Читать книгу 75 B und Minze frisch - Stefan Voelker - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеMarion wusste um ihre Wirkung auf Männer.
Männer kamen nicht umhin sich nach ihr umzudrehen. Auf der Straße, im Restaurant, im Büro. Eigentlich überall.
Sie war neununddreißig Jahre alt, naturblond, und die Schwangerschaft hatte sie von Figurkatastrophen verschont. Glück gehabt. Sie gehörte zu dem Typ Frau, bei der die erotische Ausstrahlung mit dem Älterwerden zu- und nicht abnahm.
Wobei, auch bei ihr war vor ein paar Jahren die Zeit gekommen, wo sich ihr Stoffwechsel nicht mehr ganz so nach ihrem Wunschprogramm verhielt. Die Zeiten, wo die Pfunde vom Wochenende spätestens am darauffolgenden Mittwoch wieder vergessen waren, waren Geschichte, ein für alle Mal. Im Büro hatte sie mal das Wort ‚Hüftenglück‘ gehört und zuerst hatte sie sich gefragt, was damit wohl gemeint sein könnte. Doch dann verstand sie – die Hüfte war bei den meisten Frauen das erste Opfer von Chips und Eis und Popcorn und leckeren Soßen - und fand den Begriff sehr passend.
Aber warum sollte sie auch verschont bleiben von den üblichen Problemzonen, die sich unausweichlich aufdrängten? Vor allem, wenn man nichts dagegen unternahm. Und da wollte sie den Hebel ansetzen, wollte dem ‚Hüftenglück‘ entgegenwirken. Also machte sie sich ihre Gedanken über Bauch, Beine, Po – und fing mit dem Joggen an. Erst langsam, kurze Strecken, nicht weiter als zwei Kilometer. Schnelles Gehen und Laufen im Wechsel. Dann immer schneller und immer weiter. Drei – vier – fünf Kilometer, nach zehn Wochen lief sie unbeschwert und locker bis zu zehn Kilometer durch den Grunewald und es strengte sie nicht mehr an als ihren Einkaufswagen durch den Supermarkt zu schieben. Ihre oberste Devise: Regelmäßigkeit! Es gab keine Ausreden, solange nicht eine ernsthafte Erkrankung sie vom Laufen abhielt.
Als junger Teenager hatte sie die Hoffnung, dass es in Sachen Oberweite anders laufen würde als bei ihrer Mutter. Bei ihrer Mutter konnte von ‚Weite‘ in diesem Bereich nicht die Rede sein, und das bereitete der heranreifenden Marion zunehmend Sorge. Mit dreizehn wartete sie täglich sehnsüchtig auf den Augenblick, wo ihr Körper endlich loslegen würde mit der Ausbildung fraulicher Rundungen. Sie wusste, dass es Hormone waren, die diese Sachen regelten, hatte sich sogar den entsprechenden Namen der wichtigsten, weiblichen Hormone gemerkt: Östrogene. Und auf diese Östrogene lauerte sie wie der Angler, der sehnsüchtig darauf wartete, dass die Pose abtauchte und die Jagd nach dem Fisch endlich losgehen konnte.
Es ging irgendwann los. Allerdings eher zaghaft und bescheiden. Mit sechzehn hatte sie eine handliche Apfelform in der Bluse, zu wenig für ihren Geschmack. Sie heulte sich eine ganze Woche lang in den Schlaf, verweigerte den Blick in den Spiegel, verwarf den Traum von Körbchengröße C – oder sogar mehr! - und arrangierte sich an einem verregneten Freitagabend nach vier einsamen Bacardi-Cola mit der Vorstellung, dass ein satter Fundus an Push-up-BHs ein ständiger Begleiter in ihrem Leben sein würde.
Wenn Bekannte oder Freunde gefragt werden würden, was sie von der Ehe von Marion und Harald hielten, dann würden sie sagen, dass diese Partnerschaft eine harmonische, gut-funktionierende, vorbildliche Ehe war. Sie würden sagen, dass sie wünschten, ihre eigene Ehe würde so gut laufen wie die von Marion und Harald.
