen) Verwaltungsakt iSv § 35 VwVfG, der wegen § 1 GewO bzw wegen Art. 12 Abs. 1 GG einer Rechtsgrundlage bedarf. Als Grundlage für den an B gerichteten Bescheid kommt einerseits § 35 Abs. 7a S. 1 GewO in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann „die Untersagung“ auch gegenüber der mit der Leitung des Betriebs beauftragten Person ausgesprochen werden. Damit ist die Untersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO gemeint, also die Untersagung der selbstständigen Ausübung des Bewachungsgewerbes durch B[71]. Aus § 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 letzte Alt. GewO folgt die Befugnis, B auch die selbstständige Ausübung anderer oder aller Gewerbe iSv § 35 GewO zu untersagen. Schließlich liefert § 35 Abs. 7a S. 3 iVm § 35 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewO nicht nur die Möglichkeit, B die Betriebsleitung im bislang ausgeübten Bewachungsgewerbe zu untersagen, sondern die gewerbliche Leitungsposition generell zu unterbinden[72].
Hinweis:
Grundsätzlich handelt es sich um unterschiedliche materielle Verwaltungsakte, die aber von der Behörde regelmäßig in einem formellen Bescheid miteinander verbunden werden. Von den Bearbeiter/innen ist verlangt, die jeweilige Eingriffsgrundlage zu identifizieren, was Genauigkeit und ein wenig Knobelei erfordert.
Voraussetzung ist aber, dass § 35 Abs. 7a GewO anwendbar ist. Die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 7a GewO könnte ausgeschlossen sein, wenn ein Fall des § 35 Abs. 8 GewO vorliegt. Nach § 35 Abs. 8 S. 1 GewO sind § 35 Abs. 1–7a GewO nicht anwendbar, soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Die zweite Variante scheidet aus. Zwar kann eine Erlaubnis für das Bewachungsgewerbe nach §§ 48, 49 VwVfG aufgehoben werden, wenn der Gewerbetreibende iSv § 34a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewO unzuverlässig (geworden) ist; allerdings besitzt die MS Ltd. keine Erlaubnis, die aufgehoben werden könnte.
Fraglich ist, ob die Anwendbarkeit von § 35 GewO wegen der möglichen – und rechtmäßig erfolgten (siehe Teil I) – Fortsetzungsuntersagung nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ausgeschlossen ist. Dies wäre dann zu bejahen, wenn § 15 Abs. 2 S. 1 GewO auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellte. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO soll hingegen allein das Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis sanktionieren. § 35 GewO kann deshalb neben § 15 Abs. 2 S. 1 GewO zur Anwendung kommen[73]. Da gegen die MS Ltd. nach § 35 Abs. 1 GewO eingeschritten werden kann, gilt dies auch für ein Vorgehen gegenüber dem Betriebsleiter. Deshalb deckt § 35 Abs. 7a GewO auch ihm gegenüber eine erweiterte Untersagung für noch nicht ausgeübte erlaubnispflichtige Tätigkeiten[74].
Hinweise:
Gegen das nach dem Wortlaut von § 35 Abs. 8 GewO recht eindeutige Ergebnis werden sich vermutlich einige Bearbeiter/innen intuitiv sperren, weil in verkürzender und unzutreffender Wahrnehmung § 35 GewO allein als Eingriffsgrundlage für das erlaubnisfreie Gewerbe identifiziert wird. Gleichwohl wird nur ganz vereinzelt eine Sperrwirkung des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO für die Anwendung von § 35 Abs. 1 GewO vertreten[75]. Diese Auffassung verkennt Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen: Während § 15 Abs. 2 S. 1 GewO nur die Untersagung des konkreten Betriebs zB durch Sperrung und Versiegelung der Räume ermöglicht, ist § 35 Abs. 1 GewO personenbezogen grundsätzlich auf die Ausübung des jeweiligen Gewerbes gerichtet, dessen Ausübung im gesamten Geltungsbereich der GewO gesperrt ist[76]. Hinzu kommt, dass nur die Einleitung eines Untersagungsverfahrens gegen die MS Ltd. als Gewerbetreibender die Voraussetzung dafür schafft, auch gegen Stellvertreter bzw. mit der Leitung des Betriebs beauftragte Personen nach § 35 Abs. 7a GewO vorzugehen – dazu sogleich unter C.I (Rn 147).