Читать книгу Letzte Liebeslieder - Stefan Weiller - Страница 4

HENRIS PAPA Henri, 5 | Paul, 11 | Mama, 38 | Papa, 39 | Gonzo Schnappi, das kleine Krokodil

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Eigentlich findet Henri toll, dass Papa Krebs hat. Welcher Papa ist schon so viel zu Hause? Früher hat Papa ganz oft vom Büro aus angerufen und gesagt, dass es heute wieder spät wird. Henri hat den Papa dann abends gar nicht mehr gesehen. Ganz schön blöd fand Henri das.

Eigentlich heißt Henri Henrik, mit »k« am Ende, genau wie sein Opa aus Norddeutschland, der schon tot ist. Zu Hause wird er von allen nur Henri gerufen, weil alle das cooler finden. Henri ist das eigentlich egal, denn es gibt Wichtigeres in seinem Leben als ein k am Ende. Und das Alphabet lernt er gerade erst, sein Papa bringt es ihm bei. Henri freut sich, dass Papa immer da ist. Und Mama fand früher auch doof, dass Papa so oft weg war. Manchmal hörte er sie streiten. Als Papa nicht mehr immer bei der Arbeit, sondern oft im Krankenhaus war, merkte Henri erst gar keinen Unterschied, nur dass es darüber keinen Streit gegeben hat. Und dass Mama seitdem öfter weint. Henri mag es nicht, wenn die Mama weint, weil er manchmal auch gar nicht versteht, warum. »Hab’ ich was angestellt, Mama?«, fragt Henri dann. »Aber nein«, sagt Mama dann. Und meistens sagt sie noch »Alles gut«, so zur Beruhigung. Fast jedes Mal ist das so. Aber Henri weiß es besser. Nichts ist gut. Er fühlt sich schuldig. Er will besonders artig sein und er nimmt sich vor, dass er nur noch weint, wenn es gar nicht anders geht. Henri weint, wenn er hingefallen ist. Henri weint, wenn er sich ärgert. Und Henri weint, wenn er ungerecht behandelt wird, zum Beispiel von Paul, seinem älteren Bruder.

Paul war mal Henris großes Vorbild. Jetzt findet Henri Paul vor allem gemein. Als Henri neulich beim Mittagessen sagte, dass er eigentlich toll findet, dass Papa Krebs hat, weil Papa jetzt so viel zu Hause ist, hat Paul gesagt, dass Henri der blödeste Idiot der Welt ist. Henri war wieder mal hilflos, weil sein Bruder so fies reagiert hat und viel mehr Worte kennt, um gemein zu sein. Henri ist dann in der Aufregung nur ein Wort eingefallen, von dem er wusste, dass man es nicht sagen soll. Und dann sind diese ganzen doofen Gefühle mit ihm durchgegangen und er hat es also doch gesagt: »Und du bist ein Arschloch. Ihr seid alle Arschlöcher.« Jetzt war es raus, leider viel lauter, als er es sagen wollte, und dabei hat er genau gewusst, dass dieses furchtbare Wort zu Hause streng verboten ist – auch wenn manche Kinder das auf der Straße dauernd sagen. Mama hat groß geschaut. Paul hat zu Mama geguckt und gefragt: »Was hat der gesagt?« Henri ist dann vor lauter Aufregung so schnell aufgestanden, dass sein Stuhl nach hinten umgekippt ist. Mit lautem Scheppern. Auch das noch. Der umgekippte Stuhl, der mitten im Zimmer lag, machte alles noch viel peinlicher. Es ging nicht anders, er musste wegrennen. Mamas Reaktion hat er nicht gesehen, vor lauter Tränen, die in seine Augen geschossen sind. So wie Paul das verdreht hat, war das ja gar nicht gemeint, mit dem Krebs. Auch wenn Henri immer noch nicht richtig weiß, was Krebs alles macht, er weiß sehr wohl, wie schlimm das ist, wenn jemand Krebs hat. Aber warum darf er sich nicht darüber freuen, dass er jetzt jederzeit zu Papa gehen kann und dass Papa immer da ist?

