Читать книгу Pepe S. Fuchs - Schatzjäger - Steffen Schulze - Страница 11
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Оглавление»Aufmachen, Polizei!«
Pepe drehte sich auf die andere Seite.
»Machen Sie sofort die Tür auf!«
Pepe zog sich die Decke über den Kopf, die eigentlich Isas Handtuch war. Das mit der Sonnenblume drauf.
»Herr Morgenweck, wir wissen, dass Sie da drin sind!«
Morgenweck? Jetzt richtete sich Pepe doch in seinem Bett auf. Er blinzelte verdutzt. Es war verdammt hell, wo auch immer er war. Langsam schwang er die Beine von der Matratze und stellte seine Füße schwer auf den Boden. Morgenweck war tot. Leider. Was wollten die Kasper denn zu nachtschlafender Zeit von ihm? Und warum brummte ihm der Schädel, als hätte sich ein Schwarm Killerbienen darin eingenistet? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Mühsam hievte sich Pepe aus dem Bett hoch und stolperte zum Eingang. Wenigstens fiel ihm wieder ein, dass er in einem Wohnwagen mitten in der mecklenburgischen Provinz steckte. Trotzdem hatte Pepe Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Er stieß die Tür mit Schwung auf und musste sich am Rahmen abstützen, um nicht hinterherzufallen. Auf der gegenüberliegenden Seite zogen zwei uniformierte Polizisten synchron ihre Dienstpistolen und legten auf ihn an.
»Lassen Sie die Waffe fallen!«, befahl der weibliche Part des Duos, schaute Pepe allerdings nicht in die Augen, sondern eher etwas tiefer.
»Und ziehen Sie sich bitte etwas über!«, schob ihr Partner nach. Auch sein unsteter Blick wechselte ständig zwischen Gesicht und Bauchnabel.
Erst jetzt registrierte Pepe, dass er nackt war. Er hob seinen Arm, zwinkerte mehrfach gegen das grelle Sonnenlicht, das steil von oben auf den schmalen Waldweg fiel und starrte die leere Flasche in seiner Hand an.
»Das ist keine Waffe«, brachte er endlich hervor.
»Herr Morgenweck, legen Sie die Flasche weg und ziehen Sie sich etwas an. Wir möchten Sie bitten, uns zu begleiten!«
Höflich waren die Beamten, das musste man ihnen lassen.
»Wohin denn?«, wollte Pepe mit belegter Stimme wissen.
»Vorerst zum Weltenbummler«, antwortete die Polizistin und schielte noch immer verstohlen nach dem kleinen Paco.
»Wohin?«, fragte Pepe zurück und versuchte, die leere Flasche am Rand der Küchenzeile abzustellen. Sie fiel herunter und zerbrach in gemeine kleine Teile.
»In die Gaststätte des Zeltplatzes«, entgegnete der Polizist. »Und ziehen Sie sich endlich etwas an!«
Der Ton wurde rauer, ungeduldiger.
»Ja, ja, ist ja gut.«
Pepe hatte ein flaues Gefühl im Magen. Hoffentlich musste er sich nicht übergeben. Anscheinend hatte er Harrys Medizin gestern Nacht komplett in sich hineingeschüttet. Und das auf fast leeren Magen. Das musste ja schiefgehen. Paradoxerweise konnte er sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so einen totalen Filmriss gehabt hatte. Langsam drehte sich Pepe um und kratzte sich an der Stirn. Wo waren denn seine Klamotten? Bei Isabella! Verdammt.
»Herr Morgenweck, bitte beeilen Sie sich!«, schnauzte der Beamte nun hörbar ungehalten.
Pepe konnte seine schlechte Laune gut nachvollziehen. Oft genug hatte er in der Haut des Polizisten gesteckt und selbst einen Verdächtigen zu einer Befragung abholen wollen. Wenn der sich unkooperativ verhalten hatte, war er auch schon mal grob geworden. Allerdings war er bisher keinem Nackten bei seinen Einsätzen begegnet.