Tatsache war, dass Marion ihren Mann jeden Tag ihrer Ehe anlog. Und um die Sache zu einem ausgewachsenen Hollywood-Drama abzurunden, log sie ihren siebenjährigen Sohn Joshua gleich mit an. Sie war eine gute, verlässliche Lügnerin, hatte über all die Jahre eine gewisse Routine und Sicherheit erworben. Übung macht den Meister!
Während ihrer Kindheit in Garmisch-Partenkirchen war ihre Mutter ihr ultimatives Vorbild gewesen. Von ihrem zu kleinen Busen mal abgesehen war ihre Mutter so, wie Marion als Erwachsene und insbesondere als Frau sein wollte.
Als Marion dann nach und nach herausfand, dass ihre Mutter es selbst mit der Wahrheit nicht so genau nahm - vor allem was die Treue zu ihrem Ehemann, Marions Vater, anbelangte - fing dieses Bild von der unfehlbaren, vor der Unwahrheit gefeiten Super-Mama an zu bröckeln wie eine Sandburg, die von der herannahenden Flut weggewaschen wurde.
Jetzt war sie selbst Mutter von einem Kind, welches sie über alles liebte, und die Lüge über Joshuas Vater nagte an ihrem Gewissen. Ein steter Vorgang, der an die Substanz ging. Langsam, aber fortwährend. Wie bei einem Baum, dessen Stamm von einem Biber angenagt wurde. Holzspan für Holzspan ging flöten, die Wunde an dem Stamm immer tiefer, kreisrund, immer schmaler wurde der Stamm, bis er sein eigenes Gewicht nicht mehr halten konnte und zur Seite wegfiel. Das war dann das Ende.
Nach der Geburt ihres Sohnes und dem anschließenden heimlichen Vaterschaftstest mithilfe eines durchgekauten Kaugummis und des nachts abgeernteten Kopfhaares war die Sache erst einmal ganz klar für sie gewesen: Die Wahrheit über Joshuas leiblichen Vater galt es für sich zu behalten. Was nutzte es, die Dinge aufzuklären? Keinem war damit geholfen. Keinem. Weder Harald noch Joshua.
Also warum nicht so lange schweigen, bis sie es eines Tages selbst vergessen hat? Zeit heilt alle Wunden, sagen sie. Oder etwa nicht? Und – mal ehrlich: Auch die Wahrheit wurde mit den Jahren immer wässriger und unscheinbarer, und irgendwann war sie durchlöchert wie ein Schweizer Käse. War es nicht so, dass Wahrheiten, über die nicht geredet wurde und die auch so gut wie keiner kannte, sich am Ende wie von selbst erledigten? Also ‚erledigen‘ im Sinne von ‚gar nicht passiert‘?
Alles war gut, so wie es war. Und wenn nicht, dann half es immer, sich für den einen oder anderen Abend schön elendig in den Schlaf zu heulen und darauf zu hoffen, dass es am nächsten Morgen irgendwie weiterging.
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Zwei Tage nach Haralds Rückkehr ging Marion zur Eröffnung des Cafés ihrer besten Freundin Nicole. Harald war mit eingeladen, zog es aber vor, stattdessen zu Hause auf der Couch zu sitzen und einen Film zu schauen. Nicht das erste Mal, dass er sie alleine ausgehen ließ. Vieles hatte sich seit Haralds Afghanistan-Einsätzen geändert.
„Du riechst saugut, Mama“, sagte Joshua, als sie ihn kurz vor ihrem Aufbruch ins Bett brachte. „So fruchtig.“
„Oh, danke. Was für ein Kompliment von einem jungen Mann wie dir!“
„Was ist ein Kompliment, Mama?“
„Erkläre ich dir morgen. Schlaf jetzt, mein Schatz.“
Sie verabschiedete sich von Harald und sah mit einem flüchtigen Blick die DVD ‚Hamburger Hill‘ auf dem Tisch liegen. Das Titelbild zeigte Armeehubschrauber, die tief über verbrannte Erde flogen, darunter bis an die Zähne bewaffnete, amerikanische Soldaten. Ein Kriegsfilm, wieder mal. Vietnam oder so was. Als ob er vom Krieg nicht schon genug gesehen hatte.
