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5. Schwerpunkte der Darstellung

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Diesen skizzierten historiografischen Rahmenbedingungen und thematischen Schwerpunkten trägt die Darstellung in zweierlei Hinsicht Rechnung: Die Bestimmung des Zeitraums von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur Abdankung Karls V. (im Reich 1556) erwächst aus den vielfältigen Umwälzungen der Epoche, deren Folgen und unbeabsichtigten Konsequenzen. Deren Grundzüge – etwa die dynastische Expansion, die Nachbar- und Feindschaft zum Islam oder die Aktivitäten der Humanisten, Seefahrer und Reformatoren – verweisen allesamt mehr oder weniger auf frühere und spätere Zeiten, doch müssen folgende Qualifikationen immerzu bedacht werden.

Transformationen um 1500?

Das habsburgische Jahrhundert war in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme, was jedoch weniger auf einen als allgemein angenommenen „Wendecharakter“ der Jahrzehnte um 1500 zurückzuführen ist. Offenkundig veränderten sich die europäischen Gemeinwesen im ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Neuzeit, doch erscheint es wenig eingängig, der einen oder anderen Person beziehungsweise Gruppe von Individuen (Dynastie) eine den Gang der Geschichte gleichsam im Alleingang verändernde Qualität zuzumessen. Vielmehr fußt die Darstellung auf der Annahme, dass just in diesem Zeitraum mehrere mittel- und langfristige Veränderungen, immerzu verbunden mit Klios Launen, Europas Monarchien in ihren Grundfesten erschütterten und so die beispiellose Machtfülle Karls V. überhaupt erst ermöglichten: Hierzu zählen etwa die „Mutation“ der sozialen Verhältnisse, die, von den Niederlanden ausgehend, ab dem Spätmittelalter die Funktionsweisen und Organisation von Arbeit verwandelten, die im ausgehenden 15. Jahrhundert abklingenden Machtkämpfe in England, Frankreich und Kastilien sowie die gleichzeitig aber zunehmenden, keineswegs beispiellosen konfessionellen wie sozialen Spannungen, die sich in bäuerlichen und unterbäuerlichen Unruhen manifestierten. Wandel, umfassend verstanden, auf mehreren Ebenen, teilweise parallel verlaufend und in vielfach miteinander verflochtenen Zusammenhängen, ist auszumachen, doch war dieser wohl kaum so abrupt und transformativer Natur, wie dies die spezielle Betrachtung und Deutung einzelner Akteure nahezulegen vermögen.

Aktion und Reaktion

So lässt sich – in Anlehnung an das 1687 von Isaac Newton (1642/43–1726/27) formulierte Wechselwirkungsprinzip – also festhalten, dass die hier dargestellte Epoche und der eingenommene Blickwinkel von sowohl langsamem Wandel, manchen abrupten Erschütterungen und den jeweiligen Reaktionen geprägt war; vieles war in den knapp einhundert Jahren nach der Mitte des 15. Jahrhunderts im Fluss, viel mehr noch aber änderte sich für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung wenig bis gar nicht. Ab etwa 1560 herum können allerdings erneut einige „schärfere“ Konturen ausgemacht werden, die jedoch „erst“ in der Rückschau klar zum Vorschein treten und die folgenden Ausführungen leiten:

Geopolitik

1. In geopolitischer Hinsicht lassen sich mehrere überregionale Machtkämpfe ausmachen, die sehr starke und zum Teil auch „ideologisierende“ (avant la lettre) Konnotationen aufweisen: Einerseits der französisch-habsburgische Gegensatz, der direkt aus den Expansionsbestrebungen Friedrichs III. und seines Sohnes Maximilian resultierte und bis weit über den Zeitraum dieser Darstellung wirkmächtig war; andererseits die den Zeitgenossen oftmals unaufhaltsam anwachsend erscheinende Machtfülle des Osmanischen Reiches, das zwar bereits deutlich vor der Erstürmung Konstantinopels (1453) im Südosten Europas Fuß gefasst hatte, aber just in der Regierungszeit Karls V. vermehrt in das Bewusstsein des christlichen Europas rückte. Die aus diesen Konstellationen erwachsenden Spannungen manifestierten sich besonders in den reichen Regionen – auf der Apenninen-Halbinsel, entlang des Rheins und in den Niederlanden – sowie in den Grenz- und Übergangsräumen zu Wasser (Mittelmeer) und zu Land (Südosteuropa).

