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Mitten in der Stadt und am Rand des Rotlichtviertels gelegen war die Katharinenstraße nicht das, was man sich gemeinhin unter einer angenehmen Wohngegend vorstellte. Dennoch lebten Menschen hier und nicht einmal wenige. Geschäftsleute gingen gutbürgerlichen Berufen nach, Kinder zur Schule, Familienväter und -mütter zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen. Dazwischen aber tummelten sich Damen, die einschlägige Dienstleistungen anboten, ebenso wie Herren, die geneigt waren, diese Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen und den urbanen Straßenverkehr durch ausdauerndes Um-den-Block-Herumfahren belebten. Emmerich und Frenzel standen vor einem der typischen Mehrfamilienhäuser, das, der Anzahl der Klingeln nach zu schließen, von zwölf Parteien bewohnt wurde. Das Schildchen von B. Schlaicher und A. Kopkin fand sich gleich unten rechts, die Haustür war nur angelehnt, weshalb die Kommissare hineingingen und auf den Knopf direkt neben der Wohnungstür im Hochparterre drückten. Drinnen ertönte ein melodisches „Ding Dong“, mehr tat sich nicht. Sie versuchten es erfolglos ein zweites Mal, als sich die Tür auf der gegenüberliegenden Seite öffnete. Im Rahmen erschien eine Blonde, auf den ersten Blick attraktiv und lediglich mit einem türkisseidenen Mäntelchen bekleidet, das allenfalls das Nötigste bedeckte.

„Na, ihr Süßen“, sagte die Blonde, sämtlichen Klischees entsprechend, mit verrauchter Stimme. „Was könnt ihr beide wohl von diesen beiden wollen?“

„Geht Sie das was an?“, fragte Mirko mit hochgezogenen Brauen.

„Natürlich nicht, mein Jungchen“, entgegnete die Blonde beinahe zärtlich. „Aber Polizei im Haus … das geht mich wohl was an.“

„Das haben Sie sofort bemerkt?“ Emmerich ging ein paar Schritte auf die Blonde zu. „Da haben Sie ja eine richtig schnelle Auffassungsgabe.“ Auf den zweiten Blick, den er nicht umhinkam zu tun, waren tiefe Falten unter einer dicken Schicht Make-up erkennbar, im großzügigen, aber nicht üppigen Dekolleté seines Gegenübers sah er erste Altersflecken.

„Aber immer“, lächelte die Frau herausfordernd, schob ein Bein nach vorne, was zu einer leichten Öffnung des Mäntelchens führte, und wackelte mit den Hüften. Emmerich ignorierte sowohl das Wackeln als auch Bein und Öffnung.

„Sind Sie persönlich bekannt mit Ihren Nachbarn?“

„Es ist keiner da, falls Sie das meinen“, überging die Blonde seine eigentliche Frage. „Aber das haben Sie sich ja sicher schon gedacht.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Aus dem Leichenschauhaus führt kein Weg zurück, nicht wahr?“

„Das wissen Sie auch schon?“

„Bei meiner Auffassungsgabe …“ Sie ließ den Satz unvollendet und grinste spöttisch.

„Jetzt hören Sie mal zu, Frau …“ Frenzel war neben Emmerich getreten und wirkte ungehalten. „Wenn Sie irgendetwas wissen, sind Sie verpflichtet, eine Aussage zu machen. Wenn nicht hier, dann nehmen wir Sie mit. Aufs Präsidium.“

„Nicht so hastig, Jungchen.“ Die Blonde wandte sich Mirko zu, streckte einen Zeigefinger mit einem blutroten, überlangen Nagel aus und fuhr ihm damit leicht über das Kinn. „Hab ich gesagt, dass ich nichts sagen will?“

„Ääää … nein“, brachte Mirko, der mit einem Ausdruck des Schreckens im Gesicht versucht hatte, der Berührung zu entgehen, gerade so hervor, dass Emmerich sich veranlasst sah, einzugreifen.

