Читать книгу Abendlicht - Stephan Hermlin - Страница 9

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Keiner Bewegung fähig lag ich im Dunkel. Es war nicht wie sonst, wenn ich lief und spürte, daß meine Beine schwerer, mein Schritt langsamer wurde, während die unsichtbaren Verfolger näher kamen. Ich lag auf dem Rücken, ungefesselt, aber starr, als hätte ich weder Muskeln noch Sehnen, auch waren keine Schritte in meiner Nähe hörbar, nur ein fast lautloses Gleiten, Schleichen, Schleifen, Drängen und der Schatten unverständlicher Worte, weniger als ein Flüstern. Hier gab es keine Verfolgung, ich war längst eingeholt, ich war ausgeliefert, unsichtbare Blicke glitten über mich hin, man betrachtete mich, schätzte mich ab, man würde etwas mit mir beginnen, nur war man sich noch uneins über den Zeitpunkt, über den Eingriff, den man vorhatte. Denn um einen Eingriff mußte es sich handeln, der Gedanke wurde im Nu zur Gewißheit, man wollte mich nicht länger dulden als das, was ich war, ich sollte ein Anderer werden, ich würde ausgewechselt werden wie ein Stück ermüdetes Metall, ich hörte eine Stimme »Je est un autre«, war es ein Zitat oder war es die Stimme von Rimbaud selbst, sie würden mir andere Sinne geben, andere Reflexe, andere Empfindungen, sie würden mich stumpf machen, wo ich scharf, nachgiebig, wo ich unbeugsam, hart, wo ich voller Mitleid war. Ich schrie auf, ich hörte mich fragen: »Wo bin ich?« und hörte die Antwort in mir oder außer mir, unverständlich, rätselhaft: »Unter einem chemischen Mantel.«

Abendlicht

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