Intellektuelle Umbrüche

2. Hinsichtlich des geistesgeschichtlichen Wandels während des habsburgischen Jahrhunderts ist somit festzuhalten, dass die verschiedenen Manifestationen des Wandels – die „Entdeckungen“ in Übersee, die Folgen des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die Tätigkeiten der Humanisten und die europäischen Reformationen – immerzu mit ihren kürzeren und längeren, ausgesprochen eng miteinander verflochtenen Entwicklungslinien zu bedenken sind: Klar ersichtlich sind die kolonialistischen Vorläufer in der mittelalterlichen Méditerranée (Charles Verlinden), nicht minder offenkundig die Wechselbeziehungen zwischen den neuen Möglichkeiten der Informationsverbreitung, humanistischem Gedankengut und der raschen Aus- und Verbreitung reformatorischen Gedankenguts, das sich klar von den Erfahrungen abhebt, die etwa England mit John Wyclif (spätestens 1330–1384) oder Böhmen mit Jan Hus (um 1370–1415) gemacht haben.

Europa und die Welt

3. Letztlich sei auf die mehrfache Expansion Europas verwiesen, die im Hochmittelalter ihren Anfang nahm, aber besonders durch die „Entdeckung“ Amerikas und des Seeweges nach Indien die Entwicklung der europäischen Monarchien – und der Welt – maßgeblich beeinflusste. Diese war zudem durch den ökonomischen Wandel begleitet, der, von den italienischen und nordwesteuropäischen Städten und Handelszentren ausgehend, die sozialen Verhältnisse im Verlauf der folgenden Jahrhunderte markant veränderte. Zusammen bereiteten diese Ereignisse und Entwicklungen einer durch die parallel verlaufende Professionalisierung und Spezialisierung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern befeuerten Wissensexplosion den Weg, die mehrfach mit der systematischen Ausbeutung der Kolonien und Märkte in Übersee verflochten war.

Klammer: Dynastie

Dergestalt, in aller (stark) vereinfachenden Kürze, gestaltet sich auch die Darstellung, die in groben Zügen den Verwicklungen der Habsburger mit diesen drei großen Entwicklungssträngen folgt und nach der deren Dynastie hierbei die bereits erwähnte Funktion einer „Klammer“ zukommt: Manches lässt sich durch einzelne Personen oder deren Familienverband verbinden, vieles andere wiederum wurde durch einzelne dynastische, rechtliche beziehungsweise territoriale Bezüge voneinander getrennt.

Aufbau der Darstellung

Die das habsburgische Jahrhundert kennzeichnenden Konfrontationen gegen Frankreich und das Osmanische Reich, die europäischen Reformationen und die mehrfache Expansion in Übersee strukturieren auch den Aufbau der Darstellung: Am Anfang steht eine knappe Schilderung der Rahmenbedingungen des dargestellten Zeitraums (Kapitel 2), um so ein belastbares Fundament für die folgenden Ausführungen zu schaffen. Die beiden Abschnitte über die „großen Gestalten“ (Karl Vocelka), Maximilian I. (Kapitel 3) und Karl V. (Kapitel 5) finden sich einerseits durch eine Darstellung der Italienischen Kriege und europäischen Reformationen (Kapitel 4) gleichsam „durchsetzt“; andererseits widmet sich der letzte große Teil den zwei auf lange Sicht wirkmächtigsten Folgen des habsburgischen Jahrhunderts, der osmanischen Expansion in Zentraleuropa und der Etablierung einer „österreichischen“ Monarchie durch Ferdinand I. sowie der besonders durch die „Entdeckung“ der „Neuen Welt“ und des Seeweges nach Indien befeuerten globalen Dominanz Europas (Kapitel 6). Eine zusammenführende Synthese (Kapitel 7) fasst die wichtigsten Punkte unter Berücksichtigung der Tendenzen der einschlägigen jüngeren Forschungsergebnisse zusammen.