»Meinetwegen nicht«, hörte Pepe die Polizistin hinter sich leise kichern.
Hier musste doch irgendwo seine Gepäckrolle rumliegen. Da! Auf Zehenspitzen versuchte Pepe, die Glasscherben zu vermeiden. Es gelang ihm nicht gänzlich. Als er vor dem Doppelbett in die Knie ging, hatte sich bereits eine beachtliche Anzahl tief in seine Fußsohlen gebohrt. Nicht nur deswegen musste er sich am Kühlschrank festhalten und tief durchatmen. Er brauchte fast eine volle Minute, um den Würgereiz unter Kontrolle zu bekommen. Während er mit seinen Innereien kämpfte, überlegte Pepe krampfhaft, was die Ordnungshüter an seinen Wohnwagen geführt hatte. Irgendetwas lauerte in seinem Hinterkopf, dessen er nicht habhaft werden konnte. Das Letzte, woran er sich deutlich erinnern konnte, war die abrupte Verabschiedung von Isa nach ihrem gemeinsamen Bad. Danach war er mit der Schnapsflasche in der Hand auf direktem Wege nach Hause gelaufen. Oder etwa nicht? War er zum Bootssteg zurückgekehrt, um zu schauen, ob die polnischen Hobby-Soldaten Hilfe brauchten? Moment! War das der Grund für den offiziellen Besuch? Hatten die Kerle etwa Anzeige erstattet? Pepe versuchte sich zu entsinnen, wie schwer jeder Einzelne von ihnen verletzt worden war. Ad hoc fielen ihm ein gebrochenes Bein, eine zerschmetterte Hand und eine angeschlagene Leber ein. Nichts Weltbewegendes. Ihm ging es jedenfalls auch nicht viel besser. Vorsichtig kratzte Pepe an seiner geschienten Nase. Isa hatte ganze Arbeit geleistet. Der provisorische Verband saß noch immer akkurat. Der Schnitt an seinem Ohr pochte zwar merklich, konnte mit seinen Kopfschmerzen jedoch nicht mithalten.
»Herr Morgenweck!«
»Ich komme ja gleich«, antwortete Pepe.
Unterwäsche, ein frisches T-Shirt und eine Uniformhose mit Tarnfleckmuster gab seine Gepäckrolle her. Wovon er kein Ersatzpaar dabeihatte, waren Schuhe. Nicht einmal Badelatschen. Also zog Pepe an, was da war, fuhr sich über seine Glatze, die dringend eine frische Rasur nötig hatte, kramte noch schnell das Portemonnaie aus der Motorradjacke und trat barfuß zu den Polizisten hinaus.
»Na endlich!«, knurrte der Mann unfreundlich.
»Bitte folgen Sie uns«, ergänzte die Frau mit amüsiert glänzenden Augen.
Sie nahmen ihn auf dem schmalen Pfad in die Mitte. Der Beamte lief hinter ihm und Pepe war sich sicher, dass seine Hand angespannt über dem Pistolenhalfter schwebte. Pepe dagegen hüpfte über den mit Tannenzapfen gespickten Pfad, als ob er über glühende Kohlen zu laufen hätte. Erst als der Weg in das Campingareal mündete, wurde der Polizist etwas lockerer. Bei Pepe war es genau andersherum. Es war der reinste Spießrutenlauf. Zum Glück war das rollende Hotel schon abgereist. Trotzdem gab es genug Gaffer. Wie früher, wenn einen der Klassenlehrer in der großen Hofpause vor allen Leuten in das Büro des Direktors schleifte. Praktisch vor jedem Campingmobil und Wohnwagen wurde zu Mittag gegessen und Pepe war die Attraktion des Tages. Er konnte spüren, wie ihm jedes Augenpaar folgte und wie Köpfe tuschelnd hinter ihm zusammengesteckt wurden. Wie damals auf dem Schulhof war ihm das relativ egal. Viel neugieriger war er auf das, was gleich folgen würde.
