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COMPUTER VERÄNDERN ALLES

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Das Verständnis komplexer Systeme wurde erst mit der Erfindung des Computers möglich. Hätten wir nur unser Gehirn, Bleistift, Papier und vielleicht noch eine einfache Rechenmaschine, wie das vor sechzig Jahren noch der Fall war, wären wir nach wie vor nicht in der Lage, komplexe Systeme zu verstehen. Wir hätten weder Daten noch die Möglichkeit, mit ihnen etwas Sinnvolles anzufangen. Wir hätten zum Beispiel keine Chance, die globalen Ausbreitungsmuster eines neuartigen Virus entlang von sozialen Kontaktnetzwerken zu verstehen. Und selbst, wenn wir genaue Daten darüber hätten, wer wen angesteckt hat, wir wüssten nicht, wie man daraus wirksame Gesundheitsmaßnahmen ableiten sollte. Wir könnten einfach nicht Schritt halten mit den sozialen Netzwerken, wie sie sich in Folge der Pandemie verändern, und damit das Verhalten der Menschen verändern, und diese wiederum die Netzwerke.

Computer, Big Data und quasi unbegrenzter Speicherplatz ermöglichen es uns, solche Systeme jetzt besser zu verstehen. Big Data liefert uns nicht nur die Daten zu allen Einzelteilen, sondern auch zu deren Verbindungen und Wechselwirkungen. Mit Hilfe von Computern und Datenbanken können wir nachverfolgen, wie sich Netzwerke und Eigenschaften gleichzeitig verändern.

Heute können wir als Menschheit dank der Informations- und Computer-Technologie im Prinzip wissen, wer mit wem kommuniziert. Man könnte es zum Beispiel in Daten der sozialen Medien oder in den Daten von Telefongesellschaften nachverfolgen. Man sieht, wer welche Inhalte im Netz anklickt und vermutlich liest, wer welche Dinge bestellt und konsumiert. Man kennt jede Zahlung mit Karte, jede Überweisung wird aufgezeichnet, man kennt das Einkaufsverhalten Einzelner und das ganzer Bevölkerungsgruppen. Man weiß, wer welche Filme sieht und kennt Netzwerke von denen, die miteinander befreundet oder verfeindet sind, man kennt durch GPS die Bewegungen all derjenigen, die es am Smartphone nutzen, man weiß, wer was produziert, wer gerade woran arbeitet und wer in welchen Verhaltensmustern gefangen ist. Man kennt die Herzschläge, Atemzüge und Blutsauerstoffwerte derer, die sie mit ihren Smartwatches in die Cloud laden. Konzerne können damit das Gesundheitsprofil der betreffenden Menschen täglich aktualisieren und mit den gekauften Medikamenten abgleichen.

In neuen Autos befinden sich bereits mehrere SIM-Karten. Manche Modelle melden direkt an den Autohersteller oder an die Versicherung, wie konzentriert der Fahrer ist und was im und um das Auto herum passiert. Man lässt Kühe Sensoren schlucken, die uns in Echtzeit sagen, was im Kuh-Magen gerade vorgeht, und die uns anzeigen, wenn eine Kuh krank zu werden droht. Man beobachtet mit Sensoren Verrottungsprozesse in Mülltonnen und erfasst den CO2-Ausstoß von Müllhalden. Man kann den Standort und die Fracht jedes Schiffes zu jeder Zeit lokalisieren, man überwacht sämtliche Flugzeuge und Passagiere und kann verfolgen, wo Bäume gefällt und wo Urwälder in Palmölplantagen umgewandelt werden.

GPS-Daten machen selbst minimale Veränderungen messbar. Die millimeterweisen Bewegungen von Bergen etwa, oder den Anstieg des Meeresspiegels. Jeder Befehl auf den Computern wird mitgeloggt, jeder Radfahrer wird gezählt, jeder LKW auf jeder Autobahn wird erfasst. Wir haben begonnen, alles, was sich auf dem Planeten tut, mitzuschreiben und zu speichern. Kameras, Chips, Speicherkarten und Sensoren übersehen praktisch nichts mehr.

Diese Vermessung der Welt findet in ungeheurem Ausmaß statt und es sieht nicht so aus, als gäbe es ernstzunehmende Tendenzen, die dem Einhalt gebieten würden. Wir produzieren mehr und mehr Sensoren. Sie nehmen die physische und digitale Wirklichkeit wahr, verwandeln sie in Daten und speichern sie. Die digitale Kopie des Planeten wird immer genauer. Wie viele Terabytes und Zettabytes sind das? Weil es exponentiell mehr werden, brauchen wir immer neue Worte dafür. Yottabyte zum Beispiel. Ein Yottabyte besteht aus 1.000.000.000.000.000, oder, anders gesagt, tausend Billionen Gigabyte.

Die Zerbrechlichkeit der Welt

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