Auf einen Blick

Neben einer Einführung in Begriffe, Forschungstraditionen und Grundzüge des „habsburgischen Jahrhunderts“ finden sich vor allem der Zugriff der Darstellung und die bedeutenden Spezifika der Epoche besprochen. Im Gegensatz zu der überwiegend getrennt verlaufenden Diskussionen über die Spanische Monarchie, das Heilige Römische Reich beziehungswiese die zentraleuropäische Habsburgermonarchie wird hier eine bewusst verbindende, transnationale Position eingenommen: Einzelne Akteure wie Maximilian I., Karl V. oder Martin Luther werden in die sie umgebenden Räume und Strukturen eingeflochten, um so auch deren intellektuelle mentale Tätigkeiten in umfassendere und die Lebenszeit einzelner Personen übergreifende Zusammenhänge zu bringen.

Die maßgeblichen Kontexte sind, erstens, die dynastische Rivalität zwischen den Valois und den Habsburgern, die vor dem Hintergrund der osmanischen Expansion gegeneinander um die Vorherrschaft in Europa kämpften; zweitens weist die Darstellung bewusst auf die intellektuellen und technologischen Umwälzungen – Buchdruck, „Entdeckungen“ und Reformationen – hin, die eng miteinander verflochten waren und die in sich mehrfach wandelnden Konstellationen den Gang der Geschichte drastisch beeinflussten; schließlich kommt, drittens, den Folgen der europäischen Expansion, allen voran der auch von Adam Smith betonten „Entdeckung“ der Amerikas und des Seeweges nach Indien, besondere Bedeutung zu, da deren Vorteile im betrachteten Zeitraum vor allem der spanischen Krone anheimfielen.

Literaturhinweise

Von Lier nach Brüssel. Schlüsseljahre österreichischer Geschichte (1496–1995). Hrsg. v. M. Scheutz/ A. Strohmeyer, Innsbruck u.a. 2010. Das aktuelle Handbuch zu den bedeutsamsten Ereignissen der „österreichischen“ Geschichte, wobei besonders die Einleitung (M. Scheutz/A. Strohmeyer, S. 7–29) sowie die Beiträge zu der habsburgisch-spanischen Doppelhochzeit (A. Strohmeyer, S. 31–57) und der Schlacht bei Mohács (T. Winkelbauer, S. 59–78) einen guten Einstieg und jeweils eine Auswahlbibliografie umfassen.

Imperien und Reiche in der Weltgeschichte. Epochenübergreifende und globalhistorische Vergleiche. Hrsg. v. M. Gehler/R. Rollinger, 2 Teile, Wiesbaden 2014. Vergleichend konzipiert, interessieren hierin besonders die Beiträge zu dem spanischen Weltreich (W. Bernecker, S. 817–852), der Universalmonarchie Karls V. (A. Kohler, S. 853–870), dem Imperium Philipps II. (A. Brendecke, S. 871–892) bzw. zu der zentraleuropäischen Habsburgermonarchie (A. Strohmeyer, S. 1027–1056, bzw. A. Suppan, S. 1057–1082), die hilfreiche Überblicke und jeweils eine Auswahl bibliografischer Hinweise enthalten.

Martínez Millán, José: Historiographie Karls V. in Spanien. In: The Histories of Emperor Charles V. Nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft. Hrsg. v. C. Scott Dixon u.a., Münster 2005, S. 91–114. Ein Überblick über die Ergebnisse der spanischen Forschung in deutscher Sprache.

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