Sie liefen den oberen Weg entlang, von dem man leicht erhöht einen fantastischen Blick über den See und die mit rot-weißem Absperrband abgeriegelte Badestelle hatte. Menschen in grellweißen Ganzkörperanzügen wuselten in der Schutzzone umher. Davor parkten Streifen- und Rettungswagen. War jemand ertrunken? Isabella? Sie hatten doch zusammen das Wasser verlassen. Allerdings würde das die beiden Polizisten erklären. Mit Sicherheit hatte einer der Campinggäste ihr gemeinsames Bad beobachtet. Pepe wurde langsamer und starrte aus der Ferne auf den schwarzen Leichensack, der von vier Weißanzügen auf eine Bahre gehoben wurde. Sie hatten anscheinend schwer zu tragen. Das konnte unmöglich Isa sein, die wog ja fast nichts.
»Kommen Sie, Herr Morgenweck«, kommandierte der Polizist. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Ich schon«, hätte Pepe am liebsten geantwortet. Oberbootsmann Candy Schulze hatte sich erst für den heutigen Abend ankündigt.
Im Weltenbummler wimmelte es nur so vor Menschen. Der Gastraum war in zwei Hälften geteilt worden. Die eine war der Wartebereich, abgetrennt durch die vorhandene Fachwerk-Balkenkonstruktion, die zusätzlich durch eine Grenzmauer aus Tischen vom übrigen Raum getrennt wurde. Der war offensichtlich für die Interviews reserviert. Das Polizistenduo führte Pepe zu einem freien Stuhl nah an der Tischmauer.
»Bitte setzen Sie sich und warten Sie hier«, sagte die Beamtin. »Man wird Sie gleich aufrufen und befragen.«
»Okay.« Pepe lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und rieb seine Füße aneinander, um die Glassplitter und Steinchen loszuwerden.
Von seinem Platz aus konnte er den gesamten Raum überblicken. Isabella und Mark waren nicht hier. Steckte sie also doch in dem Plastiksack? Onkel Harry dagegen war da. Er saß in der Interviewzone und so nah, dass Pepe jedes Wort, das gesprochen wurde, verstehen konnte.
»Wo waren Sie zwischen zehn und elf?«, fragte eine Frau in zivil gerade, wahrscheinlich eine Kommissarin.
»In der Grundschule. Ja, in der Grundschule.«
Pepe musste grinsen. Jetzt, bei besserem Licht, kam ihm Onkel H irgendwie bekannt vor.
»Herr Zimmermann, bitte, wir untersuchen einen Todesfall!«, entgegnete die Frau ungehalten, aber ruhig.
Sie war etwas älter als Beate, etwas fülliger und ein Schlagstock war auch nicht zu sehen. Dass sie trotz der Provokation professionell blieb, nötigte Pepe einigen Respekt ab.
»Wirklich, in der Grundschule. Ich habe Mark abgeholt. Ihm ging es nicht gut. Ganz und gar nicht gut ging es ihm.«
»Um zehn Uhr nachts?«
»Ach so, nein. Da habe ich geschlafen. Tief und fest geschlafen.«
»Kann das jemand bezeugen, Herr Zimmermann?«
Harry Zimmermann. Den Namen hatte er irgendwann mal gehört! Aber das Gesicht passte irgendwie nicht dazu. Oder lag es am Vollbart? Es fiel Pepe nicht leicht, sich Harry ohne die Käpt‘n-Iglu-Maske vorzustellen.
»Der da vielleicht. Wirklich, der Paco vielleicht«, antwortete Onkel Harry und zeigte auf Pepe.
Harry Zimmermann. Na klar! Harry Zimmermann war in eine Klapsmühle gesteckt worden, damals, als er die Mumie und den chinesischen Kampfjet verfolgt hatte. Verdammt war die Welt klein. Das war also die medizinische Einrichtung, in der sich Onkel Harry und Isabella kennengelernt hatten. Eine Irrenanstalt. Hoffentlich war Isa eine Krankenschwester und keine Insassin gewesen. Was er bis jetzt gesehen hatte, deutete allerdings eher auf Letzteres.