„Gnädige Frau“, sagte er, eine Verbeugung andeutend. „Würden Sie uns wohl freundlicherweise an Ihrem Wissen teilhaben lassen?“

„Schon besser.“ Die Blonde zwinkerte. „Es gibt noch Männer mit Manieren.“

„Dann haben Sie hoffentlich auch nichts dagegen, wenn wir kurz zu Ihnen hineinkommen?“

„In einer Stunde, Süßer. Im Moment hab ich Besuch.“

„In einer Stunde, meinetwegen.“

„Ich werde Sie erwarten.“ Ein zweites Zwinkern, ein erneutes Wackeln, und die Frau verschwand hinter ihrer Tür.

„Jesus Maria“, erklärte Frenzel und wischte sich imaginären Schweiß von der Stirn.

„So sind sie halt, die alten Huren.“ Emmerich grinste.

„Was machen wir?“

„Zurück aufs Henkersfest. Die Sonne lacht. Ich könnt ein Bier vertragen.“

„Im Dienst?“

„Wer spricht von Dienst? Es ist Samstag. Ich hab frei.“

„Und die Vernehmung? In einer Stunde?“

„Ist freiwillig. Ich glaube kaum, dass die Dame uns jemals ein Protokoll unterschreiben wird.“

***

Die Plauderei im durchaus behaglich ausgestatteten Zimmer der Frau Möbius schien nicht darauf angelegt zu sein, bald ein Ende zu finden. Genau genommen plauderte auch hauptsächlich sie, indem sie nämlich vom Leben in der Wohngemeinschaft erzählte. Emmy jedoch ließ sie gewähren, einerseits, weil sie selbst nichts Wesentliches beizutragen hatte, andererseits, weil sie so immerhin das eine oder andere erfuhr. Zum Beispiel, dass die Mutter wohl einen nicht unerheblichen Betrag durch die Finanzkrise verloren hatte und deshalb seit ein paar Jahren auf die Mieten der Mitbewohnerinnen angewiesen war. Dass es sich dabei um zwei Personen im oberen Stockwerk und um zwei weitere im Erdgeschoss handelte. Wobei – leider Gottes – Frau Holzapfel aus dem Erkerzimmer vor einigen Wochen verstorben war, und man demnächst sicherlich mit einem Neuzugang rechnen durfte. Um alles Notwendige kümmerte sich Bernd, was Wiltraud Möbius als ein großes Glück betrachtete, auch wenn er in letzter Zeit einen etwas zerstreuten Eindruck bei ihr hinterlassen habe.

„Aber“, schwatzte sie nachsichtig, „es ist ja auch kein Wunder. Die ganzen Schwierigkeiten mit der Scheidung und dann noch Lisbeths Schlägle. Das kann einen Mann schon aus der Bahn werfen. Die Männer sind so viel empfindlicher als wir, man kann nur hoffen, dass …“

„Meine Mutter hatte einen Schlaganfall?“ An dieser Stelle sah Emmy sich veranlasst, den Redefluss zu unterbrechen. „Wann ist das passiert?“

„Oh je, mein Zeitgefühl“, seufzte ihr Gegenüber resigniert. „Was haben wir jetzt? Noch Juni?“

„Ende Juli.“

„Ja dann … es ist schon eine Weile her. Mindestens vier Wochen, es war im Juni. Glaube ich doch. Sie war im Krankenhaus. Oder in der Reha? Oder in beidem? Jedenfalls ist sie inzwischen wieder hier. Hat man Sie denn gar nicht informiert?“

„Nein“, entgegnete Emmy einsilbig, während sie die Neuigkeit auf sich wirken ließ.

„Das tut mir leid“, sagte Frau Möbius teilnahmsvoll, haschte nach Emmys Hand und tätschelte sie freundlich. „Aber Sie dürfen es Ihrem Bruder nicht übelnehmen. Seine Frau hat ihn Hals über Kopf verlassen. Wo wir doch immer dachten, die beiden wären so ein gutes Paar. Bevor Alina kam, war ja Maritta hier. Ich hab sie sehr gemocht, es ist so schade, Sie haben sie sicher auch gekannt …“

Dem war nicht so, tatsächlich hatte Emmy zwar vor einigen Jahren durch die Mutter von einer Heirat Bernds gehört, sich aber nie um eine Bekanntschaft mit der Schwägerin bemüht und ihre Existenz nach einer Weile wieder so gut wie vergessen. Immerhin schien nun klar zu sein, was der Bruder mit den Worten „Ich bin in Schwierigkeiten“ gemeint haben mochte. Frau Möbius ließ ihre Hand wieder los.