Marion trug an diesem Abend einen kurzen, schwarzen Rock in Kombination mit einer transparenten, weißen Bluse. Für den Fall, dass sich die Party auf den großzügigen Außenbereich des Cafés verlagern könnte, hatte sie eine dunkle Suzy-Shier-Strickjacke mitgenommen.
Auf die Tische im Café hatte Nicole weiße Porzellanschalen mit einer Unzahl von Schwimmkerzen stellen lassen. Sowohl auf der langen Theke als auch an der Fensterseite befanden sich Arrangements mit gelben Tulpen, überall verteilt waren Glasschalen mit leckeren, belgischen Schokoladensplittern, angereichert mit Sultaninen, Korinthen und Zibeben.
Nicole eröffnete den Abend mit einer Ansprache. Professionell, selbstbewusst, so ganz ohne Lampenfieber und souverän wie eine Ansagerin vor der Wetterkarte im Ersten. Trotz der High Heels, die sie trug, hatte sie den nächstbesten Stuhl bestiegen und augenblicklich die volle Aufmerksamkeit ihrer Gäste erhalten.
„Warum denn Café Link-Up?“ Eine Männerstimme flüsterte Marion ins Ohr. Sie drehte sich zur Seite und schaute zu ihm hoch: pechschwarze Haare, nach Irokesenart zu einzelnen Spitzen formiert. Farblich passend dazu eine Brille mit einem auffällig dicken Brillengestell. Er war mittleren Alters, Südländer, etwa einen Kopf größer als sie, gutaussehend und gut rasiert. In der Hand hielt er ein bereits leergetrunkenes Sektglas.
„Wie bitte?“ fragte Marion zurück, ihre Stimme mit einem leicht-genervten Unterton.
„Ja ... ich meine das Café hier.“ Er kam ganz nah an ihr Ohr heran. „Es soll ‚Café Link-Up‘ heißen und ich frage mich – warum?“ Ein melodischer Akzent schwang in seiner Stimme mit. Er roch nach teurem After Shave.
„Vielleicht weil sich die Menschen hier im Café kennen lernen sollen“, erwiderte sie.
„Oh ja. Das könnte sein“, sagte er. Sein Grinsen war noch etwas breiter geworden. „Dann sollten wir doch mit gutem Beispiel vorangehen und die Ersten sein, die sich hier kennenlernen. Mein Name ist Pablo, und wenn ich das so sagen darf: Sie sehen bezaubernd aus!“
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wann sie das letzte Mal das unzweifelhafte Gefühl hatte, dass ein Mann ein so eindeutiges Interesse an ihr gezeigt hatte. Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass sie seit ihrer nunmehr achtjährigen Ehe nicht mehr so direkt und unbefangen von einem anderen Mann angesprochen worden war. Sie war überrascht, als ihr klar wurde, wie zufrieden, ja fast schon glücklich sie das machte.
„Wollen wir uns nicht lieber nach der Ansprache weiter unterhalten?“, sagte Marion und deutete zu Nicole hinüber, die immer noch auf dem wackeligen Stuhl stand.
„Okay, ich hole schon mal zwei frische Gläser Sekt. Halten Sie mir unbedingt den Platz hier neben sich frei. Sie müssen mir gleich noch Ihren Namen verraten. Abgemacht?“
„Abgemacht.“
Was tat sie da? Was sollte das hier? Da kam ein Pablo daher, hat den richtigen Haarschnitt, das richtige Lächeln und das richtige After Shave, und sie ließ sich nach drei Sätzen zur Platzhalterin einteilen? Wie kam er darauf, dass sie Sekt trinken wollte? Und warum sollte sie ihm ihren Namen verraten? Als nächstes fragt er nach ihrer Nummer und ob sie kommenden Samstag schon was vorhabe ...
Kurze Zeit später war er wieder da, stellte sich direkt neben sie und reichte ihr ein Glas Sekt hinüber. „Die Ansprache ist zu Ende“, sagte er. Der Sekt perlte aufgeregt im Glas. Sie griff danach und konnte augenblicklich die Sektperlen auf ihrer Haut spüren, die unablässig über den Glasrand hüpften.
„Wie lautet er nun?“ Pablo blickte ihr tief in die Augen. Er hatte diese Gesichtszüge, markant, das Kinn kantig und mit einem breiten Grübchen. Tom Selleck, kein Zweifel.