Die Kommissarin schaute zu Pepe hinüber, dann wieder zu Harry und notierte sich etwas auf ihrem Schreibblock.
»Wo waren Sie, bevor Sie um zweiundzwanzig Uhr zu Bett gingen?«, fragte sie als Nächstes.
»Da war ich am Bootssteg. Am Bootssteg war ich, gleich hinter meinem Camper. Ich bin oft da. Vor allem abends bin ich da oft.«
»Und was machen Sie dort, am Bootssteg?«
»Ich schau mir die Boote an. Wirklich, die Boote.«
»Gestern auch?«
»Nein, gestern nicht.«
»Was haben Sie gestern getan?«
»Ich habe jemandem mit einem Ruder eins über den Schädel gezogen. Voll über den Schädel.«
Die Beamtin legte ihren Stift kurz hin und schaute Harry fest in die Augen.
»Würden Sie das bitte wiederholen?«
Pepe musste sich ein Grinsen verkneifen. Onkel Harry zu bitten, etwas zu wiederholen, war so, als würde man die Kanzlerin fragen, ob sie nicht mal die Raute machen könne.
»Ich habe jemandem mit einem Ruder eins über den Schädel gezogen. Voll über den Schädel.«
»Warum haben Sie jemandem mit einem Ruder eins über den Schädel gezogen?«
»Na weil der sonst den Paco umgebracht hätte. Wirklich, umgebracht hätte er den.«
Die Kommissarin schaute zu Pepe, dieses Mal etwas länger.
»Die Männer haben miteinander gekämpft?«
»Das haben sie. Das haben sie. Der Paco und die Isa haben denen ziemlich Saures gegeben.«
»Wie ist es zu dem Kampf gekommen?«
»Das weiß ich nicht. Das weiß ich wirklich nicht.«
»Möchten Sie mir sonst noch etwas sagen?«
»Gut, dass Sie das fragen. Wirklich sehr gut. Ich bin denen nämlich auf der Spur, müssen Sie wissen.«
Harry beugte sich verschwörerisch zu der Polizistin herüber und senkte seine Stimme. Pepe hatte Mühe zu verstehen, was er nun von sich gab.
»Wem sind Sie auf der Spur?«, fragte die Kommissarin genauso leise.
»Na denen. Wirklich, denen. Es hängt natürlich alles zusammen, müssen Sie wissen. Angefangen bei Anna Amalia.«
»Anna Amalia? Wohnt die auch hier auf dem Zeltplatz?«
»Anna Amalia? Nein. Die ist tot. Tot ist die.«
»Woran ist sie gestorben?«
»Keine Ahnung. Wirklich, keine Ahnung. Aber ihre Bibliothek wurde abgefackelt. Fünfzigtausend Bücher sind am 2. September 2004 in Weimar verbrannt. Fünfzigtausend. Der Brand wurde angeblich ausgelöst durch ein Kabel. Dass ich nicht lache. Eine Vertuschungsaktion war das. Nichts weiter.«
Harry hatte plötzlich aufgehört, sich zu wiederholen, dafür gestikulierte er wild mit beiden Händen in der Luft und sein Gesicht glühte vor Eifer. Der Kommissarin klappte der Unterkiefer runter.
»Und Köln«, ereiferte sich Harry, schüttelte den Kopf und winkte ab, »kommen Sie mir nur nicht mit Köln.«
»Herr Zimmermann, bitte, können Sie mir etwas den Fall betreffend sagen?«, versuchte die Beamtin ihn zu bremsen. Fast hätte sie nach seinen Händen gegriffen, um ihn zu beruhigen.
