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MAKROEIGENSCHAFTEN

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Komplexe Systeme bilden häufig sogenannte Makroeigenschaften aus. Sie können dabei unterschiedliche Systemzustände einnehmen. Ein einfaches, nicht komplexes Beispiel für eine Makroeigenschaft sind die Aggregatzustände von Wasser. Chemisch gesehen ist Wasser immer eine Ansammlung von Molekülen, die meist aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom bestehen. Je nach Temperatur bewegen sich diese Moleküle unterschiedlich schnell und sind dadurch unterschiedlich stark aneinander gebunden. Ist es kalt, ist Wasser fest, bei Raumtemperatur ist es flüssig, und durch Erhitzen wird es irgendwann dampfförmig. Es ist immer dasselbe Molekül – mit drei grundverschiedenen Makroeigenschaften.

Ein anderes Beispiel für eine Makroeigenschaft ist der Zustand einer Volkswirtschaft. Es gibt einen Systemzustand, in dem die Wirtschaft boomt, in dem Vollbeschäftigung herrscht und Überschüsse produziert werden, die umverteilt werden können. Alle haben Arbeit und den meisten geht es gut. Auch für jene, die nicht arbeiten, ist genug vorhanden. Dieselben Menschen mit exakt denselben Eigenschaften und denselben Fähigkeiten können sich aber auch in einem anderen Systemzustand befinden, in dem die Wirtschaft am Boden liegt, viele arbeitslos sind und wo so wenig produziert wird, dass die meisten verarmt sind. In diesem Zustand macht es für niemanden mehr Sinn, die Initiative zu ergreifen, und niemand investiert mehr. Diese Makroeigenschaft »Krise« kann über lange Zeit bestehen bleiben.

Zwischen den verschiedenen Systemzuständen oder Makroeigenschaften gibt es häufig abrupte Übergänge, die sogenannten Kipp-Punkte oder Tipping Points, die wir im ersten Kapitel kennengelernt haben. Bei Wasser liegen diese bei 0 und 100 Grad Celsius, wo der radikale Übergang von fest zu flüssig und von flüssig zu gasförmig stattfindet. In der Wirtschaft kann es ein äußerer Anlass sein, wie zum Beispiel eine Finanzkrise, die zu einem Übergang von einer Boom- in eine ausgedehnte Depressionsphase führen kann. Hier ist es schon weitaus weniger klar, wo sich die Kipp-Punkte befinden und welche Faktoren zum Kollaps führen.

Zu den wichtigsten Makroeigenschaften von komplexen Systemen zählen Eigenschaften wie: Stabilität, Robustheit, Effizienz, Resilienz und Anpassungsfähigkeit. Ein System ist stabil und robust, wenn es einen Schock aushält und übersteht, ohne in seiner Funktion stark beeinträchtigt zu werden. So weit so logisch. Das hat noch wenig mit Komplexität zu tun. Schwieriger wird es beim Begriff der Effizienz. Ein System ist effizient, wenn es gut funktioniert in dem Sinn, dass der Output in Relation zum Input hoch ist. In komplexen Systemen hängt Effizienz oft stark mit den Details der zugrundeliegenden Netzwerke zusammen.

Zum Beispiel hängt der Output einer Firma stark damit zusammen, wie sie organisiert ist. Wie hierarchisch ist sie, wie sehen die Interaktionsnetzwerke zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus? Wie sind die Produktionsabläufe und die Verwaltungsstrukturen in Netzwerken organisiert, wie beeinflussen diese die Motivation und Produktivität der einzelnen MitarbeiterInnen? Wie stabil sind die Zuliefernetzwerke und wie verlässlich sind die internationalen Handelsnetzwerke?

Die Zerbrechlichkeit der Welt

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