„Die beiden“, äußerte sie nachdenklich, „sind mir sehr ans Herz gewachsen. Fast, als wären es meine eigenen Kinder. Ich habe leider keine, müssen Sie wissen. Nur zwei Neffen, die in Norddeutschland zu Hause sind. Die haben keine Zeit, sich um mich zu kümmern. Deshalb wollte ich Maritta und Bernd eine Betreuungsvollmacht geben. Das ist jetzt alles liegen geblieben, weil …“

„Entschuldigen Sie.“ Emmy fühlte sich ein wenig überwältigt von allem, was sie in den letzten Minuten erfahren hatte. „Wann kommt denn nun diese Frau …“

„Finkelstein?“ Wiltraud Möbius lächelte und sah zu einer Wanduhr mit übergroßen Ziffern. „Sie müsste längst im Haus sein. Gleich ist unsere Kaffeezeit. Sie trinken doch ein Tässchen mit?“

***

Mittels Strohhalm nippte Frenzel an einem cocktailartigen Getränk von undefinierbarer Farbe mit kleinen Eiswürfeln und grünen Blättern. Emmerich schlürfte genüsslich die Schaumkrone vom Bier, während er überlegte, ob er sich mit einer Nachfrage blamieren würde. Die Neugier siegte schließlich über seine Bedenken.

„Was ist das?“, wollte er, auf das undefinierbare Getränk zeigend, wissen.

„Keine Ahnung“, entgegnete Frenzel zu seiner Erleichterung prompt. „Es ist alkoholfrei, schmeckt und löscht den Durst. Mit Pfefferminze obendrauf.“

„Wie im Tee?“ Emmerich schauderte es beim bloßen Gedanken an den Geschmack, den er seit frühester Kindheit mit fiebrigen Erkältungen und Magenverstimmungen verband.

„Wie? Im Tee?“, wiederholte Frenzel mit veränderter Betonung und guckte verständnislos. „Es ist doch kalt.“

Emmerich schloss daraus, dass eine Generation, die Junggesellenabschiede in Hasenkostümen feierte, bei Kinderkrankheiten mit anderen Mitteln als Pfefferminztee malträtiert worden sein musste. Vermutlich auch nicht mit Einläufen und Lebertran oder …

„Entschuldigung“, unterbrach eine ihm unbekannte, junge Frau mit Kellnerschürze seine träge dahinfließenden Erinnerungen. „Sind Sie der Kommissar, der vorhin im Café Stella war?“

„Bin ich“, bestätigte Emmerich ein wenig überrascht.

„Untersuchen Sie die Angelegenheit von gestern Abend? Der Tote mit der Henkersschlinge?“

Es war dies das Ärgerliche an den Fällen, die sich in aller Öffentlichkeit abspielten – sie sprachen sich herum, bevor die eigentliche Arbeit überhaupt begonnen hatte. Einschließlich von Details, die damit als Täterwissen ausgeschlossen werden konnten und zumeist auch unter Entstehung von allerlei Gerüchten, die geeignet waren, potenzielle Zeugenaussagen zu beeinflussen oder gar zu verfälschen. Emmerich war keinesfalls geneigt, solchen Gerüchten neue Nahrung zu geben oder irgendwelche Neugier zu befriedigen.

„Wissen Sie etwas darüber?“, antwortete er daher mit einer Gegenfrage und in strengem Duktus.

„Mein Freund hat was gesehen“, erwiderte die junge Frau. „Er traut sich aber nicht an Ihren Tisch. Weil er schon mal Ärger hatte. Mit den Bu … Ihren Kollegen.“

„Hat er ein Kapitalverbrechen begangen?“

„Nein. Nur was geraucht. Vor über einem Jahr.“

„Dann werden wir ihn schon nicht fressen, Ihren Freund. Wo ist er zu finden?“

„Er steht da drüben“, sagte die junge Frau und winkte einem durchaus sympathisch wirkenden Endzwanziger mit dunklen Locken, der die Szene mit den Händen in den Hosentaschen etwas unsicher aus einer Entfernung von einigen Metern beobachtete. „Reden Sie mit ihm, er heißt Pascal. Ich muss wieder an die Arbeit.“ Sie wandte sich ab, wechselte einige Worte mit dem jungen Mann und verschwand im Gewühl.

