Читать книгу Erweitern Sie Ihr Beuteschema - Stefan Woinoff - Страница 7

Оглавление

Das archaische Beuteschema

Es fehlt der passende Partner

Die Probleme, die Christina, Renate und Caroline bei der Suche nach dem richtigen Mann haben, verdeutlichen ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft immer häufiger zu beobachten ist. Es ist das Phänomen, dass es für beruflich erfolgreiche Frauen zwischen Mitte dreißig und Anfang vierzig immer schwieriger wird, das zu erreichen, was sie neben der Karriere auch noch wollen: eine glückliche Beziehung mit einem Partner, den sie lieben und achten können. Ohne passenden Partner können diese Frauen auch keine Familie gründen, obwohl sich die meisten eigene Kinder wünschen. So bekommen sie immer weniger Nachwuchs und werden für den dramatischen Rückgang der Geburten in Deutschland mitverantwortlich gemacht. Den Grund dafür geben sie selbst an: Das Fehlen eines geeigneten Partners ist das wichtigste Motiv, warum immer mehr Frauen und Männer in Deutschland kinderlos bleiben. Umfragen belegen das.

Wie wir an den Beispielen von Christina, Renate und Caroline gesehen haben, folgt der Verlauf ihres Lebens – trotz aller Unterschiedlichkeit und Einzigartigkeit – häufig einer ganz ähnlichen Dramaturgie: Die Schule wird meist mit guten Noten abgeschlossen. Wenn es eine Jugendliebe gibt, dann überdauert sie nicht die Zeit der Berufsausbildung. Nicht selten liegt das auch daran, dass sich diese Frauen ihrem Freund irgendwann intellektuell überlegen fühlen. Im beginnenden Berufsleben konzentrierten sie sich dann eher auf ihre Karriere als auf eine stabile und zukunftsträchtige Partnerschaft.

Dennoch lassen sie sich auf Beziehungen ein, in denen sie sich nicht wirklich glücklich fühlen, bei denen ihnen klar ist, dass sie nicht »für ewig« sind. Diese Beziehungen zerbrechen in der Regel letztlich wieder. Inzwischen sind die Frauen im Beruf auf der Karriereleiter einige Sprossen nach oben gestiegen. Irgendwann, so ab Mitte dreißig, wenn die biologische Uhr zu ticken beginnt, fangen sie an, den Partner fürs Leben und für die Familiengründung zu suchen. Manche Frauen können sich – wie Renate, die Biologin – ebenso gut ein Leben ohne Kinder vorstellen. Aber auch sie merken instinktiv, dass es langsam Zeit wird, eine stabile Partnerschaft aufzubauen.

Ihr Blick ist nun ein sehr kritischer, ein prüfender. Sie stellen fest, dass es nur sehr wenige Männer gibt, die für sie als Lebenspartner und potenzieller Vater ihrer Kinder infrage kommen. Wenn sie glauben, ihn endlich entdeckt zu haben, ist er schon vergeben. Der passende Partner ist einfach nicht zu finden! Sie suchen dann Gründe dafür und versuchen, Ursachen aufzudecken, warum gerade ihnen, die bisher so ziemlich alles richtig gemacht haben im Leben, der letzte, aber wichtigste Schritt zum Lebensglück verweigert wird. Eine glückliche Beziehung zu führen erscheint ihnen unerreichbarer denn je – und wird immer mehr idealisiert. Das größte Verhängnis dieser Frauen ist ihr beruflicher Erfolg, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind!

In jeder Frauenzeitschrift gäben sie ein gutes Beispiel für eine sympathische Karrierefrau ab. Sie sind selbstbewusst, sehen gut aus und sind fähig, jedem Mann in den oberen Etagen seinen Posten streitig zu machen. Der Mann zum Kinderkriegen dagegen erscheint ferner denn je. Sie beginnen, an sich zu zweifeln, setzen sich mit sich, ihrer Kindheit und ihren Eltern auseinander. Sie finden aber nichts, was ihnen erklären könnte, warum es gerade für sie so schwierig ist, den Richtigen zu finden.

Denn genau wie Christina, Renate und Caroline übersehen sie eines, und zwar das Entscheidende: Obwohl sie im Vergleich zu ihrer Mutter ein ganz anderes Selbstbewusstsein haben, obwohl sie merken, wie sehr sie sich emotional und intellektuell weiterentwickelt haben, und obwohl sie sich als freie und unabhängige Frauen sehen, eines hat sich doch in keiner Weise geändert: ihr Beuteschema. Es geht hier nicht um die Zusatz-Features: Er kann kochen, ist kinderlieb und hilft im Haushalt. Es geht um die Basics: Er sollte in etwa gleich alt oder älter sein und in der beruflichen Stellung mindestens auf derselben Stufe oder höher stehen als sie.

Erfolg macht Frauen einsam

Das Problem von Christina, Renate und Caroline und all diesen Frauen lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Je höher sie beruflich aufsteigen und je älter sie werden, umso kleiner wird der Kreis der potenziellen Partner. Denn die sollten beruflich zumindest gleichziehen können oder höher stehen als sie und auch nicht unbedingt jünger sein.