Seit diesem blöden Abend steht für Henri endgültig fest: Paul ist der Blöde in der Familie und versteht überhaupt nichts. Wie gut, dass Mama auch dieses Mal zu Henri rausgekommen ist, um ihn zu trösten und sich neben ihn zu hocken, auf die Treppe, wo Henri immer hingeht, wenn er traurig ist. »Das schlimme Wort sag aber nicht mehr«, hat sie gesagt. »Verrätst du es Papa?«, wollte Henri wissen. »Aber nein«, hat sie versprochen. Auf Mama kann man sich verlassen.

Aber so ganz richtig verstanden fühlt sich Henri vor allem von seinem Papa. Henri legt sich gern zu Papa ins Bett. Papa liegt ganz viel in seinem großen Bett, weil er oft müde ist. Jeden Tag ist er ein bisschen müder. Am liebsten liegt Henri quer zu seinem Papa auf der großen Matratze und legt den Kopf auf Papas Bauch. Vom Himmel aus betrachtet würde das aussehen wie ein T mit einem großen Dach, glaubt Henri. T ist einer von Henris Lieblingsbuchstaben. Er mag das T, weil man es zu zweit im Liegen nachformen kann und weil Papas Vorname mit T anfängt. »Du kannst auch ganz alleine ein T machen«, hat Papa neulich erklärt. Henri hat ihm das nicht gleich geglaubt. »Wie?« »Stell dich mit dem Rücken vor die Stehlampe neben das Bett«, hat Papa dann gesagt. Und Henri ist aufgestanden und hat sich vor die Lampe gestellt. »Noch ein bisschen weiter weg. So ist es gut. Nun breite die Arme aus, als wenn du fliegen würdest«, sagte Papa, hat den Lampenschirm in Henris Richtung gedreht, das Licht angeknipst und den Lichtkegel ein bisschen ausgerichtet. »Jetzt schau zu Boden.« Henri hat aber nichts Besonderes erkannt, nur seinen Schatten, der hat wie ein Kreuz ausgesehen. »Siehst du, Henri, das ist ein kleines t. Und das kannst du ganz alleine machen.«

»Da fehlt das Dach«, hat Henri dann gesagt und beschlossen, mit Papa noch ganz viele richtige Ts zu formen. Große. Überhaupt: Dass es kleine Buchstaben gibt, war Henri noch nicht ganz klar, und es ist schwer genug, die großen zu lernen.

Wenn Henri und Papa so daliegen wie ein großes T, krault Papa ihm durch die Haare, wie nur Papa es kann. Ein bisschen fest, aber nicht zu fest. Ein bisschen wild, aber nicht zu wild. Ein bisschen kreisend, aber manchmal auch in Linien, die Henris Papa mit den Fingerkuppen auf Henris Kopfhaut entlangzieht. Das tut gut. Unheimlich gut sogar.

In der Familie gibt es noch jemanden, der Streicheln genauso gerne mag wie Henri: Gonzo. Gonzo ist ein schwarzer Labrador und auch er liebt es, hinter den Ohren gekrault zu werden. Wie Henri. Konkurrenz kann Henri gar nicht leiden. Deshalb sagt er meistens: »Gonzo, raus!« Der trottet dann brav aus dem Zimmer, um es später wieder zu probieren. Aber Henri ist meist schneller. Und im Gegensatz zu Gonzo darf Henri sogar ins Bett.

Henri stellt oft Fragen an Papa: »Liest du mir was vor, Papa?« Papa liest dann etwas vor. »Tut dir was weh, Papa?« Papa verneint. »Schauen wir auf dem Tablet einen Film, Papa?« Papa ruft dann einen Film im Internet auf, wo Henri alleine nicht reindarf. »Hören wir dein Lied, Papa?«, dann ruft Papa über sein Handy sein Lied auf. »Hören wir jetzt aber wieder mein Lied, Papa?«, dann verdreht Papa die Augen, ruft aber Henris Lied auf. Ein tolles Lied, sein Lieblingslied, es geht darin um ein kleines Krokodil. »Geht es dir gut, Papa?«, fragt Henri und wippt dazu mit den Füßen zu seinem Lied. Und Papa nickt. Aber Henri ahnt, dass es Papa nicht immer gut geht. Papa ist dünn. Papa hat manchmal rote Augen. Papas Haut hat komische Flecken. In Papas Zimmer riecht es anders als in allen anderen Zimmern. Papa kriegt Medizin gegen Bauchweh und gegen alles andere auch. Henri mag die Farben von Papas Pillen, weiß aber, dass er auf gar keinen Fall von ihnen naschen darf. Papa kriegt Besuch von Ärzten. Papa klagt nie vor Henri. Und Henri klagt nie vor Papa. »Wollen wir nachher etwas spielen, Papa?« Papa verspricht es. Meist schlafen sie vorher ein. Henri zuerst, unter Papas Händen, an seinen Bauch gelehnt. Das ist das Schönste für Henri. Und auch für Papa.

