Читать книгу Erweitern Sie Ihr Beuteschema - Stefan Woinoff - Страница 10

Оглавление

Welche Probleme bereitet das archaische Beuteschema heutzutage?

Männer und Frauen pass(t)en zusammen

Männer bevorzugen normalerweise eine Partnerin, die sie im gesellschaftlichen Status nicht überragt. Insgesamt ist ihnen dieses Kriterium allerdings nicht so wichtig. Sehr viel mehr Wert legen sie auf die Attraktivität der Frau. Die meisten Frauen dagegen wünschen sich einen Partner, der sie im gesellschaftlichen Status überragt. Je höher sie selbst aufsteigen, umso höher muss auch der Status des Traummannes sein. Dieses Kriterium ist den Frauen sehr, sehr wichtig. Dafür muss der Mann nicht unbedingt ein Adonis sein.

Warum das so ist oder ob das nun »gut« oder »schlecht« ist, ist dabei gar nicht so wichtig. Tatsache ist, dass das Beuteschema bei Männern und Frauen in puncto Status, ebenso wie bei der Körpergröße, genau gegensätzlich ist. Darum passen Frauen und Männer auch so gut zusammen! Weil jeder genau das will, was der andere hat, und genau das hat, was der andere will. Zumindest im statistischen Querschnitt hinsichtlich Größe und Status.

Stellen Sie sich mal vor, Frauen wollten ausschließlich größere und erfolgreichere Männer, und Männer wollten ebenfalls ausschließlich größere und erfolgreichere Frauen. Nichts würde passen! Aber so ist es zum Glück nicht. Allerdings hat sich beim Status der Frauen in den letzten Jahrzehnten viel getan, sie haben im Vergleich zu den Männern deutlich aufgeholt. So sinnvoll und richtig diese Entwicklung auch ist, bei der Partnerwahl muss sie zwangsläufig Probleme bringen, sofern die Beuteschemata von Männern, aber insbesondere von Frauen unverändert bleiben.

Das Erbe unserer Vorfahren

Wie wir gesehen haben, sind die Unterschiede im Beuteschema von Mann und Frau evolutionstheoretisch sinnvoll. Heutzutage wirken sie eher anachronistisch. Dennoch haben sie überlebt, in uns, in unserer Gefühlswelt, wie nie ausgestorbene Dinosaurier. Wir tragen unsere Ur-Urahnen und deren Beuteschemata gerade bei der Partnersuche mit uns herum, ob wir wollen oder nicht. Sie bestimmen maßgeblich, in wen wir uns verlieben. Gerade deshalb prägen sie auch immer noch unsere Gesellschaft und die Rollenverteilung der Geschlechter.

Bitte sehen Sie sich um, wo immer sie wollen: bei Ihren Freunden und Bekannten, im Büro oder an ihrer sonstigen Arbeitsstätte, in der Nachbarschaft, in der Verwandtschaft, in der Boulevardpresse, in jeder Fernsehserie und in fast jedem Roman. Sie werden immer wieder zu demselben (statistischen) Ergebnis kommen: Bei den Paaren, auf die sie stoßen, ist überwiegend der Mann sowohl körperlich als auch gesellschaftlich »gleich groß« oder »größer« als seine Partnerin, die Frau dagegen entsprechend »gleich groß« oder »kleiner« als ihr Partner.

Auswirkungen auf unsere Gesellschaft

Wenn Sie sich nun eine Menschenpyramide vorstellen, in der diejenigen weiter oben stehen, die einen höheren Status haben. Ganz oben befinden sich demnach die ChefInnen, ganz unten die HilfsarbeiterInnen.

Jetzt betrachten sie mal einen Mann auf der zweithöchsten Ebene der Pyramide: Alle Frauen auf gleicher Höhe und unter ihm kommen potenziell als Partnerinnen für ihn in Frage, zumindest scheiden sie nicht von vornherein aus.


Nun stellen sie sich bitte eine Frau auf der gleichen Ebene wie der soeben ausgewählte Mann vor: Alle Männer auf gleicher Ebene und über ihr kommen als potenzielle Partner in Frage, alle Männer unter ihr scheiden dagegen aus.


Sie sehen, ein Mann mit einer guten Stellung hat eine deutlich größere Auswahl an potenziellen Partnerinnen als eine Frau in der gleichen gehobenen Stellung.

Jetzt lassen wir noch das eintreten, was allerorts gefordert wird, dass nämlich in den oberen Führungsetagen genauso viele Frauen sitzen wie Männer:


Jetzt steht es um unsere Frau in der oberen Hälfte der Pyramide in puncto Partnerauswahl noch schlechter. Die wenigen Männer neben und über ihr sind zur Hälfte durch Frauen ersetzt worden. Für unsere Kandidatin halbiert sich damit die Zahl der als Partner infrage kommenden Männer.

