Читать книгу Europas habsburgisches Jahrhundert - Stephan Karl Sander-Faes - Страница 13

4. Historiografische Charakteristika der Epoche

Оглавление

Ungeachtet der Beständigkeit der sozialen Verhältnisse und der langfristigen Veränderungen der ökonomischen Entwicklung, lassen sich die folgenden drei – auch historiografischen – Anhaltspunkte in dem hier behandelten Zeitraum ausmachen:

Personen im Fokus

1. Auf einer stark die handelnden Personen fokussierenden Ebene stellen die habsburgischen Kaiser – Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. – einen Schwerpunkt dar. Deren Geschicke wiederum stehen seit langer Zeit im Mittelpunkt des Interesses, wobei folgende Aspekte zu beachten sind: Gemein ist den meisten vorliegenden biografischen Annäherungen, dass dem betrachteten Akteur eine gewichtige Rolle hinsichtlich der Beeinflussung des Gangs der Geschichte zugemessen wird. Über weite Strecken des 19. und bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts überwogen stark und oftmals sehr eindeutig konnotierte „Great Man Histories“. Während des Kalten Krieges wurden diese „großen Männer“ vermehrt in die diese umgebenden intellektuellen, konfessionellen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen eingehegt und deren Ambitionen und Handlungsräumen mehr oder minder engere Grenzen gesetzt. In jüngster Zeit wiederum schwingt das Pendel – erneut – in die andere Richtung aus, was sich in der zunehmenden Betonung von Kooperation und Konsens der verschiedenen monarchischen, höfischen, hofstaatlichen und ständischen Akteure niederschlägt.

Stichwort

Great Man History

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam die Idee auf, dass „große Männer” aufgrund ihrer Willenskraft gleichsam im Alleingang den Gang der Weltgeschichte beeinflussen können. Verbreitet vor allem durch den schottischen Essayisten und Historiker Thomas Carlyle (1795–1881), zählten Charisma, Durchsetzungsvermögen und individuelle Qualitäten zu den entscheidenden Merkmalen solcher „großer Männer“. Diese auf Carlyle beruhende Perspektive, wiewohl alsbald angegriffen unter anderen von dem britischen Universalgelehrten Herbert Spencer (1820–1903), der besonders die (Vor-)Bedingungen betonte und die diese „großen Männer“ umgebenden Strukturen (avant la lettre) hervorhob, war besonders in den Geistes- und Sozialwissenschaften bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts der dominante Zugriff auf historische Entwicklungen und deren Darstellungen.

Raum und Struktur

2. Die handelnden Personen sind jedoch immerzu in ihren räumlichen und strukturellen Kontexten zu bedenken: Zunächst in ihren überregionalen Zusammenhängen, die mit dem Heiligen Römischen Reich, der Spanischen Monarchie inklusive deren außereuropäischen Besitzungen und der zentraleuropäischen Habsburgermonarchie verbunden sind. Diese übergeordneten Kontexte können (müssen) des Weiteren anhand sowohl ihrer jeweiligen konfessionellen, rechtlichen, ökonomischen und territorialen Dimensionen als auch deren einzelner institutioneller Bestandteile innerhalb der vorgenannten Rahmen differenziert werden. Schließlich erlauben diese Kontextualisierungen eine Rückbindung zu der individuellen beziehungsweise persönlichen Ebene, so diese die damit ebenso verbundenen Personen und -gruppen berücksichtigt.

Mentalitätswandel

3. Als weiteres maßgebliches Element der Darstellung sind zudem die intellektuellen und mentalen Veränderungen zu bedenken, die vor allem mit dem Wirken der Humanisten, der Verbreitung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, den Reformationen und der vielfältigen Expansion europäischer Staaten in Übersee verbunden sind. Im weiteren Verlauf des habsburgischen Jahrhunderts trugen die Wechselwirkungen dieser Faktoren maßgeblich dazu bei, den Lauf der Geschichte zu verändern. Zu beachten ist hierbei jedoch immerzu, dass dieser mehrfache Wandel sowohl spätmittelalterliche als auch frühneuzeitliche Züge trug, deren Bezeichnungen und Konzeptionen somit mehr deren idealtypische Charakteristika denn Realitätsnähe zuzumessen sind. Vielmehr sind derartige vor- und frühmoderne Züge zwei Seiten derselben Medaille, die einander beeinflussten, bedingten und neue Möglichkeiten eröffneten.

Europas habsburgisches Jahrhundert

Подняться наверх