Henris Mama kommt manchmal und sagt, dass Henri doch zu schwer sei für den Papa und dass er doch bitte den Kopf von Papas Bauch nehmen soll. Henri sieht dann hoch zu Papa. Papa schüttelt ganz leicht den Kopf, und Henri weiß, dass er ruhig liegen bleiben kann. Henri will ewig so liegen bleiben, hat er beschlossen, auch wenn er nicht weiß, was ewig ist. Henri kann Zeit noch nicht so sicher einschätzen. Eine Stunde ist manchmal ewig. Auf Weihnachten zu warten ist noch ewiger. Das ganze Leben ist am ewigsten. Und trotzdem hört es irgendwann auf.

Dass Papa nur noch wenig Zeit haben wird, hat Henri vor ein paar Tagen von Mama gehört. »Wird Papa bald sterben?«, hat Henris Bruder Paul gefragt, der, seit Papa krank ist, gar nicht mehr so gerne in Papas Zimmer gehen will. »Müssen wir dann ausziehen?«, hat Paul die Mama gefragt. Er hat einmal belauscht, wie die Eltern von Schulden gesprochen haben. »Vielleicht werden wir eines Tages umziehen, aber noch ganz lange nicht«, hat Mama geantwortet. »Wann müssen wir ausziehen?«, hat Paul dann gedrängelt. Der benimmt sich manchmal echt so kindisch und weinerlich, als wäre er der kleinere Bruder. »So genau weiß ich es nicht«, hat Mama dann gesagt. »Und wann stirbt der Papa?«, hat Paul weitergefragt. »Bald«, hat Mama dann geflüstert. Ehrlich sein macht die Stimme leise und Angst nimmt sie fast ganz weg. »Bald«, hat Paul flüsternd wiederholt. Mama hat genickt und Paul zu sich herangezogen, weil der plötzlich angefangen hat zu zittern. Henri hat in dem Moment hinter Paul gestanden. Er konnte das Gesicht von Paul nicht sehen, aber er hat geglaubt, dass Paul wieder einmal heulte. Typisch. Mama hat den schluchzenden und bebenden Paul in einem Arm gehalten, und mit dem anderen ausgestreckten Arm und einem tröstenden Lächeln hat sie den einsam stehenden Henri zu sich herangewunken. Henri hat gezögert, ist aber doch lieber aus dem Zimmer gelaufen und hat sich still auf seine kalte Steintreppe gesetzt, die hoch zu Papas Zimmer führt. Dort hockte er dann, das Kinn auf seine Fäuste gestemmt, und wunderte sich, warum Mama so schlimme Sachen sagt. Und warum Paul so dumme Fragen stellt. Und überhaupt: Warum ist alles gerade so blöd? Die kalte Treppe hat ihn beruhigt. Ganz leise über seinen Bruder »Arschloch« zu sagen und es ganz laut zu denken, hat ihn noch mehr beruhigt. Dann ist Gonzo gekommen und hat gehechelt, als sei nichts geschehen.

Wenn Gonzo hechelt, sieht es immer aus, als würde er grinsen. Henri grinst dann mit. Gonzo und Papa benehmen sich ganz normal. Paul und Mama irgendwie nicht.

»Gonzo, was machen wir bloß?«, fragt Henri Gonzo manchmal. Gonzo grinst dann treu. Wie immer. Sogar wenn jeder traurig ist, fängt Gonzo an zu grinsen. Und dabei kann man doch gerade gar nicht anders, als immerzu traurig sein. Gonzo ist der Beste.