Lassen Sie mich noch einmal das Beispiel von Renate aufgreifen, der habilitierten Biologin aus dem ersten Kapitel. Für sie ist ein Tierpfleger genauso unattraktiv wie ein körperlich kleinerer Mann, sie interessiert sich eher für ihren ebenfalls habilitierten Kollegen oder einen Professor. Für diese beiden kommt Renate als erfolgreiche Wissenschaftlerin zwar in Betracht, genauso wie eine etwa gleich große Frau. Aber sie blicken bei ihrer Partnerwahl sehr wohl auch auf die Praktikantinnen und Laborantinnen. Genauso wie sie eine deutlich kleinere Frau bei ihrer Wahl keineswegs ausschließen.

Archaisches Beuteschema contra wahre Liebe

Wo bleibt denn da die Liebe? Die Liebe, die Grenzen sprengt und Barrieren überwindet, die Berge versetzt und gesellschaftliche Schranken einreißt? Wir suchen uns unsere Partner doch nicht aus wie ein gebrauchtes Auto! Die Liebe kommt unerwartet, überraschend und überwältigend! Das wissen wir, kennen wir und hören es überall. Dieses Gefühl, dem wir uns nicht widersetzen können, selbst wenn es unlogisch, unpassend und sogar sinnlos erscheint. Wo bleibt unsere wunderbare und romantische Liebe?

In Kuala Lumpur hat eine 104 Jahre alte Malaysierin einen 71 Jahre jüngeren Mann geheiratet. Die beiden seien zunächst Freunde gewesen und daraus habe sich dann Liebe entwickelt, wird der Bräutigam zitiert. »Es ist Allahs Wunsch. Sie hat kein Geld, ihr Vermögen ist ihr tiefes religiöses Wissen«, so der 33-Jährige über seine kinderlose Braut. Die Hochzeit fand im Februar 2006 statt und ist die erste des früheren Soldaten. Die alte Dame hat dagegen deutlich mehr Erfahrung im Heiraten: Für sie ist es bereits die 21. Ehe. In diesem Fall sprengt die Liebe tatsächlich alle gängigen Vorstellungen von Partnerwahl. Aber es ist die Ausnahme.

Heute sucht man sich zwar selbst den Partner aus, er ist aber überwiegend der, mit dem auch die Eltern einen verkuppeln würden. »Das eigentlich Neue an der modernen Liebe ist, dass die Menschen nun die ökonomische Vernunft, die früher von den Eltern vertreten wurde, verinnerlicht haben und sich aus ›freien Stücken‹ in einen Partner verlieben, mit dem sie – zufällig – auch einen guten Griff tun. Die sozialen Regeln der Partnerwahl werden heute noch genauso pedantisch befolgt wie zu Jane Austens Zeiten. Nur ist es jetzt tabu, darüber zu sprechen.« Das meint zumindest Laura Kipnis, Medienwissenschaftlerin an der Northwestern University in Illinois, USA.

Heute könnten es sich zwar viel mehr Frauen leisten, »Ja« zu sagen zu einem Arbeitslosen, zu einem Armen, zu einem Mann, der beruflich nur Pech gehabt hat oder dem keine ausreichende Durchsetzungskraft in der Arbeit beschieden ist. Mit anderen guten und nützlichen Eigenschaften könnte dieser Mann seine fehlenden finanziellen Ressourcen ausgleichen, denn immer mehr Frauen haben selbst eine gute Ausbildung und verdienen gut. Diese eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten scheinen die Frauen aber nicht bei der Partnerwahl zu berücksichtigen. »Frauen bevorzugen nach wie vor finanziell abgesicherte Männer mit hohem Status«, so der Sozialpsychologe Manfred Hassebrauck von der Uni Wuppertal. Insgesamt wählten Frauen ihren Partner mehr nach Kalkül, als es Männer tun, so Hassebrauck weiter. Der Grund: »Sie (...) gehen nach der Geburt eines Kindes oft lange aus dem Job und sind (dann) stärker von Männern abhängig. «

Französinnen haben es da besser. Weil sich in Frankreich Berufstätigkeit und Muttersein viel leichter vereinbaren lassen, achten sie bei der Partnersuche weniger auf Status und Einkommen als deutsche Frauen. Französinnen brauchen keinen Ernährer mehr – und können deshalb romantisch sein.

Ganz anders in Deutschland. Unqualifizierte, schlecht verdienende oder arbeitslose Männer und hoch qualifizierte Frauen bleiben immer häufiger allein. Erfolglosigkeit macht Männer einsam. Bei Frauen ist es genau umgekehrt: Je höher die Bildung, desto eher bleiben sie ledig. »Lieber leben die Frauen als Singles, als dass sie nach unten heiraten. Und wenn sie es tun, dann scheitern diese Ehen überdurchschnittlich häufig«, so der Soziologe Hans-Peter Blossfeld, Leiter des Staatsinstituts für Familienforschung an der Uni Bamberg. Die Ärztin verliebt sich nicht in den Pfleger, die Rechtsanwältin nicht in den Postboten. Nur sehr selten ist die Kraft der Liebe so groß, dass sie diese ungeschriebenen Gesetze der Partnerwahl überwindet. Wenn die Barrieren doch mal eingerissen werden, dann schaufeln nicht selten die Gesellschaft und die Zeit dieser Beziehung ein Grab.