Nicht selten suchen diese Frauen, wenn sie bei der Partnersuche nicht weiterkommen, psychotherapeutische Hilfe auf und kommen auch in meine Praxis. Da jede Frau ihre eigene, sehr spezielle und einzigartige Biografie hat, können meist ein schwieriges Elternhaus, traumatisierende Kindheitserlebnisse, unglückliche Beziehungen oder andere Problemkreise gefunden und für die aktuelle Situation verantwortlich gemacht werden. Nur einen Grund für die Schwierigkeiten bei der Partnersuche sehen diese Frauen fast nie: ihr eigenes Beuteschema.

Es ist häufig schwer, ihnen diesen Sachverhalt deutlich zu machen. Denn den richtigen Partner zu finden wird meist mit »Zufall« und »Sich-verlieben« verbunden, und nicht mit statistischen Wahrscheinlichkeiten und wissenschaftlich erforschbaren Kriterien. Gerade bei Frauen herrscht der romantische Gedanke vor, dass der Mann, in den sie sich verlieben und mit dem sie eine Familie gründen wollen, ihnen vom Schicksal zugetragen wird. Einzig ihre spontanen Gefühle, die frei und ohne jede Regeln agieren, entscheiden darüber, ob er der Richtige ist oder nicht.

Ein kleines Gedankenexperiment

Nehmen wir mal eine meiner Patientinnen, die während einer Sitzung bei mir genau das thematisiert. Einleuchtend wird die Problematik für sie erst dann, wenn ich ein sehr einfaches Kriterium der Partnerwahl herausnehme, das noch dazu so selbstverständlich ist, dass es in keinem der einschlägigen Ratgeber für Singles überhaupt eine Erwähnung wert ist: die Körpergröße. Ein potenzieller Partner, der absolut alle Wunschkriterien einer Frau erfüllt, mit der einen Ausnahme, dass er einen Kopf kleiner ist als sie, wird bei ihr wahrscheinlich doch durchfallen. Sie wird sich einfach nicht in ihn verlieben. Das versteht jede Frau. Das hat zwar einiges mit Liebe, aber auch viel mit Zentimetern zu tun. Und es ist eine Folge ihres archaischen Beuteschemas.

Während unseres Gesprächs ermuntere ich meine Patientin dann zu einem kleinen Gedankenexperiment: Ich bitte sie, sich vorzustellen, dass die Unterschiede in der Körpergröße von Männern und Frauen als ungerecht empfunden würden, gerade von den im Durchschnitt kleineren Frauen. Nach einiger Zeit erreichen die Frauen, wie auch immer, ihr Ziel und sind schließlich in der Körpergröße den Männern ebenbürtig. Nur eines hat sich nicht geändert: wie Frauen und Männer jeweils ihren Partner in puncto Körpergröße wählen. Immer noch bevorzugen Frauen größere Männer und Männer kleinere Frauen.

Was wird passieren? Insbesondere die großen Frauen, die eigentlich der Beweis dafür sind, dass die Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Körpergröße überwunden sind, werden es sehr schwer haben, einen Partner zu finden, weil sie in der Regel noch größere Männer suchen, die es jedoch kaum gibt. Diese wenigen größeren Männer nehmen vielleicht die große Frau, aber auch gerne und häufiger eine deutlich kleinere Frau, denn das passt immer noch gut zusammen.

Das Beuteschema hat sich schließlich nicht geändert, nicht bei den Männern und auch nicht bei den Frauen. Das macht letztendlich die großen Frauen einsam. Die kleinen Männer natürlich auch, allerdings hatten die es schon immer schwer, eine Partnerin zu finden. Zwar würden einige dieser Männer auch größere Frauen akzeptieren, aber sie wissen, dass sie bei denen kaum eine Chance haben. Für die kleinen Männer hat sich also kaum etwas geändert. Die großen Frauen dagegen stehen vor einem Problem, das sie nicht vorausgeahnt haben.

Jetzt braucht man nur noch die Körpergröße in gesellschaftlichen Status oder beruflichen Erfolg zu übersetzen, und schon sind wir in unserer heutigen Gesellschaft angelangt – zumindest fast. Die Gleichheit der Geschlechter im gesellschaftlichen Status und der beruflichen Stellung wird zwar angestrebt, ist allerdings noch lange nicht erreicht. Aber heute schon stehen die beruflich erfolgreichen Frauen genau vor den Problemen, die die großen Frauen in unserem Gedankenexperiment bei der Partnersuche haben.

Eine davon sitzt mir gerade in meiner Praxis gegenüber, hat die Ursachen erkannt und erwartet jetzt Lösungsansätze von mir. Natürlich will sie nicht unbedingt einen Mann, der ihr nur bis zur Schulter reicht, aber muss er unbedingt beruflich erfolgreich sein, sogar erfolgreicher als sie selbst? Das sei ihr gar nicht so bewusst! Und wenn es denn so sei, wie könne sie es ändern?

Leider, muss ich ihr entgegnen, ist das zwar möglich, aber nicht so leicht, denn die Natur hat sehr lange gebraucht, diese Wahlkriterien überhaupt zu entwickeln.

Erweitern Sie Ihr Beuteschema

Подняться наверх