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2. Das „habsburgische Jahrhundert“

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Am Anfang jeder Darstellung habsburgischer Geschichte muss der Begriff „Österreich“ stehen, der in Spätmittelalter und Früher Neuzeit die folgenden drei Aspekte umfasste:

dynastisch die habsburgische Familie inkl. aller Nebenlinien
rechtlich die Summe von all deren Herrschaftsrechten
territorial die Länder und Besitztitel der Habsburgerdynastie

Jegliches Verständnis der habsburgischen Ambitionen im 15. und 16. Jahrhundert muss diese mehrfachen und wiederholten dynastischen, rechtlichen und territorialen Fragmentierungen beachten, den die Bezeichnung Haus Österreich impliziert. Diese tritt zwar bereits in den einzelnen semantischen Zuschreibungen hervor, kommt jedoch in den beiden Zäsuren, die den dargestellten Zeitraum gleichsam „umfassen“, geradezu beispielhaft zum Vorschein und unterstreicht somit den situativen Charakter des habsburgischen Jahrhunderts: Zunächst die spätmittelalterliche Zweiteilung, die das (Erz-) Herzogtum Österreich von den Ländern Innerösterreichs (Steiermark, Kärnten, Krain) abtrennte und die durch Maximilian I. beendet wurde, der alle Länder erneut in seinen Händen vereinte. Dann die De-facto-Trennung der Dynastie in eine „spanische“ beziehungsweise eine „deutsche“ beziehungsweise „österreichische“ Linie (1521/22), die durch die Abdankung Karls V. (1556) und die Nachfolge Ferdinands I. im Alten Reich – seit 1530 bereits König, wurde dieser 1558 zum Kaiser gewählt – gleichsam formalisiert wurde. Sowie die nach dem Tod Ferdinands erfolgte (erneute) Dreiteilung der österreichischen Länder unter seinen Söhnen, die erst nach dem Ende dieser Nebenlinien im Verlauf der 17. Jahrhunderts während der langen Herrschaftszeit Leopolds I. endete.

Epochencharakteristika

Das hier dargestellte „habsburgische Jahrhundert“ stellt in gewisser Weise eine mehrfache „Ausnahme“ dar: Erstens aufgrund des transformativen Charakters des Zeitraums, innerhalb dessen die Dynastie von einem zentraleuropäischen Machtfaktor binnen weniger Jahrzehnte der Verwirklichung einer Universalmonarchie nahe schien. Zweitens veränderte diese Gemengelage die (Selbst-)Wahrnehmung der Protagonisten, allen voran Maximilians I. und Karls V.: Während Ersterer mit dem burgundischen Erbe gleichsam über Nacht zu dem keineswegs unumstrittenen Herrn über eine der wohlhabendsten Regionen Europas wurde, verlagerte dessen Enkel den Schwerpunkt des Hauses aus dem Heiligen Römischen Reich alsbald nach der Iberischen Halbinsel. Zusammen mit der Teilung der beiden Linien führte dies, drittens, zu sehr unterschiedlichen Voraussetzungen für die weiteren Ereignisse und Entwicklungen der habsburgischen Besitzungen: Aus den zentraleuropäischen Erblanden mit ihrer bis zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich „deutschsprachigen“ Bevölkerung wurde nach 1526 eine, auch aus ethnolinguistischer Sicht betrachtet, mehrfach „zusammengesetzte Monarchie“ (John Elliott), die spätestens nach der Bewahrung der Kaiserwürde über der Tod Ferdinands I. hinaus von den iberisch-überseeischen Kontexten zunehmend eigenständige Wege einschlug. Ähnliches gilt jedoch auch für die spanische Monarchie unter Karl V. und unter dessen Nachfolgern, die den Entwicklungen dieses Zeitraums ebenso Rechnung trugen und eine von ihren „deutschen“ Verwandten weitgehend und auch zunehmend unabhängige Politik verfolgten, deren Schwerpunkte in Europa zunächst in Italien, dem westlichen Mittelmeerraum beziehungsweise entlang des Niederrheins ruhten, aufgrund der fortgesetzten überseeischen Expansion im Verlauf des 16. Jahrhunderts allerdings auch vermehrt deren amerikanische Besitzungen umfassten.

Stichwort

Zusammengesetzte Monarchie

Dieses auf Helmut Koenigsberger (1975) zurückgehende und von John Elliott (1992) verbreitete Konzept bezeichnet frühneuzeitliche Staatswesen, die aus mehreren gleichberechtigten und/oder nachgeordneten Territorien unter einem Herrscher bestanden, der diese, entsprechend den jeweiligen unterschiedlichen Traditionen und Rechtsstrukturen, regierte. Diese können des Weiteren danach unterschieden werden, ob die einzelnen Besitztitel benachbart sind (etwa Kastilien und Aragón oder England und Wales) oder durch natürliche oder politische Räume voneinander getrennt existieren, wie dies etwa in überseeischen Kolonialreichen beziehungsweise der zusammengesetzten Monarchie der Hohenzollern der Fall war. Es sei betont, dass die Existenz einzelner Staatswesen „um 1500“ keineswegs eindeutig in Richtung der späteren Nationalstaaten weist, wiewohl manche der Monarchien – etwa England, Frankreich oder Spanien – durchaus gewisse äußere Ähnlichkeit mit diesen aufwiesen: Dynastische Ansprüche, die Vorstellungen der Fürsten über deren Rechtmäßigkeit sowie die Reaktivität zeitgenössischer Politik stellen gewichtige Vorbehalte angesichts anachronistischer Projektionen späterer Verhältnisse dar.

Einheit – Vielfalt

Streng betrachtet, existierte eine – zusammengesetzte – habsburgische Monarchie mit einem einzigen Herrscher lediglich in den ersten zwei oder drei Jahren nach der Kaiserwahl Karls V. Bereits 1521/22 teilte er diese in Worms und Brüssel mit seinem Bruder Ferdinand, der die Herrschaft über die österreichischen Länder erhielt. Diese waren angesichts des materiellen Reichtums der burgundischen Länder und der ersichtlichen Dominanz der „Neuen Welt“ beziehungsweise der Apenninen-Halbinsel durch die iberischen Königreiche jedoch kaum mehr als ein „Trostpreis“, was zu fortgesetzten Spannungen zwischen den zwei Brüdern führte. Dieser großen „Arbeitsteilung“ müssen jedoch auch die übrigen Protagonisten des habsburgischen „Familienunternehmens“ an die Seite gestellt werden, die jeweils die Interessen des Kaisers und der Dynastie wahrenden Statthalterinnen und Statthalter: Während Ferdinand durch die Erlangung der böhmischen und der ungarischen Kronen nach der Schlacht bei Mohács (1526) beziehungsweise durch die Königswahl im Reich (1530) zu Karls bedeutendstem Stellvertreter und designiertem Nachfolger wurde, so müssen auch immerzu die übrigen engeren Familienangehörigen bedacht werden; beispielhaft hierfür seien etwa Margarete von Österreich (1480–1530) oder Maria von Ungarn (1505–1558) erwähnt.

Karls Stellvertreter/-innen (Auswahl)
Margarete von Österreich Statthalterin der Niederlande (1507–1530) Tante Karls V.
Maria von Ungarn Statthalterin der Niederlande (1531–1555) Schwester Karls V.
Ferdinand I. dt. König (1530–1564) röm. Kaiser (1558–1564) Bruder Karls V.
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