Heute ist das Erlebnis von neulich schon fast vergessen. Heute ist ein guter Tag. Henri hat den Labrador aus dem Zimmer geschickt und liegt mit dem Kopf an seinen Papa gelehnt und lässt sich kraulen. »Hinter dem Ohr«, navigiert Henri Papas Hand. Papas Hand wandert hinter Henris Ohr. »Mehr an der Stirn.« Papas Hand wandert mehr an die Stirn. »Jetzt mal mit beiden Händen, mehr dahinten.« Henris Papa fragt besser mal nach: »Im unteren Halswirbelbereich?« Heißt das so? Wahrscheinlich heißt das so, also sagt Henri Ja und hat ein neues Wort gelernt. »Ja, bitte mehr im unteren Halswirbelreich, Papa.«

Papa ist heute noch müder als sonst. Er hatte gerade Geburtstag, das hat ihn wohl angestrengt. Auf dem Tisch neben dem Bett liegen Grußkarten. »Alles Gute zum 39. Geburtstag« steht auf einer, das weiß Henri, weil Papa ihm das vorgelesen hat. Die Blumen, die mit der Karte gebracht wurden, mussten weg aus dem Zimmer. Papa kriegt von Blumen ein bisschen schwer Luft. Papa kriegt viel Besuch, damit kriegt also auch Henri Besuch, weil er so gerne bei Papa liegt und den Papa am liebsten gar nicht alleine lassen will. Dann sitzt Oma da und fragt, wie es so geht. Dann sitzt Tante Barbara da und fragt, wie es so geht. Dann sitzt der beste Freund Michael da und fragt, wie es so geht. Henri fragen sie dann auch, wie es so geht. Das findet Henri nett. Er will schließlich auch gefragt werden.

Papas Freund Michael bittet Henri manchmal, ein bisschen draußen spielen zu gehen. Auch Frau Doktor Dingsbums mit dem komplizierten Namen und die Pfleger, die ab und zu kommen, schicken Henri meistens sofort raus. Einmal hat Frau Doktor Dingsbums gefragt, was Henri denn da für ein Lied gesungen habe, sie habe das auf der Treppe gehört. Henri fand aber, das gehe nur ihn und Papa etwas an, deshalb hat er nicht geantwortet. Er mag Frau Doktor Dingsbums nicht. Sie guckt immer so komisch.

Eben ist Frau Doktor Dingsbums wieder zu Papa und Henri gekommen und heute guckt sie irgendwie noch komischer als sonst. Und sie lächelt noch falscher, sie lächelt wie der Nachbar, wenn er den Ball rüberreicht, der aus Versehen im Blumenbeet seines Gartens gelandet ist. Frau Doktor Dingsbums verzieht die Mundwinkel und Henri weiß schon, dass er wieder einmal rausmuss, ausgerechnet Gonzo huscht zur Tür rein. Er tut es einfach und nimmt auf seinem Teppich in der Ecke von Papas Zimmer Platz. Das findet Henri nicht in Ordnung. Er würde Gonzo jetzt eigentlich brauchen. »Gonzo«, ruft Henri und klatscht sich energisch mit den flachen Händen auf die Oberschenkel. »Komm!« Gonzo kommt nicht mit. Vielleicht meint Gonzo, dass Papa ihn jetzt noch dringender braucht.

Die Tür schließt sich. Henri schmollt und geht.

Spielen mit anderen Kindern, das will Henri seit einiger Zeit nicht mehr so gerne. Von ihnen wird Henri manchmal gehänselt. Davon und von manchen Wörtern, die er dort lernt, erzählt er daheim lieber nichts. Im Kindergarten verrät er auch nicht, was zu Hause so los ist. Die verstehen doch sowieso nichts. Und er könnte es nicht erklären.

Hinter Henris Haus ist ein Garten, den man von der Vorderseite und von der Rückseite aus betreten kann. In diesem Garten hat Henri eine Schaukel, die hat Papa aufgestellt. Henri schaukelt lustlos, mit den Gedanken woanders. Paul ist beim Sport. Henri denkt darüber nach, dass Paul es so blöd findet, dass Henri das mit dem Krebs gesagt hat, wo es aber doch stimmt: Es ist schön, dass Papa da ist. Und das macht doch der Krebs. Zumindest auch. Also hat der doch sein Gutes, der Krebs. Henri schämt sich und weiß gar nicht so richtig, warum.