Geld und Status des Mannes spielen nämlich nicht nur bei der Partnerwahl eine Rolle, sie beeinflussen auch, wie lange eine Beziehung hält. Andrew Oswald, Wirtschaftsprofessor an der britischen Universität Warwick, hat 10000 Männer und Frauen über mehrere Jahre hinweg beobachtet: Die Beziehungen, bei denen der Mann ein besonders hohes Einkommen hatte, waren am stabilsten. Wenn der Mann aber seinen Job verlor, war er oft schnell wieder geschieden. Ob die Frau gut, schlecht oder gar nichts verdiente, spielte für die Dauer der Ehen dagegen keine große Rolle. So die Ergebnisse seiner Studie »Ökonomie der Liebe«.

Zu dem gleichen Ergebnis kam eine Studie der Universität München (LMU). Das Gehalt des Mannes wird in einer Beziehung von beiden als »wertvoller und wichtiger« definiert – sogar, wenn er nur gleich viel oder sogar weniger verdient als die Frau.

Archaisches Beuteschema contra Postfeminismus

Die Kraft der archaischen Beuteschemata scheint auch in unserer modernen, aufgeklärten Gesellschaft ungebrochen. Wir glauben, unser Leben lenken zu können, Wahlfreiheit zu haben und intellektuell abgewogene Entscheidungen zu treffen. Dabei wird der Grundton unserer Lebensmelodie immer noch von emotional tief verwurzeltem, unbewusstem Verhalten bestimmt, das sich nicht um die Probleme arbeitsloser und einsamer Männer und erfolgreicher, aber ebenso einsamer Frauen kümmert.

Das, was wir wirklich beeinflussen können, ist eher das Feintuning. Die Gruppe der in Frage kommenden Partner wird definiert durch unser archaisches Beuteschema. Innerhalb dieser Gruppe suchen wir uns jedoch den, der uns mitreißt, überrascht und dem wir die wunderbare Wirkung der Glückshormone verdanken. Wir suchen uns genau den einen Menschen mit dem atemberaubenden Lächeln, der wunderbaren Stimme, wir wählen genau denjenigen aus, der hinreißend und romantisch lacht oder Gitarre spielt, einfühlsam ist und einfach himmlisch narkotisierend riecht. Nur er allein führt uns in das Paradies unserer freien und romantischen Liebe. Ein Paradies auf Zeit allerdings – und mit Bedingungen. Die wichtigste: Dieser Partner entspricht auch in den Basics unserem Beuteschema.

Der Wunsch nach Gleichstellung von Frauen und Männern in gesellschaftlicher Hinsicht, also in Leitungs-, Führungs-, Macht- und Regierungspositionen, ist unüberhörbar und wird allerorten befürwortet. Dass eine Frau genauso wie ein Mann einen Beruf erlernen sollte, ist allgemein anerkannt. Nicht wenige Frauen erlernen inzwischen ehemalige Männerberufe, und auch immer mehr Frauen steigen beruflich auf und machen Karriere. Wir haben sogar eine Frau als Bundeskanzlerin. Es gibt Frauengleichstellungsbeauftragte, bei gleicher Eignung werden zum Teil Frauen den Männern vorgezogen, und überall wird darauf geachtet, in der Politik, aber auch in anderen Hierarchiesystemen wie Konzernen, Universitäten etc., dass in jeder höheren Führungsetage Frauen vertreten sind.

Das alles zeigt Erfolge: Nach Analysen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren unter den abhängig beschäftigten Führungskräften in der Privatwirtschaft im Jahr 2004 bereits 41 Prozent Frauen. Auch in der ersten Führungsebene holen die Frauen von Jahr zu Jahr auf. Im Jahr 2000 waren etwa 21 Prozent Frauen im Topmanagement tätig, 2004 waren es bereits 23 Prozent.

Trotzdem bleibt ein gewisses Unbehagen zurück. Das betrifft sowohl Frauen als auch Männer, denn sie alle erkennen oder erahnen die enorme Ungerechtigkeit, die aus dieser erstrebten Gerechtigkeit der Geschlechter erwächst. Wobei die meisten eingesehen haben, dass die Forderung nach einer gesellschaftlichen Gleichstellung der Frau ein sinnvoller und unumkehrbarer Weg ist. Das bewirkt ein Dilemma zwischen Kopf und Bauch. Der Kopf sagt: Das ist richtig, gerecht und gut so, der Bauch dagegen sagt: Irgendwie stimmt da was nicht. Und ich betone ausdrücklich, das sagen Kopf und Bauch nicht nur der Männer, sondern auch der Frauen.

So sitzen beide Geschlechter in einem Boot, allerdings in einem schwankenden. Bisher macht jeder den anderen für die Unfähigkeit verantwortlich, gut und gemeinsam einen sicheren Hafen zu erreichen. Der Seegang ist hoch, doch das Boot wird niemals kentern. Viel zu sehr brauchen und lieben sich Männer und Frauen. Nur kommen sie so kaum vorwärts, hin zu einem glücklichen Miteinander.

Erweitern Sie Ihr Beuteschema

Подняться наверх