„Ich heiße Marion. Und ... ich bin verheiratet.“
Sein Blick wich keinen Moment von ihr. Der Mann war gut, wusste, was er tat und wie er auf Frauen wirkte. Seine gesamte Mimik verriet ihr, dass sie genau das war, was er heute Abend gesucht hatte.
„Dann stoßen wir doch an, Marion! Auf die Eröffnung von Cafés wie dieses hier und auf bezaubernde, verheiratete Frauen!“
Sie ließen ihre Gläser klingen und Marion konnte nicht anders, als dabei in Pablos dunkle Augen zu schauen. Dieser Mann war weiß Gott kein Anfänger. Und: er trug keinen Ring.
Aber ... was sollte das hier werden? Ein Flirt? Der Beginn einer Romanze? Oder nicht mehr als eine nette Unterhaltung zwischen zwei Menschen, die sich zufällig bei der Eröffnung eines Cafés über den Weg gelaufen waren?
Und warum hatte sie überhaupt erwähnt, dass sie verheiratet war? Den Ehering an ihrem Finger hatte ein Mann wie Pablo doch bereits bemerkt, als sie bei ihrer Ankunft den Raum betreten hatte. Oh ja, solche Männer wussten, worauf sie achten mussten, wenn sie auf Beutejagd waren.
Bevor Marion sich für Harald und damit für ein solides Familienleben entschlossen hatte, gab es mehr als nur einen Pablo in ihrem Leben. Einige hatten es lediglich geschafft, das Bett mit ihr zu teilen und waren am nächsten Tag wieder verschwunden. Aber das war okay. Es waren schlichtweg One-Night-Stands. Marions goldene Regel für solche Fälle: niemals die Telefonnummer preisgeben und niemals die Jungs mit in ihre eigene Wohnung nehmen.
Sie hatte es in vollen Zügen ausgekostet: ihre Jugendlichkeit, ihre Unbeschwertheit und die Männer und die Partys und diese gierigen Blicke, wenn sie kurzberockt und in den höchsten High Heels der Saison zur Tür hereinkam. Diese verlangenden Augen, die die Formen ihres Körpers wie eine Schablone abtasteten, um Augenblicke später den Jagdinstinkt tief im testosterongetränkten Bewusstsein zu wecken.
Aber das alles war jetzt vorbei. Es war ein anderes Leben gewesen; etwas, was man irgendwann einmal hinter sich lassen musste.
Am Ende von Nicoles Ansprache prosteten ihr alle zu, klatschten und jubelten. Sie hatte mehr als nur eine Träne im Auge, als sie sich wieder vom Stuhl herabhelfen ließ und sogleich von einer Gruppe weißgekleideter Gäste, die ein wenig an Krankenhauspersonal erinnerten, eingenommen wurde. Sie strahlte und Marion konnte ihr ansehen, dass es ihr gut ging und dass sie erleichtert war, die Ansprache hinter sich zu haben.
„Wie lange denn schon?“, fragte Pablo.
„Sie meinen ... wie lange ich schon verheiratet bin?“
„Ja ... lassen Sie mich raten ...“ Er musterte sie eingehend und legte seinen Kopf auf die Seite. Marion hatte den Eindruck, dass er ihr so noch tiefer in die Augen blicken konnte. „Eine Frau wie Sie, Marion, die ohne ihren Mann zu einem Empfang geht, ist schon etwas länger verheiratet.“
Sie nahm einen Schluck von ihrem Sekt. „Das sind ja ganz gewagte Schlussfolgerungen! Vielleicht ist mein Mann auch gerade arbeiten oder liegt mit einer Erkältung auf der Couch. Oder passt auf unsere sechs Kinder auf.“
„Sie haben sechs Kinder? Nein! Wirklich nicht ... keine sechs. Sie haben höchstens ein Kind. Junge oder Mädchen?“
Okay, hundert Punkte für Pablo.
„Ein Junge. Und um der nächsten Frage vorweg zu greifen: er heißt Joshua.“
Nicole verabschiedete sich mit endlosem Schulterklopfen und Umarmungen von den in weiß gekleideten Gästen und ging mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf Marion und Pablo zu.