Henri hat ja genau gehört, als Mama neulich gesagt hat, dass Papa bald nicht mehr da ist, aber er weiß immer noch nicht, was das eigentlich bedeuten soll und wie sich das dann anfühlen wird. Dass Papa nicht mehr da sein könnte, das ist so komisch wie die Vorstellung, dass die Sonne nicht mehr scheint oder Gonzo nicht mehr grinst. Das kann Henri sich nicht vorstellen. Bisher hat Henri mit allen Menschen zumindest jederzeit telefonieren können und ihre Stimme gehört, wann immer er das wollte. Man trifft sich, oder man telefoniert, wenn man sich mal nicht treffen kann. So kennt er es. Und er will, dass alles so bleibt, wie es ist. Henri überlegt, dass er Papas Stimme vielleicht mit seinem alten Spielzeugrekorder aufnehmen sollte. Dann wäre Papa immer da und Henri könnte ihn einfach anschalten. Papa soll etwas vorlesen und Henri nimmt es auf. Oder Mama leiht ihm ihr Handy, mit dem man auch aufnehmen kann. Henri will Papa aufnehmen. Jetzt sofort. Er will wieder zu Papa, der wartet nämlich bestimmt schon, aber Mama steht vor der Tür und sagt, dass Frau Doktor Dingsbums noch bei Papa ist und Henri noch ein bisschen spielen gehen soll. Oder fernsehen. Warum? »Henri, dem Papa gehts gerade nicht gut.« Das versteht Henri. »Geh raus, noch ein bisschen spielen. Ich komme gleich zu dir.« Henri geht raus und hockt sich auf seine Schaukel. Abendsonne fällt in den Garten, die Schatten der Bäume werden ganz lang. Da kommt Mama, und Henri sieht etwas in ihrem Blick, das er nicht kennt. Mama geht vor Henri in die Hocke. Mamas Gesicht ist jetzt auf einer Höhe mit Henris Gesicht. Jetzt fängt Henri an zu zittern, wie neulich sein Bruder Paul.

»Ich will nicht, dass Papa traurig ist. Ich will nicht, dass Papa nicht mehr da ist. Und ich will jetzt zu Papa.«

»Komm mal her, kleiner Henri.« Dieses Mal lässt er sich gerne in den Arm nehmen, weil jetzt fast die Tränen darüber kommen, dass Krebs ganz und gar nicht toll ist. Henri schluckt seine Tränen weg. »Henri, wie wäre es, wenn du ein paar Tage bei Oma Ferien machst? Oma würde sich freuen.« Henri und Ferien? – Kommt nicht infrage. Henri kann nicht. Wer wäre dann bei Papa? Henri will schon absagen. »Ich übernehme dann«, sagt Mama. Henri überlegt. Bei Oma riecht es gut. Er überlegt weiter. Oma hat Kuchen und ein Tablet mit Filmen und Spielen drauf. Und Henri merkt, dass er gehen sollte, der Mama zuliebe. »Du darfst den Kopf aber nicht auf Papas Bauch legen. Das darf nur ich. Deiner wäre zu schwer«, sagt Henri schließlich. »Das verspreche ich dir«, sagt Mama und drückt ihn noch näher an sich und streichelt ihm über den Kopf. Jetzt kann Henri die Tränen nicht mehr zurückhalten. Er wollte doch nicht weinen. Henri macht sich deshalb von seiner Mutter los. Zwei Schritte neben ihr bleibt er stehen und starrt auf seinen Schatten. Die Sonne steht tief in seinem Rücken. Henri breitet die Arme aus, als wolle er fliegen. »Da fehlt das große Dach«, sagt Henri. Mama versteht nicht ganz und lächelt. »Lass uns reingehen und ein paar Sachen für dich zusammenpacken, dann kannst du morgen zu Oma«, sagt sie. Henri geht mit. Paul kommt vom Sport. Frau Doktor Dingsbums ist wahrscheinlich schon längst vorne zur Haustür rausgegangen. Gonzo steht in der Küche und hat Hunger. Paul schaltet den Fernseher an. Mama verspricht, gleich zu kochen. Alles ist wie immer. Da kommt Frau Doktor Dingsbums aus Papas Zimmer in die Küche. Henri erschreckt sich fast ein bisschen. Wenn sie doch nur nicht immer so falsch lächeln würde. Doch gerade lächelt sie gar nicht, sondern sie bittet Mama, mal mitzukommen.

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