Читать книгу Kanada – Ontario - Stephan Brünjes - Страница 15
8.Kensington Market: Ein Auto als Blumenbeet, XXL-Graffiti und quietschbunte Fassaden
Оглавление„Where have all the flowers gone?” Die Antwort auf diese Titelzeile in Pete Seegers Anti-Kriegslied von 1955 heißt heute: To Kensington Market! Das Multikulti-Viertel westlich des Torontos Business District ist farbenfroh – mit Graffitis auf vielen Fassaden, Urban Gardening, Cafés und Secondhandläden.
Airbrush-Haus
Hippes Viertel: Kensington Market
Stellt man sich Toronto als hippen Menschen vor, Kensington Market wäre seine Tattoo-Zone: Fassaden, Hinterhofschuppen und Mauern rund um die Schaufenster sind vielerorts komplett besprayt und getaggt – mal mit buntem Fantasie-Patchwork, das entfernt an Kirchenfenster erinnert, mal mit furchteinflößenden Drachen, anderenorts mit 3D-Malereien oder irre dreinschauenden XXL-Gesichtern. Alles keine wilden Malereien, sondern meistens Ergebnisse gut kontrollierter Kreativität: Torontos Graffiti Management Plan unterstützt einerseits Künstler und verschafft ihnen Fassaden- und andere Flächen in Abstimmung mit Hausbesitzern. Andererseits bekämpft das Graffiti Management den Vandalismus von Sprayern und unterstützt Geschädigte finanziell bei der Beseitigung illegaler Graffiti.
Schon bei den ersten Schritten durch dieses Karree ist klar: Kensington Market ist Torontos alternativer Spot. Fast nirgendwo Neubauten, sondern meist schmale, zweistöckige Spitzgiebel-Häuser, die sich aneinander schmiegen und von ihren Besitzern in Miss-Piggy-Rosa, Brombeer-Farbe oder leuchtend gelb gestrichen wurden. In den meisten Straßen haben kleine Erdgeschoss-Läden geöffnet, die viele Besucher umgehend in relaxten Bummelmodus versetzen: Bei Butterfly mit Retro-Sonnenbrillen posieren, nebenan im Nepal Handicraft Store durch indische, nepalesische und tibetanische Ketten, Holzskulpturen und Kunst stöbern oder Vintage-Mode und Accessoires anprobieren bei Dancing Days – an Outdoor-Kleiderständern unter einem fassadenhohen Mona-Lisa-Graffito.
Markenlabels und Ladenketten gibt es in Kensington Market fast nirgendwo – erfolgreich stemmen sich die Bewohner hier gegen Gentrifizierung, und die Stadt Toronto machte das einstige Gangsterviertel bereits 2006 zur National Historic Site of Canada. Inoffizielles Wappentier Kensingtons ist eine auf einem gelben Stuhl sitzende Katze, die hoch oben auf einem rosa Metallpfeiler thront – jeder soll sich hier so wohlfühlen wie sie, symbolisiert das Tier. Und nach seiner eigenen Fasson glücklich werden. Kensington Market gilt als Quartier mit über Jahrzehnte gelungener Einwanderungspolitik, was sich auch auf den Speisekarten nachlesen lässt: Menschen aus der Karibik mixen ihre Küche mit der italienischen und servieren „Rasta-Pasta“. Asiaten machen gemeinsame Sache mit Ungarn unter dem Namen „Thaigary“. Wer solche Exoten-Menüs an Tischen vor den zumeist kleinen Restaurants genießt, der merkt schnell, die Straßen davor sind Laufstege und Bühnen für Gaukler, Puppenspieler und vagabundierende Unplugged-Bands aller Stilrichtungen.
Typisches Haus, hier die rosa Variante
Unbestrittener Hingucker und das Highlight des Viertels aber ist ein schrottreifes Auto. Die Ford-Taurus-Limousine steht in der Augusta Avenue am Straßenrand, über und über besprayt, die Räder so tief in die Kotflügel gedrückt, dass Betrachtern sofort ein mehrfacher Achsbruch in den Sinn kommt. Doch stehen bleiben die Leute, weil auf Motorhaube und Windschutzscheibe Rasen wächst, sich aus dem offenen Schiebedach ein Weidenbaum reckt und im ebenfalls offenen Kofferraum ein Gemüsebeet gedeiht – mit Tomaten, Basilikum und Minze. Erst bei genauerem Hinsehen wird klar, der gesamte Innenraum des Wagens ist fast bis unters Dach mit Gartenerde aufgefüllt. Wer macht so was? Und warum?
Die Künstlerin Yvonne Bambrick hegt und pflegt ihren „Carden“ – diese Kreuzung aus car und garden – seit 2007 mit viel Hingabe. Und beantwortet gerne jede Frage von Schaulustigen zu dem Kunstprojekt: „Wird der Wagen gar nicht abgeschleppt?“ – „Nein, die Stadt Toronto hat uns sogar die Parkgebühren erlassen, aber wir mussten den Carden bei der Straßenverkehrsbehörde angemeldet lassen!“. „Steht der immer hier?“ – „Nein, nur von Mai bis Herbst, in den kalten Monaten schleppen wir ihn in sein Winterquartier.“. „Könnten Sie bitte einmal einen Schritt zur Seite gehen“, fragt eine Stimme von hinten. Die nächsten, die ein Selfie mit Carden machen wollen ...
Der Carden – Hingucker in Kensington
Info
Lage: Kensington Market bezeichnet die Straßenzüge im Viereck zwischen College Street und Spadina Avenue, Dundas Street West und Bathurst Street westlich der City.
Anfahrt: Von der Union Station mit der Straßenbahn Richtung Spadina Avenue fahren; schöne Strecke am See entlang. Sobald die Bahn in die Spadina Avenue einbiegt, an der Haltestelle Dundas Street oder einer der folgenden aussteigen.
Öffnungszeiten: Die üblichen Ladenöffnungszeiten gelten auch hier.
Eintritt: kostenlos
Webseite: www.kensington-market.ca