Nicole, ihre beste Freundin. Sie hatten sich bei einem Autounfall kennengelernt. Vor acht Jahren, eine halbe Ewigkeit war das her. Marion war gerade mit ihrem Freund Harald von Bayern nach Berlin gezogen und Nicole war zu dieser Zeit mit einem Piloten zusammen. Auf dem Parkplatz eines Griechischen Restaurants rammte der Pilot mit seinem Audi in Marions Ford Fiesta.
Der Pilot war bald Geschichte. Nicole hingegen traf die Unfallgegnerin ihres Ex-Freundes zwei Tage später beim Shoppen in einem Dessous-Geschäft wieder. Die beiden Frauen waren sich auf Anhieb sympathisch, hatten kurzerhand ihre Einkaufstüten gegriffen, sich in das nächstbeste Café gesetzt und sich schon bald über viel wichtigere Dinge unterhalten als über Piloten, die nicht Autofahren konnten.
„Amüsiert ihr euch?“, fragte Nicole. Mit leichtem Schritt kam sie auf Pablo und Marion zu. Sie sah bezaubernd aus: Ihre großen, blauen Augen waren perfekt geschminkt, ihr leicht gelocktes, helles Haar perfekt frisiert und ihr ehrliches, unverwechselbares Lächeln, das Marion schon immer beeindruckt hatte, zeigte perfekt sortierte, weiße Zähne.
„Oh ja. Großartig“, sagte Pablo und blickte wieder zu Marion. „Vor allem deine Gäste sind hinreißend!“
Es gelang den Frauen, Pablo davon zu überzeugen, dass er sich sehr nützlich machen konnte, wenn er sich für das ein oder andere Häppchen am Buffet anstellen würde. Manchmal war es so einfach mit den Männern.
Als sie alleine waren, sagte Nicole: „Harald ist also nicht mitgekommen. Schade ... hatte mich schon gefreut, mal wieder kräftig eine Runde Tequila mit Salz und Zitrone mit ihm zusammen runter zu kippen. Naja, vielleicht das nächste Mal. Sag‘ mal: Wie lange war er jetzt weg gewesen? War doch jetzt länger als vier Monate, oder?“
„Zweihundertundzwölf Tage, beinahe sieben Monate. Fehlten zwei Tage.“
„Und ... da war die Wiedersehensfreude doch sicher unendlich groß, oder? Seit vorgestern ist er wieder hier, richtig?“
Marion zog eine Augenbraue hoch, blickte auf den Boden. „Ja, seit vorgestern,“ antwortete sie. Ihre Lippen waren aufeinandergepresst. Der rosa Lippenstift, den sie trug, wirkte noch ein wenig blasser. „Weißt du, Nicole ...“
Nicole griff nach der Hand ihrer Freundin. „Oh Marion, meine Liebe, ich versteh‘ schon. Es ist wieder so wie nach seinem letzten Einsatz. Stimmt’s?“
Marion atmete tief durch. „Du weißt ja, wie er so ist. Wie er so geworden ist, seitdem er bei Afghanistan mitmacht.“ Sie schluckte. „Er wird mir immer fremder, Nicole, ist mit seinen Gedanken gar nicht hier, gar nicht BEI MIR. Er ist ständig in Unruhe, auf der Suche nach irgendetwas. Er fasst mich nicht mehr an, jedenfalls nicht wie früher. Weißt du, was ich meine? Keine Leidenschaft, keine Freude mehr über das Wiedersehen. Auch Joshua gegenüber ist er abweisend. Nicole, ich habe den Eindruck, es wird immer schlimmer mit ihm.“
Nicole schaute sie an. „Marion, meine Liebe. Hör‘ zu: wir beide müssen uns mal richtig ausquatschen. Ich meine: DU musst dich mal richtig ausquatschen. Aber nicht jetzt und nicht hier! Wir reden später darüber. Versprochen.“ Sie nahm ihre Freundin in den Arm. „Tut mir leid, dass ich überhaupt das Thema aufgebracht habe. Ich dachte, ihr beiden seid vor lauter Wiedersehensfreude in den letzten zwei Tagen nicht mehr aus dem Bett herausgekommen.“
„Ja, so war es nicht ganz ... “