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AUSGERECHNET LIEBE

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Stellen Sie sich vor, Sie wüssten, dass Sie sehr bald sterben müssen, und ein Fremder wollte mit Ihnen ausgerechnet über die Liebe reden. Und das dazugehörige Liebeslied wollte dieser Fremde auch noch kennenlernen, so Sie eines hätten. Zudem wollte er etwas über Ihre Strategien, mit dem Sterben umzugehen, erfahren. Nur eine Stunde, verspricht er. Für ein Kunstprojekt und als Impuls für ein Buch mit Kurzgeschichten über Liebe und Musik, auf dass der Tod kein Tabu mehr sei. Weil kein Aufzeichnungsgerät mitlaufen und er auch nicht mitschreiben würde, hätten Sie dem Fremden Ja gesagt. Sie müssten nicht fürchten, dass Ihr Name oder der Ihrer Angehörigen genannt wird. Und den fremden Autor müssten Sie nie mehr wiedersehen. Was würden Sie erzählen?

Ich bin der Fremde. Und tatsächlich fanden sich Menschen, die sich auf diese Blind Dates über die Liebe am Rand des Lebens eingelassen haben. Für meine hier vorgelegten Erzählungen und Kurzgeschichten habe ich Sterbende in Hospizen und an anderen Orten getroffen, um mit ihnen über Musik, Liebe und den Tod zu sprechen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Hochbetagte. Ebenso habe ich Angehörige aufgesucht. Die Recherchen fanden in Deutschland, Schweden und der Schweiz statt und umspannten zehn Jahre. Alle Namen und Geschichten in diesem Buch wurden verfremdet. Eine Ähnlichkeit mit realen Personen ist nicht beabsichtigt. Meine Erlebnisse und Eindrücke habe ich literarisch frei verarbeitet. Ich habe das Gesehene und Gehörte mit Unsichtbarem und Unsagbarem verbunden. Fehlendes habe ich achtsam ergänzt, weitergedacht und in Bilder gebracht. Dieses Buch ist ein Familienalbum. Doch keines, das nur wie üblich lachende Menschen an Feiertagen zeigt: Hochzeit, Geburtstage, Weihnachten, Urlaub. Dieses Buch blickt aus der Perspektive des Sterbens hinter die Fassade, zeigt schöne und ungeschönte Geschichten über Sehnsucht und Liebe am Lebensende – und stellt die Musik vor, die sich in Lebensgeschichten hineingewoben hat.

Liebe ist vielfältig. Ich traf Sterbende mit Lebenslust. Ich lernte liebevolle Familien kennen, fröhliche Paare und glückliche Singles. Ich begegnete Menschen mit Gewalterfahrungen und Schuldgefühlen sowie Sterbenden mit schrägem Humor, mit Angst und Zuversicht. All diesen Erfahrungen verleiht der Tod letzte Größe und Ausweglosigkeit, gibt ihnen Milde, Trauer und Verzweiflung bei, lässt Dankbarkeit am Ende stehen, manchmal Erlösung oder das Gefühl, dass vieles unerfüllt bleibt. Und mancher macht sich noch im Sterben frei oder stellt sich unbequemen Fragen.

Den Tod haben wir nicht in der Hand, das Leben häufig schon, bis wir sterben. Das lehren uns Menschen am Lebensende.

Und überall ist die Musik.

Und überall ist die Möglichkeit der Liebe, man muss sie nur entdecken.

Stefan Weiller

Dank allen Menschen und Institutionen,

die mir zur Recherche die Türen öffneten.

Letzte Liebeslieder

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