Emmerich winkte ebenfalls und bemühte sich um ein aufforderndes Lächeln. Pascal kam näher, aber nicht zu nahe.

„Sie brauchen keine Angst zu haben“, sagte Emmerich in väterlicher Art. „Betäubungsmittel sind nicht unsere Abteilung.“

„Hmm“, grunzte der Endzwanziger unschlüssig, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen.

„Das kann mal vorkommen“, versuchte Frenzel locker, den Kontakt zu intensivieren. „Sie wirken nicht, als wären Sie ein Dealer.“

„Ich konsumiere auch nicht regelmäßig“, erklärte Pascal mit leichtem Trotz.

„Dann haben Sie nichts zu befürchten.“ Emmerich deutete auf sein Bier. „Möchten Sie was trinken?“

Pascal richtete seinen Blick vage auf Mirkos Glas.

„Von mir aus einen Ipanema“, gestand er nach einer Pause zögernd zu und brachte schließlich sogar ein „Danke“ heraus, nachdem Mirko ihm ebenfalls einen Cocktail überreicht hatte.

„Und jetzt erzählen Sie frei von der Leber weg“, forderte Emmerich freundlich. Pascal sah ihn skeptisch an und wandte sich an Mirko.

„Gestern Abend“, begann er, immer noch zurückhaltend, „war ich auch hier. Gleich da vorn, neben der Bühne. Der Typ mit der grünen Mütze … also, der, der in der Weberstraße … Sie wissen schon … der saß ganz in meiner Nähe. Ist mir allerdings erst richtig aufgefallen, als der andere dazukam.“

„Welcher andere?“

„Na, der andere halt. Der ihn dann verfolgt hat. Und … äh … ermordet.“

„Woher wissen Sie denn so genau, was in der Weberstraße vorgefallen ist?“ Mirko sog an seinem Drink und lächelte vertraulich. „Schmeckt gut, das Zeug, nicht wahr?“

„Wie?“ Pascal wirkte irritiert, nickte dann aber. „Ja, man kann es trinken. Also … das weiß ich, weil … eine Bekannte von mir … Anja … die war auf dem Weg hierher und ist gerade dort vorbeigelaufen, als … sie hat mir davon erzählt …“

„Sie hat die Tat beobachtet?“, mischte Emmerich sich ein. „Ihre Bekannte?“

Pascal erschrak dermaßen, dass er zusammenzuckte und etwas von seinem Drink verschüttete. Gerade so, als wäre Emmerich – im Gegensatz zu Mirko – so etwas wie ein Schreckgespenst.

„A … a … a …“, stotterte er unbeholfen, „D … d … d …“

„Immer mit der Ruhe“, sagte Frenzel gemütlich, woraufhin der junge Mann sich wieder ihm zuwandte. „Der mit der grünen Mütze saß also bei der Bühne. Dann kam ein zweiter Mann hinzu und …“

Pascal schien von einer plötzlich eingetretenen Starre befallen zu sein, er stand stocksteif da, hatte den Mund geöffnet und sah Mirko schweigend an.

„Ein Mann mit einem schwarzen Kapuzenpullover?“, soufflierte der vorsichtig weiter. Pascal brachte immerhin ein Nicken zustande. „Und dann geschah etwas, das Ihre Aufmerksamkeit erregte?“ Neues Nicken. „Bitte erzählen Sie. Lassen Sie sich Zeit.“

Dies tat Pascal, indem er zunächst umständlich ein Papiertaschentuch zutage förderte, um eine vom Verschütten feucht gewordene Stelle am Hosenbein zu trocknen. Anschließend holte er mehrfach hörbar Atem und nahm offensichtlich seinen ganzen Mut zusammen.

„Ich glaub, das war der Erwin“, stieß er hervor und lief knallrot an. Was, nach Emmerichs Erfahrung, darauf schließen ließ, dass ihm diese Mitteilung ausgesprochen schwergefallen sein musste und Pascal sich nun wie ein Verräter fühlte. Dies wiederum legte die Annahme nahe, dass der junge Zeuge ein persönliches Verhältnis zu diesem Erwin hatte, nicht eng genug, um ihn von einer Aussage abzuhalten, aber immerhin so, dass sich Gewissenskonflikte einstellten. Um Pascal nicht nochmals zu erschrecken, überließ er Mirko das Weiterfragen.