»Aber es hängt doch alles zusammen! Alles hängt mit allem zusammen! Am 3. März 2009 stürzte ein Kölner U-Bahntunnel ein und riss das Stadtarchiv mit sich. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie das nicht wissen«, fuhr Harry aufgebracht fort.
»Doch, natürlich.«
»Sehen Sie«, triumphierte er, »das sind alles Vertuschungsaktionen. Ich könnte die Liste ewig fortführen.«
»Bitte nicht«, wehrte die Kommissarin ab und winkte die beiden uniformierten Kollegen heran, die Pepe abgeholt hatten.
»Die Nazis stecken hinter allem. Wirklich, die Nazis.«
»Selbstredend.«
Das Winken der Kommissarin wurde energischer.
»Da liegt so viel im Verborgenen. Geld, Gold, Kunst, geraubt aus ganz Europa. Es sind die Nachkommen, die das Zeug im Keller horten und nun ihre Spuren in den Archiven verwischen. Denken Sie nur an das Bernsteinzimmer! Wirklich, das Bernsteinzimmer. Hier geht es um Millionen! Ach, was sage ich, um Milliarden!«
Schade, dass Beates Vater nicht hier war. Der hätte sich mit Harry bestimmt prächtig verstanden.
»Vielen Dank, Herr Zimmermann«, verabschiedete sich die Beamtin genervt und stand auf. »Meine Kollegen begleiten Sie nach draußen. Bitte halten Sie sich die nächsten Tage zu unserer Verfügung, falls wir weitere Fragen haben.«
Sie seufzte schwer, angelte ihre Tasse vom Tisch, nahm einen Schluck, verzog den Mund und stellte sie wieder hin. So lange wie Harry geredet hatte, war der Kaffee sicher eiskalt. Sie setzte sich und richtete das Wort an Pepe: »Herr Morgenweck, kommen Sie bitte.«
Pepe erhob sich und lief humpelnd um die Abgrenzungsmauer herum. Harrys Stuhl war noch warm. Kein Wunder, so wie der sich in Rage geredet hatte.
»Mein Name ist Samulski«, begann die Kommissarin das Gespräch. »Können Sie sich ausweisen?«
»Leider nein«, entgegnete Pepe und fasste unwillkürlich an die Beintasche seiner Uniformhose, in der die Geldbörse mit seinem Ausweis steckte.
»Sie sind Paco Morgenweck, wohnhaft in der Stauffenbergstraße 18 in Berlin?«, fragte Samulski, mit dem Finger auf dem entsprechenden Eintrag in der Anmeldeliste des Campingplatzes zeigend.
»Ja«, bestätigte Pepe vorsichtig.
»Was ist mit Ihrer Nase passiert?«
»Die ist gebrochen.«
»Wie?«
»Durch eine Fraktur der beiden Nasenbeine, vermute ich.«
Die Kommissarin stutzte und starrte Pepe mit zusammengekniffenen Augen an. Dann wechselte sie das Thema.
»Wo waren Sie gestern zwischen zweiundzwanzig und dreiundzwanzig Uhr?«
»Am Strand.«
»Hier auf dem Campingplatz?«
»Ja.«
»Allein?«
»Nein.«
»Wer war bei Ihnen?«
»Isabella.«
»Isabella Laskas?«
»Ich kenne ihren Nachnamen nicht.«
»Sie kennen den Nachnamen der Frau nicht, mit der Sie nackt schwimmen waren?«
Also waren sie doch beobachtet worden. Das war ja klar. Auf einem Zeltplatz konnte man keine Geheimnisse voreinander haben. Wie in einem DDR-Neubaublock voller Senioren.
»Nein.«
»Sie wurden gesehen, wie Sie total durchnässt das Camp betreten haben«, fuhr Samulski fort, rieb sich über ihren Nacken und schaute Pepe intensiv ins Gesicht.
