Читать книгу Erweitern Sie Ihr Beuteschema - Stefan Woinoff - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Täglich begegne ich in meiner psychotherapeutischen Praxis den unterschiedlichsten Menschen und erfahre ihre einzigartigen Lebens- und Leidensgeschichten. Um meine PatientInnen besser verstehen zu können, überlege ich mir auch, welchen Einfluss unsere heutige Gesellschaft auf ihre Probleme hat. Dabei ist mir aufgefallen, dass in den letzten Jahren immer mehr erfolgreiche und gut verdienende Frauen in meine Praxis kommen, die alle mit dem gleichen Phänomen kämpfen: Sie finden nicht den passenden Partner. Natürlich kann das an sehr persönlichen Gründen liegen, doch schließlich ist mir klargeworden, dass es auch eine andere, eine gesellschaftliche Erklärung dafür gibt. Darüber habe ich dieses Buch geschrieben. Ich möchte Ihnen die Ursachen dieses Phänomens erklären, aber auch Wege aufzeigen, wie man es überwinden kann.
Über die Atmosphäre zwischen den Geschlechtern in unserer westlichen Industrie- und Leistungsgesellschaft wird viel und öffentlich diskutiert. Postfeminismus heißt das Schlagwort, auf das sich die meisten AutorInnen und RedakteurInnen der gängigen Zeitungen und einschlägigen Bücher geeinigt haben. Was das genau bedeutet und wie man sich im Postfeminismus fühlt und verhält, das versuchen gerade alle miteinander herauszufinden. Inzwischen dürfte bekannt sein, dass es zwischen Mann und Frau keineswegs nur einen kleinen, sondern eher einen ziemlich großen Unterschied gibt, sei er nun biologisch oder soziologisch bedingt. Auch wird in Talkshows und Zeitungsartikeln die Mann-Frau-Thematik wieder neu beleuchtet, vor allem mit der Frage, warum in Deutschland immer weniger Kinder gezeugt werden.
Aus Bestsellern ist zu erfahren, dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus kommen und dass es hauptsächlich darum geht, für den Bewohner eines anderen Planeten Verständnis zu haben, insbesondere wenn es der eigene Partner oder die eigene Partnerin ist. Ebenso liest man, dass die Männer immer noch Jäger und die Frauen Sammlerinnen sind, was wiederum sehr viel Einfühlungsvermögen in die jeweils andere Spezies erfordert. Denn unsere heutige Gesellschaft bietet weder den Sammlerinnen und schon gar nicht den Jägern eine passende Umgebung, um ihre archaischen Bedürfnisse auszuleben. Da diese Urtriebe jedoch immer wieder durchbrechen und sich manchmal in eigenartigen und erstaunlichen Verhaltensauffälligkeiten manifestieren, bedarf es zum einen der Erkenntnis um die Andersartigkeit des Partners, zum anderen der richtigen Reaktion darauf. Nur so scheint überhaupt die Chance zu bestehen, eine glückliche Partnerschaft zu führen, die auch über das verflixte siebte Jahr hinweg Bestand hat.
Unterschwellig rumort dabei immer mehr die Frage, warum all die Mars- und VenusbewohnerInnen, all die Jäger und Sammlerinnen, die offensichtlich so wenig zueinanderpassen, dennoch immer wieder zueinanderwollen. Der Gedanke drängt sich auf, dass da etwas zusammenkommt, was eigentlich gar nicht zusammengehört. Die heutige Realität gibt diesem Gedanken leider recht: Immer weniger Ehen werden geschlossen, immer mehr Ehen werden geschieden, und immer mehr Singles bevölkern die deutschen Groß- und Kleinstädte.
Auf der anderen Seite ist der Wunsch, in einer glücklichen Beziehung zu leben, nach wie vor ungebrochen. Die Suche nach dem besten Partner und der besten Partnerin unterhält inzwischen ganze Industriezweige. Immer neue Möglichkeiten werden angeboten, Mr. oder Mrs. Right zu begegnen: Internet-Partnerbörsen boomen, auf After-Work- und Ü30-Partys schafft man es wegen Überfüllung kaum bis zur Theke, beim Fast Dating muss man schon ausgeschlafen sein, um den Parcours mit den vielen potenziellen PartnerInnen überhaupt zu überstehen, und im Urlaub wartet der Single-Club mit einem All-inclusive-Paket. Jede Menge heiße Tipps und gute Ratschläge in Zeitungen, Illustrierten und unzähligen Büchern runden das Angebot ab.
Allerdings kann man den Eindruck gewinnen, dass zahlreiche Singles bei so vielen Möglichkeiten eher am Glück vorbeilaufen, als es zu finden.
