Читать книгу Leben, mit meiner "Freundin" der Depression - Stephan Falkenstein - Страница 9

Ein neuer Lebensabschnitt

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Ich hatte es also endlich geschafft. Ich ging mit meinem Realschulabschluss von der Schule. Vor allem in den 8. und 9. Klassen diente ich zwischenzeitlich immer wieder als Mobbingopfer. Das weiß ich heute. Damals waren es für mich einfach unschöne Situationen, in denen ich gehänselt wurde oder makabere Scherze mit mir oder auf meine Kosten gemacht wurden.

Ich war so froh, endlich die Schule hinter mir zu lassen und endlich von Zuhause ausziehen zu können. Weg von meinen Problemen, weg von meinen Eltern, vor allem weg von meinem Vater. Dabei hatte sich das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir etwas gebessert, je näher der Tag des Ausbildungsbeginns kam. Trotzdem habe ich mich Zuhause schon lange nicht mehr wohl gefühlt. Auch weil Vater immer noch der Meinung war, dass ich weder zu groß, noch zu alt war um mir eine einzufangen, wenn er meinte, dass es nötig war. Und ab und zu war es wohl noch nötig.

Obwohl mein Vater damals erst gegen eine Ausbildung war, für die ich wegziehen musste und ich seiner Meinung nach lieber noch die Handelsschule besuchen sollte, unterschrieb auch er, unter Protest, den Wisch, dass er sein Einverständnis dazu gab. Das war notwendig, weil ich noch minderjährig war und ohne die Unterschriften meiner Eltern wäre die Ausbildung in einer anderen Stadt gescheitert. Da hatte ich wochenlang Angst vor und es kostete mich Diskussionen und Nerven. Das erste Mal, dass meine Meinung zählte und für mich ein Traum in Erfüllung ging. Aber auch mein letzter Klassenlehrer sprach mit Engelszungen und überzeugte meine Eltern, dass es in den Zeiten besser wäre, wenn man einen Ausbildungsplatz sicher in der Tasche hätte und diesen auch antreten sollte, statt eine weitere Schule zu besuchen. Gerade wegen der Ungewissheit, ob dieser Platz zwei Jahre später noch zu Verfügung stehen würde.

Dass mein Vater sich mehr oder weniger hat breit schlagen lassen und eigentlich immer noch gegen meinen Auszug war, wird später noch eine wichtige Rolle spielen.

Da es für meine Ausbildung und mein Berufsziel Voraussetzung war, dass ich gute Englischkenntnisse vorweise, ermöglichten mir meine Eltern einen sechswöchigen Amerikaaufenthalt bei meiner Großtante und meinem Großonkel. Meine Großcousine und mein Großcousin sind ein Jahr und drei Jahre jünger als ich und wohnten daher auch noch bei ihren Eltern. Während meines Aufenthaltes lernte ich also fleißig und irgendwie fast von alleine Englisch. Was keine große Kunst war, da außer meiner Großtante niemand Deutsch sprach.

Währenddessen war man in Deutschland in voller Aktion. Meine Eltern und deren Freunde organisierten und führten für mich meinen Umzug durch, weil es zeitlich fast nicht möglich gewesen wäre, das alles nach meiner Rückkehr zu schaffen.

So fing ich also am 1. August meine Ausbildung zum Restaurantfachmann an und war stolz wie Oskar, dass ich ein Zimmer in einer Zweier-WG hatte. Ich war glücklich, die ersten Wochen hatten viel Spaß gemacht und ich hatte keine Ahnung, dass es schon bald ganz anders kommen sollte.

Ich hatte Geburtstag und diesen habe ich mit einigen Kollegen und Mit-Azubis gefeiert. Auch eine Auszubildende zur Köchin, die mit mir zusammen angefangen hatte, war eingeladen. Ich fand sie damals echt süß. Wir hatten uns gut verstanden, das war auch schon alles. Außerdem hatte ich in meiner Heimatstadt eine Freundin, und ich war auch mit 17 Jahren schon nicht der Type, der zweigleisig fährt oder fremd ging. Wenn man das in diesem Alter überhaupt schon so sehen würde.

Was ich zu der Zeit noch nicht wusste, dass es einen wesentlich älteren Auszubildenden zum Koch gab, der ein Auge auf dieses Mädchen geworfen hatte und meine Geburtstagsfeier als Grund zur Eifersucht sah. Und das sollte ich bald zu spüren bekommen.