„Erwin?“

„Ich weiß nicht, wie er wirklich heißt. Alle nennen ihn halt so.“ Pascal erläuterte, dass es sich bei Erwin um ein stadtbekanntes Individuum undefinierbaren Alters, aber sicher über fünfzig, handele. Normalerweise angetrunken unterwegs, auf der Suche nach beliebiger Gesellschaft. Nicht gänzlich unvermögend, sondern in der Lage, sich diese Gesellschaft durch das Spendieren von Getränken zu erkaufen. Weshalb man ihn, in studentischen Kreisen, von Zeit zu Zeit gewillt war, zu ertragen. „Auch wenn er labern kann, bis einem das Ohr abfällt. Außerdem muss ihm irgendwas passiert sein, in den letzten Wochen. Er war noch besoffener als sonst und hat auch nichts mehr ausgegeben.“

„Deshalb ist er Ihnen aufgefallen?“

„Nicht deshalb.“ Pascal schüttelte den Kopf und schien sich wieder etwas entspannt zu haben. „Es war der Pulli. So etwas hat der Erwin normalerweise nie getragen, er sah aus wie neu und war für die Jahreszeit viel zu warm. Und dann kam der Streit dazu.“

„Ein Streit?“

„Die beiden haben sich bestimmt eine halbe Stunde lang ganz normal unterhalten, bevor das Geschrei losging. Plötzlich ist der Erwin aufgesprungen und hat dem Typ mit einer Henkersschlinge gedroht. ,Ich bring dich um‘, hat er gerufen. Ein paar Leute in der Nähe haben noch gelacht. Wahrscheinlich dachten sie, das sei ein Gag. Von wegen Henkersfest und so …“

„Und dann?“

„Der Typ schrie so was wie ,Du kannst mich mal‘. Da ist der Erwin so in Wut geraten, dass er ein Messer rausgeholt hat. Auch was Neues übrigens, ich hab ihn noch nie so aggressiv gesehen. Normalerweise ist der Erwin friedlich. Blau, aber friedlich.“

„Wie ging’s weiter?“

„Der Typ ist aufgestanden und wollte weg. Erwin hat versucht, ihn festzuhalten. Ging aber nicht, mit der Schlinge in der einen und dem Messer in der anderen Hand. Der Typ ist losgerannt. Erwin hinterher. Das war’s. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Mirko ließ ein paar Sekunden verstreichen, als denke er über das Gehörte nach, sog an seinem Ipanema und musterte dabei über den Rand seines Glases hinweg den jungen Mann.

„Aber vielleicht Ihre Bekannte?“, fragte er schließlich behutsam. „Anja?“

Wieder versteifte Pascal sich merklich, reagierte aber immerhin.

„Ich weiß nicht so genau, was sie gesehen hat“, äußerte er widerstrebend. „Auch nicht, ob sie bereit ist, mit der Polizei zu sprechen. Niemand spricht gerne mit der Polizei. Jedenfalls will ich nicht schuld sein, wenn … Der Erwin ist immerhin ihr Stammgast, trinkt reichlich und sorgt für einen ordentlichen Umsatz.“

„Das heißt, Anja arbeitet in der Gastronomie?“

„Aushilfsjob. Eigentlich studiert sie.“

„Und wo …?“

Pascal sah nach rechts und links, machte eine winkende Bewegung, lotste Emmerich und Mirko zur Rückseite des Getränkestandes und deutete zur gegenüberliegenden Straßenseite.

„Sehen Sie … da drüben … in dem Straßencafé … die Blonde mit dem Pferdeschwanz? Das ist Anja. Aber von mir haben Sie das nicht.“

„Danke schön“, sagte Mirko höflich. „Wenn Sie uns dann bitte noch Ihre Personalien …“

„Sorry“, entgegnete Pascal entschieden und wandte sich ab. „Ich hab einen dringenden Termin.“

Weg war er, bevor auch nur einer der beiden Kommissare widersprechen konnte.

Henkersfest

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