Zum Beispiel kann man in einer seriösen Internet-Partnerbörse als Suchender sein eigenes Profil, also seine Hobbys, Eigenschaften, Vorlieben und Interessen, eingeben und bekommt dann per Punktesystem einen geeigneten Partner präsentiert. Hundert Punkte bedeuten, dass der ausgewählte Partner optimal zu einem passt. Wenn man sein eigenes Profil dann noch einmal zum Spaß mit genau dem anderen Geschlecht eingibt, wählt der Computer diese beiden identischen, aber gegengeschlechtlichen Menschen als Idealpartner aus. Je ähnlicher sich Mann und Frau sind, desto besser passen sie zusammen, das ist der Grundgedanke dabei. In vielen Bereichen mag das auch zutreffen, doch in ganz entscheidenden Kriterien bei der Partnerwahl ist das komplett falsch. Da ziehen sich Gegensätze an, da ergänzen sich komplementäre Beuteschemata. Daher rate ich meinen PatientInnen immer zu einem schnellen persönlichen Treffen, falls sie einen Partner oder eine Partnerin im Internet gefunden haben. Denn wir wissen und fühlen selbst immer noch am besten, wer zu uns passt und wer nicht.
Auch unterliegt das, was wir an einem Partner gut oder schlecht finden, erheblichen Schwankungen, je nachdem, ob wir ihn gerade als Partner auswählen oder ob wir mit ihm schon lange zusammen sind. In dem Buch Warum Männer lügen und Frauen immer Schuhe kaufen von Allan und Barbara Pease wird zum Beispiel ein Punktesystem eingeführt für das, was Frauen an Männern und Männer an Frauen schätzen. Ein Mann bekommt von seiner Frau für eine ganze Woche Erwerbsarbeit genauso viele Punkte, wie wenn er einmal mit ihr einkaufen geht. Organisiert er dann noch für sich und seine Frau ein Wochenende zu zweit und redet mit ihr einmal nach dem Nachhausekommen, statt fernzusehen, kann er drei Wochen seine Arbeit schwänzen und unbezahlten Urlaub nehmen, ohne bei ihr ins Punktedefizit zu rutschen. Denn das eine bringt ihm 15 Punkte, das andere kostet ihn genauso viele. Das wirkt irgendwie realitätsfern.
Der Grund ist denkbar einfach: Diese Bewertungen sind nicht bei deutschen Singles erfragt worden, sondern bei amerikanischen Ehepaaren. Es geht hier nicht darum, wie man den richtigen Partner mit den entsprechenden Lockrufen einfängt, sondern wie man eine bereits bestehende Ehe mit klassischer Rollenverteilung möglichst lange erhält. Die Kriterien, nach denen man den Partner oder die Partnerin überhaupt ausgesucht hat, und damit die eigentlichen Beuteschemata, spielen hier kaum mehr eine Rolle. Sie werden vielmehr als selbstverständlich vorausgesetzt – und bringen nur noch wenige Anerkennungspunkte ein.
Für ein älteres Paar mit Beziehungsproblemen mögen diese Bewertungslisten hilfreich sein, für suchende Singles erscheinen sie eher hinderlich. Denn sie spiegeln in keiner Weise das wider, was Frauen und Männern bei der Partnersuche wirklich wichtig ist.
Die entscheidende Frage in unserer postfeministischen Gesellschaft ist also nicht, wie Frauen oder Männer sind, und schon gar nicht, wie unterschiedlich oder ähnlich sie sich sind, sondern wie sie wählen, nach welchen Kriterien sie ihre Partner oder ihre Partnerinnen aussuchen. Die entscheidende Frage ist nicht die nach der Unterschiedlichkeit von Mann und Frau, sondern die nach dem Beuteschema von Mann und Frau. Hier liegt der Schlüssel zu einer gelungenen Partnerschaft, aber noch viel mehr zu einem Ausweg aus einem nicht enden wollenden Single-Leben.
Nebenbei erklären sich aus den nach wie vor unterschiedlichen Beuteschemata von Mann und Frau auch viele häufig gestellte Fragen: Warum sind Mädchen zwar besser in der Schule, aber in den Studienfächern, die zu lukrativen Berufen führen, bereits unterrepräsentiert? Warum dringen Karrierefrauen letztlich doch nur vereinzelt in hohe Führungspositionen vor? Warum ist die Emanzipation der Frau nach Ansicht vieler AutorInnen auf halber Strecke steckengeblieben?
Viel wichtiger jedoch als die Beantwortung dieser Fragen ist für Frauen und Männer, einen wirklich passenden Partner zu finden. Dabei steht in diesem Buch besonders eine gesellschaftliche Gruppe im Blickpunkt: die der beruflich erfolgreichen Frauen. Denn gerade sie tun sich immer schwerer bei der Partnersuche. Grund dafür ist ihr archaisches Beuteschema. Es schlummert seit längst vergangenen Zeiten in ihren Genen und passt so gar nicht zu der modernen und emanzipierten Frau, als die sie sich fühlen. Es wirkt aber – bewusst oder unbewusst – weiter und verstellt ihnen nicht selten den Weg zu einer glücklichen Partnerschaft.