Sie sah gestresst aus. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Mit Sicherheit über vierzig, aber bestimmt noch keine fünfzig. Ihre Haare waren kurz geschnitten und dunkelbraun gefärbt. Sie aß wohl gern und lachte viel. Das verrieten ihr Körperbau und die Fältchen um ihre Augen. Nur im Moment nicht. Und wenn Pepe in den Raum voller Menschen jenseits der Tischmauer schaute, wusste er warum. Es würde ein langer Tag mit den immer gleichen Fragen werden.
»Herr Morgenweck, Sie wurden gesehen, wie Sie gestern Abend total durchnässt das Camp betreten haben«, wiederholte Samulski.
»Und?«, fragte Pepe zurück und zuckte mit den Schultern.
»Kennen Sie diesen Mann?«, änderte die Polizistin ihre Taktik.
Sie zog ein Foto aus ihrem Schreibblock und legte es vor Pepe auf den Tisch. Den Mann zu erkennen, war nicht leicht. Er wies schlimme Verletzungen im Gesicht auf. Als hätte ihn jemand stundenlang mit einem Baseballschläger bearbeitet. Oder mit einem Ruder.
»Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Pepe wahrheitsgemäß.
»Das ist Pawel Wrobel. Der Mann, mit dem Sie sich auf dem Bootssteg geprügelt haben und dem Herr Zimmermann mit einem Ruder eins über den Schädel gezogen hat, wie er mir vorhin bestätigte.«
»Aha.«
»Pawel Wrobel ist tot. Er trieb heute Morgen in der Badebucht des Zeltplatzes. Ihm wurde praktisch jeder Knochen seines Körpers gebrochen.«
»Aha.«
Samulski beugte sich zur Seite und holte etwas aus einer Reisetasche unter dem Tisch vor. Erst nahm sie die Fotografie an sich, dafür legte sie einen großen Beweisbeutel an die gleiche Stelle. Pepe neigte sich kurz vor, begutachtete den Inhalt des Beutels und lehnte sich dann wieder zurück.
Er fühlte sich nicht annähernd so cool, wie er sich gab. War er gestern Abend tatsächlich zum Steg zurückgekehrt und hatte den Kerl nach Strich und Faden verdroschen? Wenn er sich doch nur erinnern könnte!
»Wissen Sie, was das ist?«, unterbrach die Beamtin seine Gedankengänge.
»Ein amerikanischer Klauenhammer. Sechshundert Gramm schwer. Der Kopf aus hochwertigem Stahl mit gehärteten Schlagflächenrandzonen. Abgerundete Kanten. Die Finne mit dem Nagelzieher blank geschliffen. Ein hochwertiges Werkzeug«, gab Pepe bereitwillig Auskunft.
»Gehört der Ihnen?«
»Nein.«
»Sie wurden damit gesehen.«
»Das kann sein. Er gehört mir trotzdem nicht. Ich habe ihn mir geborgt.«
Die Kommissarin atmete tief ein und langsam aus.
»Herr Wrobel zeigt Frakturen, die ihm durchaus mit diesem Werkzeug zugefügt worden sein können.«
»Aha.«
»Finden wir Ihre Fingerabdrücke und Wrobels Blut auf dem Hammer, sieht es nicht gut für Sie aus«, fuhr die Samulski fort.
Sie starrte Pepe an, als versuchte sie ihn zu hypnotisieren. Dann klingelte ihr Telefon. Ohne den Blick von ihm zu nehmen, griff sie danach, ließ es noch einen Moment bimmeln, bevor sie schaute, wer störte. Es schien wichtig zu sein. Sie nahm den Anruf an.
Nach drei Ahas und einem Danke legte sie auf.
»Dieses Mal haben Sie Glück, Herr Morgenweck. Das war der Gerichtsmediziner mit einem ersten Update. Anscheinend hat sich Herr Wrobel seine tödlichen Verletzungen bei einem Sturz aus großer Höhe zugezogen.«
»Vom Bootssteg?«
»Höher.«
»Gibt es hier eine Brücke in der Nähe?«
»Noch höher. Sie können jetzt gehen. Aber halten Sie sich bitte zu unserer Verfügung!«