Читать книгу Triceratops - Stephan Roiss - Страница 31
ОглавлениеDIE ASCHBACH-GROSSMUTTER saß in der Stube vor dem Mostkrug und schnarchte leise. Als wir über den knarzenden Holzboden auf sie zugingen, öffnete sie die Augen. Wir zeigten ihr, was wir unter der Dachbodenstiege gefunden hatten.
»Das ist ein Bowlingkegel«, sagte sie. »Wo kommt denn der her?«
Sie ergriff den Kegel und musterte ihn. Wir stopften den Putzfetzen, in den der Kegel eingeschlagen gewesen war, in die Hosentasche.
»Warst du heimlich im Wald?«, fragte Großmutter.
Wir verstanden die Frage nicht, schüttelten den Kopf.
»Unsereins spielt kein Bowling«, sagte Großmutter. »Das spielen nur Amerikaner.«
Ächzend erhob sie sich und warf den Kegel in die Glut. Funken schwebten durch die Stube. Das Ofentürchen quietschte, als Großmutter es schloss.
»Was wir machen, das heißt Kegeln«, sagte Großmutter, kämpfte kurz mit ihrem Gleichgewicht, setzte sich wieder auf ihren Stuhl und schenkte sich randvoll Most ein.
»Neun Kegel sind genug«, sagte sie, kicherte und nahm einen großen Schluck.
Uns schossen Tränen in die Augen.
Am Abend durften wir Zweige mit einem Taschenmesser anspitzen. Großmutter schnitt die Knackwürste ein und zeigte uns am Sternenhimmel den Gürtel des Orion und das W der Kassiopeia. Ihr Gesicht flackerte im Schein des Lagerfeuers.
Zwei Tage später knieten wir vor einer roten Schale voller Playmobil im Hof. Großmutter trat aus dem Haus. »Um sechs holt dich dein Vater ab«, sagte sie. Ihre Holzpantoffeln klapperten bei jedem Schritt. Eine Weile sah sie uns zu, wie wir die Playmobilmännchen auf einem Riss im Beton postierten. Dann bückte sie sich und stellte die Figur, die wir gerade zurück in die Schale gelegt hatten, wieder vor uns hin. Der Figur fehlte ein Arm.
»Man muss auch mit Behinderten spielen.«
Eine rostige Eisenstange ragte aus dem Wasser, von Seerosen umringt. Auf einem Stein hockte reglos eine schlammfarbene Kröte. Zwei Steine weiter saß der Kater, mit zuckendem Schwanz und aufgerichteten Ohren. Er beobachtete die Wasserhüpfer, die mit jedem ihrer Sprünge feine Wellenkreise lostraten. Es sah aus, als würde es regnen. Wir ließen uns auf dem Tischtuch nieder, das Großmutter auf dem Steg ausgebreitet hatte.
»Aber fall mir ja nicht in den Tümpel«, sagte sie, verließ den Garten, zog das Gatter zu und verschwand hinter der Hausecke.
Eine Weile befühlten wir die Rillen im Stegholz. Wir bemerkten, dass die Kröte ein Bein vor das andere gesetzt hatte. Von fern kam das Plätschern der Bäche und wir hörten darin die Stimmen von Frauen und Kindern, einen Traktor, Blasmusik, das Zischeln einer Schlange.
Wir erwachten. Immer noch lagen wir auf dem Tischtuch vor dem Tümpel, doch unser Kopf ruhte nun auf einem Polster und ein grober Leinenvorhang bedeckte uns. Wir schlugen den Stoff zur Seite und kratzten uns an den Schienbeinen.
Wir liefen durch den Garten, kletterten auf den weißen Findling, warfen den Putzfetzen in die Luft und fingen ihn wieder, umrundeten den Tümpel, hüpften von Trittstein zu Trittstein, bis wir das Gatter erreichten. Dort brockten wir ein paar Walderdbeeren und kehrten in den Hof zurück. Der Kater wärmte sich auf dem Misthaufen den Bauch. Wir gingen in die Scheune und stellten uns tot.
Unsere Schwester zeichnete gerade das Muster des Teppichs ab, als wir ihr Zimmer betraten. Ein schmales Rahmenband, Zackenlinien, Dreiecke, im Zentrum eine flache Raute. Langsam tastete sich ein Weberknecht über das Poster, das die Werte und Zugformen der Schachfiguren erklärte. Speedy lag rücklings im Käfig und rührte sich nicht. Seine Schnauze stand offen. Napf und Trinkflasche waren leer, das Stroh dunkel und klebrig. Unsere Schwester erhob sich, legte Block und Kugelschreiber parallel zueinander auf ihren Schreibtisch.
»Hattest du eine gute Zeit bei Großmutter?«, fragte sie und verließ das Zimmer.