Einige Abende später, als sich ein Freund von mir verabschiedete der zu Besuch war, wollte ich mich zum schlafen gehen fertig machen. Es war schon spät und ich musste wieder früh raus. Es klingelte an der Tür. In der Annahme, dass es mein Freund war der vielleicht etwas vergessen hatte, ging ich zur Tür um sie zu öffnen. Kaum hatte ich sie aufgemacht wurde sie von außen kraftvoll aufgestoßen und eh ich das richtig begriffen hatte, wurde auf mich eingeschlagen, geboxt und mir so dermaßen die Fresse poliert, dass ich zu Boden ging. Mit einigen Fußtritten in meinen Bauch, gegen Brust und Kopf und der Drohung, dass ich meine Hände von dem Mädel lassen sollte, sonst würde mir schlimmeres passieren, verabschiedete sich der Type wieder und war schnell wieder verschwunden. Nachdem ich den ersten Schock überstanden hatte, stand ich mühselig und schmerzgeplagt auf. Ich stieß die Tür zu und schloss sie zum ersten Mal ab. Ich hatte einfach Angst, dass der Kerl noch da draußen lauerte und zurück kommen könnte.

Als ich am nächsten Morgen nach einer schlaflosen Nacht ins Bad ging, sah ich mit Entsetzen das Ergebnis des nächtlichen Überfalls. Ein blaues Auge, kaputte Schläfe, dicke Nase. Auch auf Brust und Bauch, alles blau und es schmerzte bei jeder Bewegung. Was sollte ich denn nun im Hotel sagen was passiert ist? Mit der Wahrheit komme ich nicht weit, dass hatte er mir auch gesagt. Dann würde es wieder Prügel setzen.

In den folgenden Tagen wurde ich von Angst begleitet. Jedes mal wenn ich in die Hotelküche kam erntete ich böse und bedrohliche Blicke von diesem Schläger. Doch lange hielt ich das nicht aus. Ich vertraute mich einem Kollegen im Service an, der den Typen gut kannte und wusste, dass er bei jeder Gelegenheit seine Brutalität auslebte. Glaubt mir, ich bereute schon, dass ich das erzählt hatte und meine Angst, dem Typen außerhalb des Hotels zu begegnen wurde dadurch nicht kleiner.

Mein letzter Ausweg war, ich musste es meinen Eltern erzählen. Da hättet ihr mal meinen Vater hören sollen.

"Ich habe es dir gleich gesagt, geh weiter zur Schule! Du hättest bei uns wohnen bleiben können. Hast du jetzt davon, dass du deinen Kopf durchsetzen musstest. Ich habe dir gleich gesagt, das geht daneben."

Den letzten Satz habe ich mein ganzes Leben, immer und immer wieder von meinem Vater zu hören bekommen. Dann durfte ich mir immer gleich anhören, was in meinem Leben, in seinen Augen noch alles daneben gegangen war. Zumindest hatte ich mich verhalten, wie es mir anerzogen wurde und weil ich ein braver Junge war und auf meine Eltern hörte, habe ich mich nicht geprügelt, habe ich einen anderen Menschen nicht geschlagen und somit auch nicht weh getan. Kommt euch das gerade bekannt vor?

Letztendlich haben mir meine Eltern dann doch geholfen. Die Hoteldirektion wurde hinzugezogen, eine Anzeige bei der Polizei wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung kamen hinzu. Als das der Hoteldirektor mitbekommen hatte, wurden meine Eltern und ich zu einem Gespräch in sein Büro geladen. Ich solle doch die Anzeige zurück ziehen, der junge Mann käme aus schwierigen Verhältnissen. Er hätte schon mehrere Anzeigen im polizeilichen Führungszeugnis wegen Körperverletzung und nach mehreren abgebrochenen Ausbildungen wäre das hier jetzt seine letzte Chance. Wenn wir die Anzeige nicht zurück ziehen würden, müsste er seinen Ausbildungsvertrag kündigen und der junge Mann säße auf der Straße. Wir könnten dem Mann doch seine Zukunft nicht verbauen wollen.

Das lasst mal auf euch wirken! Ich bin dann Schuld, dass aus dem Typen nichts mehr wird? Ah ja! Und was ist mit mir?

Jedenfalls haben wir, oder meine Eltern, des lieben Friedens Willen beschlossen, die Anzeige zurück zu nehmen um dem guten Mann eine letzte Chance für seine Berufsausbildung zu geben, damit er noch etwas aus seinem Leben machen konnte.

Was nun für jeden klar sein dürfte, ich konnte unmöglich dort bleiben, um mich weiter ausbilden zu lassen. Wie sollte das denn auch funktionieren? Wenn Mr. Brutalo was nicht passte, hätte er nun den Freibrief gehabt, mich zu verprügeln. Und weil ich ihm, von der Hoteldirektion angewiesen, nicht sein Leben verbauen könne, käme er jedes Mal durch?

Letztendlich habe ich im Dezember meinen zweiten Ausbildungsplatz angefangen. Von da an wurde alles anders, wurde alles besser.

Leben, mit meiner

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